Organisierte Kriminalität
Organisierte Kriminalität (OK) ist ein komplexes Kriminalitätsphänomen. Seine wesentlichen Merkmale sind in § 3 Abs. 2 HVSG definiert und dienen dem LfV als Rechtsgrundlage für die Beobachtung der OK.
Auf einen Blick
- Planmäßiges Begehen von Straftaten
- Weitgehende Konspirativität
- Rockerkriminalität
- Russische und italienische OK
- Maßnahmen des LfV
Planmäßiges Begehen von Straftaten | Gemäß der Gesetzesdefinition ist die OK die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, durch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden
- unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
- unter Anwendung von Gewalt oder durch entsprechende Drohung oder
- unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft.
Akteure der OK – Täter, Hintermänner und Nutznießer – missbrauchen die freiheitliche demokratische Grundordnung, um ihre auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Interessen mit dem Begehen von Straftaten, dem Einsatz von Gewalt oder der Einflussnahme auf Institutionen durchzusetzen. Illegal erwirtschaftete Gelder werden oftmals im Rahmen legaler Wirtschaftstätigkeit gewaschen und in legale und illegale Unternehmungen reinvestiert.
Weitgehende Konspirativität | OK-Gruppen passen ihre Aktionsfelder kriminellen „Markterfordernissen“ an und reagieren flexibel auf deren Veränderungen. OK ist generell darauf ausgelegt, nicht erkannt zu werden. Da sie weitgehend konspirativ agiert, ist es deshalb auch schwer, sie als solche zu erkennen.
Rockerkriminalität | Im Bereich der kriminellen Rockergruppierungen (Outlaw Motorcycle Gangs, OMCG) in Hessen gibt es mehrere aktive Gruppierungen mit unterschiedlichen Chaptern/Chartern. Einen Schwerpunkt der Aktivitäten bildete hier, wie auch in den vergangenen Jahren, das Rhein-Main-Gebiet. Die sogenannten Boxclubs (BC), wie der ehemalige Osmanen Germania BC und der Osmanen Frankfurt BC, ähneln in ihren optischen und hierarchischen Strukturen den den Sicherheitsbehörden bekannten OMCGs, grenzten sich jedoch selbst von diesen ab und verstanden sich vielmehr als Streetgang. Motorräder spielten innerhalb dieser Gruppierungen keine Rolle.
Russische und italienische OK | In diesem Bereich beobachtete das LfV unter anderem Aktivitäten von Gruppen und in diesen Strukturen agierende Einzelpersonen. Von besonderem Interesse waren deren Verbindungen in das Rhein-Main-Gebiet. Die Protagonisten sowohl der russischen als auch der italienischen OK verschleierten ihre Aktivitäten und handelten dabei äußerst konspirativ. Auffällig waren die Verbindungen der ‘Ndrangheta im Rhein-Main-Gebiet, die das LfV mit besonderem Augenmerk bearbeitet.
Neben den klassischen Deliktsbereichen Eigentumskriminalität, Drogenhandel, Schmuggel und illegaler Waffenhandel spielte die Geldwäsche eine hervorgehobene Rolle. Hohe Geldsummen, deren meist ausländische Herkunft kaum nachvollziehbar ist, dienten zum Beispiel dem Erwerb von hochwertigen Immobilien oder Kunstgegenständen und wurden so zu legalen Vermögenswerten. Die italienische OK reinvestierte dazu ihre illegal aus dem Drogenhandel erwirtschafteten Gelder häufig in Gastronomie-/Hotelbetriebe der gehobenen Klasse sowie in legale Immobiliengeschäfte und nutzte so Deutschland als Ruhe- und Rückzugsraum.
Maßnahmen des LfV | Die vom LfV überwiegend mit nachrichtendienstlichen Mitteln und im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden und ausländischen Nachrichtendiensten gesammelten Erkenntnisse werden den einzelnen Bedarfsträgern gezielt und in geeigneter Form zur Verfügung gestellt. Diese Erkenntnisse eignen sich daher selten für eine öffentliche Darstellung.
Seinem Auftrag entsprechend agiert das LfV bei der Beobachtung und Aufklärung der OK im Vorfeld konkreter Straftaten. Ziel ist die Erkenntnisgewinnung in Bezug auf personelle, logistische, organisatorische, finanzielle sowie deliktische Strukturen. Neben dem frühzeitigen Ansatz der Erkenntnisgewinnung bietet die nachrichtendienstliche Beobachtung den Vorteil einer langfristigen und nicht auf einzelne Strafverfahren bezogenen Beobachtung. Die Strukturaufklärung des Verfassungsschutzes ist dabei nicht auf die Bearbeitung einzelner Delikte ausgerichtet, sondern analysiert die kriminellen Strukturen in einem ganzheitlichen Zusammenhang. Daraus können in der Folge auch Erkenntnisse für Strafverfolgungsbehörden resultieren.
In seiner Funktion als „Frühwarnsystem“ unterstützt das LfV das Handeln von Politik, Polizei, weiteren staatlichen Einrichtungen und anderen öffentlichen Stellen, indem Erkenntnisse über Gefahren, die von der OK ausgehen, unter besonderer Beachtung der dem LfV zugrundeliegenden Vorschriften über Verschlusssachen und des Quellenschutzes zur Verfügung gestellt werden. Besonders wachsam werden weiterhin auch Versuche von OK-Gruppen beobachtet, die darauf ausgerichtet sein könnten, Einfluss auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft zu erlangen.