Wirtschaftsschutz
Definition und Aufgaben des Wirtschaftsschutzes | Der Wirtschaftsschutz als präventiver Teil der Spionageabwehr ist seit je her ein fester Bestandteil der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden. Dabei ist es das Ziel, Spionageaktivitäten zu verhindern und die Wirtschaft durch Beratung und Aufklärung vor solchen Angriffen zu schützen. Hierzu ist es notwendig, die Sensibilität von Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen gegenüber Gefahren, die durch Angriffe drohen, zu erhöhen, Kenntnisse über Methoden und Ziele ausländischer Nachrichtendienste zu vermitteln und Hilfestellung beim Einsatz geeigneter Schutzmaßnahmen zu leisten („Prävention durch Information“).
Die Erfahrungen und das methodische Wissen des Verfassungsschutzes bilden die Grundlage für die präventive Arbeit im Wirtschaftsschutz. Es liegt im staatlichen Interesse, einen Beitrag zum Know-how-Schutz in Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zu leisten. Zur erfolgreichen Bekämpfung dieser Herausforderung ist daher eine intensive Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Verfassungsschutz nötig.
Das LfV pflegt daher zu vielen Unternehmen, die in Know-how-intensiven Branchen tätig sind, einen vertrauensvollen Umgang und Informationsaustausch. Auch Unternehmen, die den kritischen Infrastrukturen (KRITIS) zuzurechnen sind, stehen im Austausch mit dem LfV, um sich vor möglichen Gefahren durch Spionage und/oder Sabotage zu schützen.
Zusätzlich gibt es etablierte Strukturen und Arbeitskreise, in denen auch die hessischen Unternehmen, die sich in der Geheimschutzbetreuung des Bundes oder des Landes Hessen befinden, ihre Kontakte zum Wirtschaftsschutz des LfV pflegen können. So findet im Länderverbund Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland im jährlichen Wechsel die Tagung der Sicherheitsbevollmächtigten der geheimschutzbetreuten Unternehmen statt, in deren Rahmen sich die Beteiligten sowohl mit Behördenvertretern als auch mit anderen Sicherheitsbevollmächtigten austauschen.
Das LfV verstärkte seine Aktivitäten im Wirtschaftsschutz in den letzten Jahren deutlich, so führte es seit 2014 über 400 Beratungen und Vorträge durch. Der Schwerpunkt lag dabei auf folgenden Themen:
- Abwehr von Cyberangriffen,
- Spionageverdachtsfälle mit staatlichem Hintergrund und
- durch Terrorismus und Extremismus aller Phänomenbereiche drohende Gefahren für die hessische Wirtschaft.
Im Bedarfsfall wurden Experten aus den Fachabteilungen des LfV hinzugezogen, wobei den Unternehmen grundsätzlich ein fester Ansprechpartner im LfV zur Verfügung steht. Dies gilt gleichermaßen sowohl für große Konzerne als auch mittlere und kleine Unternehmen in Hessen.
Im Rahmen der Sicherheitskooperation mit der Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft e.V. (VSW) werden seit 2016 zweimal jährlich Workshops zu verschiedenen Aspekten des Wirtschaftsschutzes durchgeführt. So wurde am 12. Juni 2019 ein Workshop zu dem Thema „Cyberangriffe auf Industriesteuerungsanlagen“ in den Seminarräumen des VSW in Mainz (Rheinland-Pfalz) angeboten.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung betreffen Bedrohungsszenarien, wie etwa Cyberangriffe, auch eine große Zahl von produzierenden Unternehmen, da diese regelmäßig mit Industrial Control Systems (ICS) arbeiten – auch als Industrie 4.0 bezeichnet – und neue Angriffsmöglichkeiten im Cyberraum bieten. Der Workshop befasste sich im ersten Teil mit Schutzkonzepten und staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten seitens des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Darüber hinaus wurden Sicherheitsinitiativen der Wirtschaft vorgestellt und mit den Teilnehmern diskutiert. Am 26. November fand der zweite Workshop mit dem Titel „Auslands-investitionen China“ statt.
Unterstützt vom BfV, sensibilisierten Mitarbeitende des LfV in Bezug auf Risiken durch chinesische Investitionen (zum Beispiel Know-how Abfluss nach China). Auch das nachrichtendienstliche Interesse Chinas an deutschen Unternehmen spielte eine Rolle.
Desinformation/Einflussnahme | Russische Desinformationskampagnen werden spätestens seit der mutmaßlichen Beeinflussung der Wahl des amerikanischen Präsidenten im November 2016 in der Öffentlichkeit thematisiert. Daher legte das LfV ein besonderes Augenmerk auf Desinformationskampagnen im Vorfeld der hessischen Landtagswahl im Oktober 2018 und der Europawahl im Mai 2019, wobei entsprechende Aktivitäten im Internet beobachtet sowie bewertet und die zuständigen Stellen hierüber informiert wurden.
Neben mutmaßlich russischen Desinformationen auf Twitter, Russia Today Deutsch, Sputnik News, Facebook usw. trat ein neuer Modus Operandi auf: Kleinere lokale journalistische Plattformen wie zum Beispiel Leserreporter-Nachrichtenseiten und Mitmach-Portale wurden genutzt, um Beiträge untereinander zu verlinken und so eine höhere Glaubwürdigkeit durch vermeintlich verschiedene Quellen zu erreichen. Inhaltlich waren die auf diese Art und Weise verbreiteten Informationen nicht auf den ersten Blick als Fake News zu erkennen. Nachteilig aus Sicht der Urheber war allerdings deren verhältnismäßig geringe Reichweite. Identisch aufgebaute Internetpräsenzen gab es in Österreich, Spanien und in Südamerika.
Dieser neue Modus Operandi verdeutlicht die Herausforderung, dass bei der Bekämpfung von Desinformationskampagnen nicht nur große Betreiber von Internetplattformen in die Pflicht genommen werden sollten, derartige Inhalte zu identifizieren, sondern grundsätzlich jede Internetplattform, auf der Nutzer Inhalte einstellen können, die missbräuchlich für derartige Zwecke instrumentalisiert werden können.
Cyberabwehr | Schwerpunkt der Bearbeitung staatlicher Cyberangriffe gegen Unternehmen und Einrichtungen in Hessen waren im Berichtsjahr Aktivitäten mit mutmaßlich chinesischem, iranischem und russischem Hintergrund. Dabei war eine erhöhte Zahl von Aktivitäten mit mutmaßlich staatlicher chinesischer Urheberschaft zu verzeichnen.
Nachdem die chinesische Führung im Jahr 2015 der Öffentlichkeit ihre Industriestrategie „Made in China 2025“ vorgestellt hatte, in deren Rahmen sie in zehn Schlüsseltechnologien weltweit führende Unternehmen schaffen will, deuteten direkte Cyberangriffe und Angriffsversuche auf ein anhaltendes Interesse an entsprechenden Branchen bzw. wirtschaftsrelevanten Informationen hin. In Hessen bezog sich das chinesische Interesse insbesondere auf den Standort Frankfurt am Main mit seiner Vielzahl an relevanten Institutionen in der Finanzbranche. Darüber hinaus lag im Berichtsjahr eine Vielzahl von Hinweisen vor, wonach der chinesische Staat mittels seiner Einflussnahme auf weltweit agierende chinesische Konzerne über weitreichende Spionage- und Sabotagemöglichkeiten verfügt.
Chinesische Unternehmen betrieben nicht nur weltweit genutzte Apps und Anwendungen, sondern auch Rechenzentren und traten als Cloud-Dienstleister auf. Die Verbindungen zu chinesischen staatlichen Einrichtungen und Einflussmöglichkeiten waren dabei oft undurchsichtig. Insgesamt ist zu beachten, dass die Gesetzgebung in China weitreichende Kooperations- und Zusammenarbeitspflichten zwischen chinesischen Unternehmen und Behörden enthält.
Auslandsreisen | Einen weiteren Schwerpunkt des LfV im Bereich Wirtschaftsschutz bilden die Beratung vor Auslandsreisen und Feedback-Gespräche nach Auslandsreisen. Rein präventiv sind hier regelmäßig folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Gefahren drohen auch bei Reisen in Länder, in denen die Verhältnisse politisch instabil sind, Unruhen herrschen oder sich Krisen ausgebreitet haben. Der Aufenthalt in solchen Ländern ist stets mit einem hohen Risiko behaftet. Das persönliche Verhalten in solchen Regionen erfordert größte Vorsicht und ständige Aufmerksamkeit.
- Vor allem die Konflikte in Regionen in Afghanistan und in Pakistan sowie in Syrien und im Irak, stellen für Reisende ein besonderes Sicherheitsproblem dar. Es besteht die Gefahr von Attentaten, Überfällen, Entführungen und anderen Gewaltverbrechen. Bei Reisen in Länder wie China und Russland können Angehörige unliebsamer Minderheiten von erheblichem Interesse für die dortigen Nachrichtendienste sein. Dies trifft auch auf Reisende zu, die über besonderes Wissen in Wirtschaft, Technik und Politik verfügen.
- Bei Besuchen in solchen Staaten sind einige Regeln zu beachten, um im Rahmen der vor Ort notwendigen Kommunikation den unnötigen Abfluss von Daten zu verhindern bzw. zu minimieren:
- Telekommunikation so weit wie möglich einschränken.
- Nur eigene Kommunikationsmittel nutzen und Sprechdisziplin einhalten. Kein Kommunikationsmittel des Gastgebers zum Austausch sensibler Informationen verwenden.
- Informationen auf mehrere Kommunikationsmittel sowie getrennte inhaltliche Nachrichten aufteilen (E-Mail, Telefon, persönliche Gespräche).
- Bei Besprechungen Akku aus dem Handy entfernen oder zumindest ungenutzte Schnittstellen (zum Beispiel Bluetooth, Infrarot, WLAN) deaktivieren.
- Laptops, Tablets, USB-Sticks, Handys, Smartphones, Navigationsgeräte oder andere elektronische Geräte nicht aus der Hand geben bzw. nicht im Hotel zurücklassen.
- Überwachungen im Hotel einkalkulieren.
- Nur absolut notwendige Daten auf (externen) Medien speichern.
- Visa- und Meldebestimmungen sowie die Vorschriften bezüglich der Ein- und Ausfuhr von Devisen beachten.
- Jede Beteiligung an illegalen Transaktionen, unter anderem den Geldtausch auf der Straße und den Kauf gefälschter Gegenstände, vermeiden.
- Sonstige Ein- und Ausfuhrbestimmungen beachten.
- Fotografier- und Filmverbote befolgen.
- Keine negativen Äußerungen über das Gastland und sein Gesellschaftssystem tätigen.
- Bei unverschuldetem oder auch verschuldetem Fehlverhalten gegenüber Behörden sofort die nächste diplomatische oder konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland verständigen (schon vor Reisebeginn entsprechende Daten beschaffen).
- Vorsicht bei Taxifahrten walten lassen und ein Fahrzeug eines öffentlichen Taxistands nutzen.
- Größere Menschenansammlungen und Demonstrationen meiden.
Das LfV als Ansprechpartner | Wer einen Ausspähversuch vermutet, Angriffe auf Informations- und Kommunikationstechnik feststellt oder allgemeine Fragen zum Schutz von Know-how hat, kann sich unter folgenden Kontaktdaten an das LfV wenden:
Telefonnummer: 0611-720600
E-Mail-Adresse: wirtschaftsschutz@lfv.hessen.de
Zur vertraulichen Kommunikation bietet das LfV verschiedene verschlüsselte Übertragungswege an. Weitere Informationen hierzu sind auf der Homepage des LfV unter lfv.hessen.de/presse/anfragen-oder-beratung-zum-thema-wirtschaftsschutz oder bei einem persönlichen Kontakt erhältlich, wobei das LfV auch eine vertrauliche Zusammenarbeit anbietet.