Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
Die NPD vertritt nationalistische, völkische und revisionistische Positionen. Insgesamt weist ihre Programmatik eine ideologische und sprachliche Nähe zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) im „Dritten Reich“ auf. Den verfassungsfeindlichen Charakter der NPD stellte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 fest.
Während die NPD in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in bis zu sieben westdeutschen Landesparlamenten vertreten war, verlor sie in den folgenden Jahren an Bedeutung. Seit der Wiedervereinigung 1989/90 nahm ihre lokale und regionale Verankerung, vor allem in damals wirtschaftlich schlechter gestellten Gebieten im Osten Deutschlands, teilweise wieder zu. Nachdem sie seit 2004 bzw. 2006 in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern vertreten war, ist sie inzwischen in keinem Landesparlament mehr präsent.
Landesvorsitzender: |
Daniel Lachmann |
Bundesvorsitzender: |
Frank Franz (Saarland) |
Mitglieder: |
In Hessen etwa 260, bundesweit etwa 3.600 |
Jugendorganisation: |
Junge Nationaldemokraten (JN) |
Medien (Auswahl): |
Deutsche Stimme (DS), Internetpräsenzen |
Die NPD in Hessen war wie in den Vorjahren nur eingeschränkt handlungsfähig. Sie war weiterhin nur in wenigen Regionen aktiv, trat dort aber öffentlich in Erscheinung. Agitationsschwerpunkte waren die Themen „Asylmissbrauch“, „Flüchtlinge“ und „Innere Sicherheit“, mit denen die Partei bevorzugt im Internet und in sozialen Netzwerken öffentlich ihre rechtsextremistische Ideologie verbreitete. Bei der Europawahl erzielte die NPD in Hessen ein Ergebnis von 0,2%. Das der NPD Hessen zurechenbare Personenpotenzial blieb im Vergleich zum Vorjahr konstant.
Auf einen Blick
- Jahresauftakt
- Europawahl
- Stefan Jagsch – Wahl und Abwahl
- Kampagne „Schafft Schutzzonen!“
- Bundesparteitag
Jahresauftakt | Am 5. Januar führten die NPD und ihre Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) ihre Jahresauftaktveranstaltung in der Willi-Zinnkann-Halle in Büdingen (Wetteraukreis) unter dem Motto „Festung Europa – Schutzzone Deutschland“ durch. Gleichzeitig bildete der Neujahrsempfang den Auftakt für den Wahlkampf der NPD für die Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai.
Moderiert wurde die von etwa 150 Teilnehmern besuchte Veranstaltung von dem Chefredakteur der DS, Peter Schreiber, sowie von Vanessa Bredereck, Vorstandsmitglied des NPD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen. Als Redner traten neben dem Bundesvorsitzenden Frank Franz und dem Spitzenkandidaten der NPD zur Europawahl, Udo Voigt, weitere parteiprominente Funktionäre auf.
In einer Podiumsdiskussion mit dem Landesvorsitzenden der NPD Bayern, Sascha Roßmüller, vertrat der rechtsextremistische Autor Johannes Scharf das in seinem Buch „Der weiße Ethnostaat“ beschriebene Konzept des „Nova Europa“. Scharf verficht dabei die These, dass es zur Erhaltung der Kultur notwendig sei, über eine Auswanderung in „ethnisch weiße Länder“ und die Schaffung von „Siedlungsprojekten“ nachzudenken, um „Rückzugsräume“ für die „weiße Population“ zu erhalten.
Im Anschluss an die Jahresauftaktveranstaltung fand in der Willi-Zinnkann-Halle eine Musikveranstaltung mit den szenebekannten rechtsextremistischen Bands Oidoxie, Die Lunikoff-Verschwörung und Germanium mit etwa 200 Zuhörern statt, für die bundesweit geworben worden war. Die Stadt Büdingen hatte zunächst versucht, die Überlassung der Stadthalle zurückzunehmen, da sie sich über die von der NPD gemachten Angaben zur abendlichen Musikveranstaltung getäuscht sah. Nachdem das VG in Gießen einen diesbezüglichen Eilantrag der NPD abgelehnt hatte, entschied der Verwaltungsgerichthof in Kassel letztinstanzlich zugunsten der NPD, sodass die Stadt der NPD die Willi-Zinnkann-Halle überlassen musste. Vor diesem Hintergrund beschloss die Büdinger Stadtverordnetenversammlung Ende Januar, die Willi-Zinnkann-Halle grundsätzlich nicht mehr für Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung zu stellen.
Europawahl | Nach der Aufhebung der Drei-Prozent-Sperrklausel durch das Bundesverfassungsgericht war es der NPD bei der Europawahl 2014 gelungen, aufgrund ihres Ergebnis von 1,0% erstmals einen Abgeordneten in das Europäische Parlament zu entsenden. Erklärtes Ziel war es daher, auch 2019 wieder im Europaparlament vertreten zu sein.
Die NPD erzielte auf Bundesebene einen Stimmenanteil von 0,3% (= 101.011 Stimmen). Damit verlor sie nicht nur rund zwei Drittel der 2014 erreichten Stimmen (= 301.139), sondern verfehlte deutlich die zur Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung erforderliche Schwelle von 0,5%. Zudem verlor sie ihr einziges Mandat im Europäischen Parlament.
Auch in Hessen gelang es der NPD nicht, das Ergebnis der Europawahl 2014 (= 0,8%, 13.869 Stimmen) zu wiederholen. Mit einem Stimmenanteil von 0,2% (= 4.844 Stimmen) erhielt sie 2019 einen erheblich geringeren Zuspruch als 2014.
In einer Stellungnahme zum Ausgang der Wahl konstatierte der Parteivorsitzende Frank Franz, dass das Ergebnis, obwohl man einen „engagierten und auch wahrnehmbaren Wahlkampf geführt“ habe, „deutlich hinter den Erwartungen“ zurückgeblieben sei. Der NPD-Spitzenkandidat und bisherige Europaabgeordnete Udo Voigt sah in der „Zersplitterung unter […] nationalen Kräften, in drei miteinander konkurrierende Parteien“ einen Grund für den enttäuschenden Wahlausgang. Man werde daher im Parteivorstand „schonungslos die künftige Stellung der Partei ausloten“.
Stefan Jagsch – Wahl und Abwahl | Am 5. September wurde der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbands Hessen, Stefan Jagsch, in seinem zu der Gemeinde Altenstadt (Wetteraukreis) zählenden Heimatort Waldsiedlung zum Ortsvorsteher gewählt. Bei der einstimmigen Wahl waren sieben Ortsbeiratsmitglieder anwesend, darunter – neben Jagsch – Vertreter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Freien Demokratischen Partei (FDP). Zwei Ortsbeiratsmitglieder der SPD und CDU waren bei der Wahl nicht anwesend. Später begründeten Mitglieder des Ortsbeirats ihre Wahlentscheidung zugunsten Jagschs unter anderem damit, dass dieser mit Computern umgehen und E-Mails verschicken könne, man im Ortsbeirat völlig parteiunabhängig arbeite und es unerheblich sei, was Jagsch privat oder parteipolitisch mache.
Die Medien griffen das Ereignis auf und konstatierten einen „Blackout der Demokratie“. Es folgte eine bundesweite Debatte über die Gründe für diesen Wahlausgang. Hochrangige Politiker forderten schließlich eine Abwahl Jagschs als Ortsvorsteher.
Am 22. Oktober wurde Jagsch in einer Sitzung des Ortsbeirats Altenstadt, Ortsteil Waldsiedlung, abgewählt und eine neue Ortsvorsteherin aus den Reihen der CDU gewählt. Jagsch kündigte an, gegen die Abwahl juristisch vorgehen zu wollen.
Kampagne „Schafft Schutzzonen!“ | Seit Juni 2018 mobilisierte die NPD für die Kampagne „Schafft Schutzzonen!“ und versuchte mit dem Thema „Sicherheit von Deutschen vor Ausländerkriminalität“ eine Emotionalisierung der Bevölkerung zu bewirken. Die Kampagne hatte einen eigenen Internetauftritt, wobei auf den ersten Blick keine Verbindung zur NPD erkennbar war. Als „Schutzzone“ definierte die NPD einen nach außen abgegrenzten Bereich, innerhalb dessen angeblich „Sicherheit“ gewährleistet werden könne. Die Ausgestaltung sei hierbei variabel, sodass zum Beispiel ein Gebäude, ein Fahrzeug oder eine Personengruppe eine „Schutzzone“ bilden können.
In Hessen führte die NPD unter Beteiligung der JN seit September 2018 „Schutzzonen“-Aktionen – zumeist in Form von „Streifengängen“ – durch, so etwa in Fulda (Landkreis Fulda), Hanau (Main-Kinzig-Kreis), Friedberg (Wetteraukreis), Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis), Offenbach am Main, Gießen (Landkreis Gießen), Wiesbaden und Dillenburg (Lahn-Dill-Kreis). Jeweils nach einem „Streifengang“ veröffentlichte die NPD kurze Berichte mit entsprechenden Bildern im Internet.
Aufmerksamkeit in den Medien erzielte die NPD mit einer Aktion am 2. März während des Fastnachtsumzugs in Usingen (Hochtaunuskreis). Auf in Facebook veröffentlichten Bildern waren mit „Schutzzonen“-Westen bekleidete Aktivisten zu sehen, die sich unter die Zuschauer des Umzugs gemischt hatten. Ein Teilnehmer der „Schutzzonen“-Streife sprach mit einem Rettungssanitäter und unterhielt sich augenscheinlich mit einem in einem Funkwagen sitzenden Stadtpolizisten.
Im November wurde erstmals in Hessen eine Geldstrafe von 600 Euro gegen einen Teilnehmer einer „Schutzzonen“-Streife verhängt, der sich 2018 mehrfach an Streifen in Fulda (Landkreis Fulda) beteiligt hatte, wobei „Schutzzonen“-Westen getragen und entsprechende Flyer verteilt worden waren. Das Amtsgericht in Fulda sah hierin einen Verstoß gegen das Uniformverbot sowie gegen die Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung. Die Verteidigung kündigte eine Anfechtung des Urteils an. Die Berufungsverhandlung wurde bislang nicht terminiert.
Bundesparteitag | Unter dem Motto „Wir setzen uns durch – für unsere Heimat“ veranstaltete die NPD ihren 37. ordentlichen Bundesparteitag vom 30. November bis 1. Dezember in Riesa (Sachsen). Mit 84 von 113 abgegebenen gültigen Stimmen (74%) wurde Frank Franz ohne einen Gegenkandidaten zum zweiten Mal seit 2014 zum Bundesvorsitzenden gewählt. Die bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden Ronny Zasowk und Thorsten Heise wurden ebenfalls in ihrem Amt bestätigt. Zum dritten Stellvertreter wählten die Delegierten den ehemaligen Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Der bisherige stellvertretende Vorsitzende Stefan Köster wurde zum Bundesschatzmeister gewählt. Die NPD Hessen ist im Parteivorstand nun mit zwei Personen vertreten. Mit Daniel Lachmann und Ingo Helge wurden sowohl der Landesvorsitzende als auch ein stellvertretender Landesvorsitzender aus Hessen zu Beisitzern im Bundesvorstand gewählt.
Einem durch den Parteivorsitzenden Franz zur Diskussion gestellten Entschließungsantrag über die zukünftige Strategie der Partei stimmten 80 von 122 (=66%) der bei der Abstimmung anwesenden Delegierten zu. Mit dem Entschließungsantrag wurde der Parteivorstand beauftragt, bis zum 31. März 2020 ein Konzept für die Zukunft der NPD zu erarbeiten, wobei auch eine Umbenennung der Partei geprüft werden soll.
Am 8. und 9. November feierte die Jugendorganisation der NPD auf ihrem 43. Bundeskongress unter dem Motto „Volkserhalt statt Multikulti!“ ihr 50-jähriges Bestehen in Neuensalz (Sachsen). Die Feierlichkeiten – unter anderem mit Redebeiträgen von Frank Franz und Thorsten Heise – können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die JN weiterhin mit personell-strukturellen Problemen zu kämpfen hatten. Im Berichtsjahr stagnierten die Mitgliederzahlen der seit 2016 von Thassilo Hantusch geleiteten JN Hessen auf einem konstant niedrigen Niveau im unteren zweistelligen Bereich.
Auf einen Blick
- Kundgebungen
- Wahlkampfunterstützung für die NPD
- Kampagne „schuelersprecher.info“
- Kampagne „studentenrat.info“
Kundgebungen | Als aktionsorientierte Gruppierung führten die JN Hessen erneut Kundgebungen durch. Obwohl die Jugendorganisation hierbei teilweise zusammen mit der NPD auftrat, nahm in Hessen an den Kundgebungen maximal jeweils nur eine niedrige zweistellige Personenanzahl teil. Am 23. März fanden sich etwa zehn JN-Aktivisten zu einer Aktion gegen die Vortragsveranstaltung eines Sea-Watch-Kapitäns in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) ein, um gegen die – nach Ansicht der JN – die Fluchtursachen begünstigende Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeerraum zu demonstrieren. Während der „Eilversammlung“ wurde ein Banner mit der Aufschrift „Ahoi! Klar zur Wende. Schlepperkähne auf Kurs Süd‘ drehen!“ präsentiert. Anschließend hieß es auf dem Twitter-Profil von Thassilo Hantusch: „Die Machenschaften der NGO-Schlepper verschlimmern die Lage auf dem #Mittelmeer nur. Unsere Antwort: Festung #Europa verteidigen!“
Eine weitere JN-Kundgebung richtete sich am 23. April gegen eine Vortragsveranstaltung der SPD in Wiesbaden. Vor dem Beginn präsentierten zwei JN-Aktivisten sowie der NPD-Landesvorsitzende Daniel Lachmann und dessen Stellvertreter Stefan Jagsch ein Banner mit der Aufschrift „Stoppt die roten Arbeiterverräter www.junge-nationalisten.de“ im Umfeld des Veranstaltungsorts. Anschließend kommentierten die JN die Aktion über ihr Twitter-Bundesprofil:
„Am Dienstag fand im Stadtteil #Dotzheim eine Veranstaltung der #SPD […] statt. Deshalb fanden sich Mitglieder der #NPD und #JN dort ein, um spontan gegen […] die volksfeindliche Politik der SPD zu protestieren“.
Wahlkampfunterstützung für die NPD | Wie auch in den Jahren zuvor unterstützten die JN ihre Mutterpartei im Wahlkampf zur Europawahl. Vereinzelt beteiligten sich Aktivisten an NPD-Informationsständen, darüber hinaus nutzten die JN ihre bundesweite Kampagne „schuelersprecher.info“, um gezielt Jung- und Erstwähler anzusprechen. Entsprechende Beiträge wurden unter anderem auf Facebook und Instagram veröffentlicht. So informierten die JN in den sozialen Medien über eine Graffiti-Aktion mit dem Wahlaufruf „NPD 26.05.“ an einer Schule in Fulda (Landkreis Fulda), eine Plakatklebeaktion an einer Schule in Kassel sowie eine angebliche Klebeaktion in Kombination mit einem Graffiti an einem öffentlichen Platz in Hofheim am Taunus (Main-Taunus-Kreis).
In einem eigens zur Europawahl verfassten Schreiben, das nach Angaben des JN-Bundesverbands bundesweit an mehr als 100 ausgewählte Schülervertretungen verschiedener Gymnasien versandt wurde, machten die JN auf ihre Homepage www.junge-nationalisten.de aufmerksam. In dem Beitrag hieß es:
„Als Jung- und Erstwähler kommt unserer Generation eine bedeutende Gewichtung bei der bevorstehenden Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 zu. Mit unseren Stimmen werden wir entscheiden, ob wir auch künftig in einem Europa souveräner Nationalstaaten der verschiedenen Kulturen und Bräuche friedlich miteinander leben werden, oder ob unser Kontinent an der Utopie eines multikulturellen Einheitsbreis zugrunde geht“.
Es folgte die Ankündigung einer verstärkten Präsenz von Aktivisten an Schulen und Jugendclubs, um für die Kampagne zu werben, „damit Heimat auch in einem Europa des 21. Jahrhunderts mehr als nur ein Standort bleibt!“
Kampagne „schuelersprecher.info“ | Die erstmals im Rahmen der hessischen Landtagswahl 2018 initiierte Kampagne wurde im Berichtsjahr fortgeführt. Insbesondere während des Wahlkampfs zur Europawahl nutzten die JN die Kampagne als Sprachrohr, um besonders Jung- und Erstwähler, aber auch sonstige mögliche Interessenten, über den Deckmantel der zunächst nicht unmittelbar der JN zuzuordnenden Kampagne „Schülersprecher“ auf die JN aufmerksam zu machen. Neben entsprechenden Profilen in den sozialen Medien, wie Instagram und Twitter, nutzten die JN hierfür die Homepage www.schuelersprecher.info als zentrales Propagandamittel. Die Homepage bot Interessenten die Möglichkeit, sich über die Kampagne und die bundesweit durchgeführten Aktionen zu informieren. Zudem wurde auf der Homepage eine „Schulhof-CD 2.0“ mit einschlägigen Liedern aus der rechtsextremistischen Musikszene zum kostenlosen Download angeboten.
Nicht nur mit der Kampagne „schuelersprecher.info“ und den darin enthaltenen politischen Themen versuchten die JN anschlussfähig zu sein und sich für ihre junge Zielgruppe attraktiver zu präsentieren. Die JN griffen auch das Thema Klima- und Umweltschutz auf, um es für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Dabei versuchten sie von der allgemeinen Popularität der „Klimaproteste“ in der Bevölkerung zu profitieren. Ihre eigentlich nationalistischen und völkischen Positionen versuchte die Jugendorganisation hierbei zu verschleiern.
Einen Höhepunkt des Versuchs der Vereinnahmung der Umwelt- und Klimaschutzthematik bildete die Teilnahme einer JN-Gruppe an den Fridays-for-Future-Demonstrationen am 29. März in Frankfurt am Main und am 24. Mai in Erfurt (Thüringen). Hierbei versteckten die Aktivisten ihren parteipolitischen Hintergrund weitgehend unter dem Deckmantel der Kampagne „schuelersprecher.info“ und präsentierten ein Banner mit der Aufschrift „Die Zukunft gehört der rebellischen Jugend – Gegen die Lüge vom ,grünen Kapitalismus‘ schuelersprecher.info“ sowie „Europa! Jugend! Revolution! schuelersprecher.info gegen die Instrumentalisierung der Jugend durch Pseudo-Grüne Lobbyisten & Angstmacher“.
Auf diese Weise versuchten die JN „antikapitalistische“ und globalisierungskritische Positionen zu besetzen. So hieß es auf der Homepage www.schuelersprecher.info:
„Die Globalisierung diente nicht der Mehrung des Wohlstandes der Mehrheit, sondern nur der Erweiterung der Märkte und dem Reichtum einer vergleichsweise kleinen Gruppe. Milliarden Menschen sollen als neue Konsumenten dienen und im Zweifel ihre Heimat verlassen, um das Glück in der Ferne zu suchen. Als Arbeitsmigranten oder durch Kriege wurden sie entwurzelt, ihre Heimat wurde destabilisiert und verkauft. Sie flüchten, in der Hoffnung auf Wohlstand, um dann auf dem Arbeitsmarkt als Konkurrenten zur einheimischen Bevölkerung ihrem eigentlichen Einsatzzweck nachzukommen“.
Kampagne „studentenrat.info“ | Mit der offensichtlichen Erweiterung der „schuelersprecher.info“- um die „studentenrat.info“-Kampagne versuchten die JN zum Ende des Berichtszeitraums, auch Studierende als Zielgruppe für sich zu erschließen. Unter dem Motto „studentenrat.info“ fand im Oktober eine erste Verteilaktion an einer Hochschule in Rüsselsheim (Kreis Groß-Gerau) statt. Ein Beitrag über die Aktion wurde unter anderem über das Facebook-Profil studentenrat.info veröffentlicht. In einem Kommentar hieß es:
„Pünktlich zur Erstiwoche schlugen wir an den Eingängen der Hochschule […] auf, um die neuen Studenten zu begrüßen und ihnen unsere Vision für Deutschlands Zukunft näher zu bringen. Das Versagen der Eliten und der gesellschaftliche Wandel sind spürbar. Wir bringen ihn auch an die Universitäten“.
(Schreibweise wie im Original)
Mit der Gründung der NPD 1964 in Hannover (Niedersachsen) sollten die zersplitterten Kräfte des rechtsextremistischen Lagers in der Bundesrepublik in einer Partei gebündelt werden. Der Großteil des Führungskaders der NPD bestand zunächst aus ehemaligen Mitgliedern der NSDAP.
Auf einen Blick
- Anschein von Legalität
- Krise der NPD
- „Drei-Säulen-Konzept“ – Erfolge in Ostdeutschland
- Konzept der „seriösen Radikalität“
- Wahlergebnisse
Anschein von Legalität | Aus dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) 1952 durch das Bundesverfassungsgericht zog die NPD den Schluss, sich um den Anschein von Legalität zu bemühen und eine öffentliche Verherrlichung des Nationalsozialismus weitgehend zu unterlassen. Diese Strategie trug dazu bei, dass die NPD bei der Bundestagswahl 1965 zwei Prozent (= 664.193 der Zweitstimmen) erreichte. Zwischen 1966 und 1968 zog die NPD in die Landtage von Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ein. Die Mitgliederanzahl stieg, wobei auf sämtlichen Parteiebenen etwa 20 Prozent der Mitglieder eine NSDAP-Vergangenheit aufwiesen. Ursache für den damaligen Auftrieb für die NPD waren zum Beispiel das Bestehen einer nur kleinen Opposition gegenüber der ersten Großen Koalition (1966 bis 1969), die konjunkturelle Schwäche in Deutschland und damit verbundene Verlustängste in der Bevölkerung.
Krise der NPD | Bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte die NPD mit 4,3 Prozent (= 1.422.010 der Zweitstimmen) relativ knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. In der Folge führten unter anderem die innere Zerstrittenheit der Partei, eine sich allmählich bessernde wirtschaftliche Lage sowie die kritische Berichterstattung in den Medien über Ausschreitungen im Zusammenhang mit NPD-Mitgliedern zu einer langjährigen Krise der Partei. Weitere interne Streitigkeiten über die programmatische Ausrichtung, der starke Rückgang der Mitgliederzahlen, der öffentliche Skandal um die Leugnung des Holocaust durch den damaligen NPD-Vorsitzenden Günter Deckert (1991 bis 1995) und das Auftauchen konkurrierender rechtsextremistischer Parteien zementierten die Krise der NPD bis in die 1990er Jahre hinein.
„Drei-Säulen-Konzept“ – Erfolge in Ostdeutschland | Mit der Wahl Udo Voigts zum Bundesvorsitzenden im Jahr 1996 steigerte die NPD vor allem in den neuen Ländern ihre Mitgliederzahl und erneuerte neben Organisation und Strategie ihre Programmatik. Das neue „Drei-Säulen-Konzept“ enthielt folgende Punkte: „Kampf um die Köpfe“, „Kampf um die Straße“ und „Kampf um die Parlamente“. 2004 kam der „Kampf um den organisierten Willen“ hinzu.
Im Zuge ihres „Kampfs um die Straße“ öffnete sich die NPD vor allem gegenüber rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis. Umgekehrt näherten sich diese der NPD an. Nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens 2003 setzte die Partei ihre Politik der Annäherung an die Neonazi-Szene fort und konzentrierte ihre Aktivitäten zunehmend auf Ostdeutschland. 2004 und 2006 zog die NPD in die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ein, in denen sie inzwischen nicht mehr vertreten ist.
Konzept der „seriösen Radikalität“ | Holger Apfel, der 2011 gewählte Nachfolger Udo Voigts als Bundesvorsitzender, wollte mit seinem Konzept der „seriösen Radikalität“ die NPD aus der Krise führen, in die sie unter anderem durch eine Reihe von Niederlagen bei Landtagswahlen sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands geraten war. Offensichtlich aus persönlichen Gründen legte Apfel 2013 sein Amt als Bundesvorsitzender nieder und trat aus der Partei aus. Vorübergehend übernahm sein Stellvertreter Udo Pastörs die Führung, bis im November 2014 Frank Franz, vorher Pressesprecher der Partei, zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Zuvor war die NPD 2014 bei den Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Mit dem Verlust der staatlichen Teilfinanzierung nach dem Ausscheiden aus dem Sächsischen Landtag und der damit verbundenen Einbuße von Mitarbeitern verlor die NPD eine wesentliche Grundlage ihrer bundesweiten politischen Arbeit.
Wahlergebnisse | Seit der Landtagswahl in Sachsen verlor die NPD bei weiteren Wahlen auf Landes- und Bundesebene kontinuierlich Stimmen. 2017 erhielt sie bei den Landtagswahlen im Saarland 0,7 %, was einem Minus von 0,5 Prozentpunkten entspricht, sowie in Nordrhein-Westfalen 0,3 % (= minus 0,3 Prozentpunkte). In Hessen erreichte die NPD bei der Landtagswahl 2018 0,2 % der Stimmen (= minus 0,9 Prozentpunkte).
Die NPD steht für Antiparlamentarismus und Antipluralismus. Mit ihrer fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Programmatik wendet sie sich offen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Auf einen Blick
- Überwindung des „Systems“
- „Solidargemeinschaft aller Deutschen“ – Islamfeindlichkeit – Antisemitismus
Überwindung des „Systems“ | Die NPD will die parlamentarische Demokratie von innen heraus, das heißt mittels Parteiarbeit, abschaffen. Die NPD will die politische und gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, von ihr in Anlehnung an die Sprache des Nationalsozialismus als rein machtorientierte Herrschaft der „Systemparteien“ diffamiert, durch eine ethnisch homogene „Volksgemeinschaft“ ersetzen. Solidarität soll nur „ethnischen Deutschen“ zuteilwerden. So heißt es im Parteiprogramm:
„Der ethnischen Überfremdung Deutschlands durch Einwanderung ist genauso entschieden entgegenzutreten wie der kulturellen Überfremdung durch Amerikanisierung und Islamisierung“.
Diejenigen, die in den Augen der NPD „Fremde“ sind, grenzt sie aus. So seien
„Ausländer […] aus dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern und einer gesonderten Ausländersozialgesetzgebung zuzuordnen. In ihrer Ausgestaltung von Pflichten und Ansprüchen hat sie auch dem Rückführungsgedanken Rechnung zu tragen. […] Asylbewerber haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen“.
„Solidargemeinschaft aller Deutschen“ – Islamfeindlichkeit – Antisemitismus | Der Globalisierung will die NPD begegnen, indem sie das bestehende „System“ durch eine „Solidargemeinschaft aller Deutschen“ ersetzt. Darüber hinaus werden Muslime diffamiert. Auch antisemitische Positionen sind in der NPD verbreitet. Die Partei vertritt zwar keine offen antisemitische Programmatik, sie streut aber entsprechende Vorurteile.
Die 2010 vorgenommene Neugliederung des Landesverbands in zwei Unterbezirks- und elf Kreisverbände erforderte bereits 2015 eine erneute Modifizierung. Es erfolgte eine Umgestaltung zu sechs Bezirksverbänden (Nordhessen, Osthessen, Mittelhessen, Wetterau-Kinzig, Rhein-Main und Südhessen).
Auf den ersten Blick scheint die NPD flächendeckend in Hessen vertreten zu sein. Die Umstrukturierung in größere Bezirksverbände macht jedoch deutlich, dass für feingliederige Strukturen das notwendige Personal fehlte. Die tatsächlich vorhandenen Strukturen waren in weiten Teilen Hessens nur schwach ausgeprägt.
NPD | Die Äußerungen von Ortsbeiratsmitgliedern nach der Wahl Stefan Jagschs lassen darauf schließen, dass er nicht vorrangig als NPD-Mitglied und Funktionär einer bekanntermaßen eindeutig rechtsextremistischen Partei wahrgenommen, sondern offenbar auf Basis seiner nach außen getragenen persönlichen Eigenschaften beurteilt wurde. Folglich schien keine Hemmschwelle bestanden zu haben, mit ihm einen Rechtsextremisten in ein politisches Amt zu wählen.
Neben diesem „Gewöhnungseffekt“ gelang es Jagsch offensichtlich, ein seit dem Rücktritt des bisherigen Ortsvorstehers bestehendes politisches Vakuum im Ortsbeirat für seine eigenen Ziele und im Interesse der NPD zu nutzen. Damit zeigt die, wenn auch nur kurze Amtszeit Jagschs eindrücklich auf, dass Rechtsextremisten den ihnen überlassenen politischen Gestaltungsspielraum – insbesondere auf kommunaler Ebene – geschickt und erfolgreich zu nutzen wissen.
Darüber hinaus versuchte die NPD mit der medialen Verbreitung von Bildern im Rahmen ihrer Kampagne „Schafft Schutzzonen!“ Aufmerksamkeit zu erringen und sich als Kümmerin um die öffentliche Sicherheit zu inszenieren. Außerdem instrumentalisierte die NPD die Bilder als vermeintlichen Beleg dafür, dass freiwillige Helfer und staatlich Bedienstete bei der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit auf die Unterstützung der „Schutzzonen“-Aktivisten angewiesen seien. Hierdurch versuchte die NPD ihre Kampagne auch gegenüber dem Staat und den Sicherheitsbehörden zu rechtfertigen.
Aufgrund der Wahl Daniel Lachmanns und Ingo Helges in den Bundesvorstand erfuhr die NPD Hessen eine Aufwertung innerhalb der Partei. Als langjähriger Funktionär und Mandatsträger ist Lachmann dem Bundesvorstand und anderen Landesverbänden nicht unbekannt. Gleiches gilt für Helge, der wegen der kontinuierlichen Veröffentlichung verhältnismäßig professionell gestalteter Videos zu aktuellen Themen und Interviews mit Parteifunktionären über die Grenzen Hessens hinaus Bekanntheit in der NPD erlangt haben dürfte.
Die NPD hat realisiert, dass ihr Name in der öffentlichen Wahrnehmung mit einem Stigma behaftet ist und sie unter diesem Namen wohl auf Dauer nicht in der Lage sein wird Wahlerfolge zu erzielen. Ob es ihr gelingt, mit neuem Namen und einem neuen Konzept auch eine thematische, kommunikative und strategische Erneuerung in die Wege zu leiten, um letztlich auch Wahlerfolge zu erzielen, erscheint zweifelhaft. Es sind derzeit keine Anzeichen ersichtlich, die auf ein Ende des personellen, strukturellen und finanziellen Erosionsprozesses der NPD hindeuten.
Dabei steht das bei der Europawahl in Hessen erzielte Ergebnis von 0,2% exemplarisch für den bei Wahlen geringen Rückhalt der NPD. Wie auch bei der hessischen Landtagswahl 2018 gelang es der Partei nicht, mit Hilfe der „Schutzzonen“-Kampagne ihrem Negativtrend entgegenzuwirken. Eine nennenswerte öffentliche Wahrnehmung der NPD fand nahezu ausschließlich in den Regionen Lahn-Dill, Wetterau und Fulda statt. Wie dem Bundesverband mangelt es der NPD Hessen an politik- und agitationsfähigen Mitgliedern und Funktionären. Ein in nächster Zeit erreichbarer nachhaltiger und hessenweiter Neuaufbau der Partei ist nicht zu erwarten.
JN | Die Aktivitäten, bei denen Aktivisten der JN als solche offen in Erscheinung traten, gingen merklich zurück, wobei sich Aktivisten der JN auch weiterhin an Aktionen der NPD sowie der „Schutzzonen“-Kampagne der Mutterpartei beteiligten. Grund hierfür dürften personelle Probleme sowohl bei den JN als auch bei der NPD Hessen sein.
Insbesondere versuchten die JN durch das Aufgreifen der bei Jugendlichen populären Kritik an der Umwelt- und Klimapolitik ein entsprechend breites Spektrum anzusprechen. Aktionen wie etwa die Teilnahme an der Fridays-for-Future-Demonstration in Frankfurt am Main blieben jedoch ohne positive Resonanz für die JN. Gleiches galt für die auf Studierende abzielende Kampagne „studentenrat.info“. Insgesamt ließ sich im Berichtszeitraum keine Zunahme der Zahl an Sympathisanten für die JN in Hessen beobachten.