Glossar & Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis extremistischer
Personenzusammenschlüsse

Verfassungsschutz in Hessen

Bericht 2017

Zu diesem Bericht

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Abgebildet ist ein Foto von Peter Beuth, dem Hessischen Minister ds Innern und für Sport die erfolgten wie auch die vereitelten Anschläge von islamistischen Terroristen in Europa und auch in Deutschland haben unsere Sicherheitslage nachhaltig verändert. Die Sicherheitsbehörden haben sich der Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus gestellt und setzen alles daran, Anschlagspläne im Vorfeld aufzudecken und Attentate zu verhindern.

Sicherheit ist ein hohes Gut. Nur wer sich sicher fühlt, kann sich frei entfalten. Die Terroristen möchten unser Sicherheitsgefühl schwächen und unsere Art zu leben angreifen. Sie zielen darauf, den Kern unseres friedlichen Miteinanders zu treffen. Der Kampf gegen den Terror wird deshalb mit umfangreichen repressiven und präventiven Maßnahmen geführt. Die Sicherheitsbehörden haben ihre Konzepte den neuen Bedrohungen angepasst. Großveranstaltungen erfahren neue Schutzformen. Poller und Fahrsperren werden in das Stadtbild integriert. Der Verfassungsschutz arbeitet weniger sichtbar, aber dennoch intensiv daran, uns vor Anschlägen zu schützen. Nie zuvor war es so wichtig, innerhalb der Sicherheitsarchitektur ein gut ausgestattetes Frühwarnsystem zu haben. Die nachrichtendienstliche Lage der Früherkennung von drohenden Gefahren geht fließend in die polizeiliche Gefahrenabwehr über. Deshalb ist es unerlässlich, dass Verfassungsschutz und Polizei – zwar institutionell getrennt aber im Falle drohender Gefahr – nahtlos miteinander zusammenarbeiten. Wenn Informationen über mögliche Anschläge rechtzeitig erhoben und an die richtige Stelle transportiert werden, können Menschenleben gerettet werden.

Für diese wichtige Aufgabe haben wir das Landesamt für Verfassungsschutz operativer ausgerichtet und massiv personell gestärkt. Observation und Analyse sind arbeitsintensive Tätigkeitsfelder. Bis 2019 wird das Landesamt daher auf 370 Planstellen angewachsen sein, das ist eine Verdopplung der Personalstellen seit dem Jahr 2000. Nie zuvor verfügte das Landesamt für Verfassungsschutz über so viel Personal.

Mit dem im Juni 2018 verabschiedeten Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes schaffen wir zudem einen zeitgemäßen rechtlichen Rahmen für die wichtige Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. Wir haben dabei bewusst auf die Harmonisierung mit einschlägigen Bundesgesetzen und eine Verzahnung mit bestehenden polizeilichen Befugnissen gesetzt. Denn die Lehren aus der Aufarbeitung der schrecklichen Morde des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) verpflichten zu einer engen Kooperation innerhalb des Verfassungsschutzverbunds sowie zwischen den Nachrichtendiensten und den Polizeistellen. Die Übermittlung von Informationen des Verfassungsschutzes an die Polizei und andere Stellen wurde klar strukturiert, um der Rechtsprechung und den Anforderungen der gewandelten Sicherheitslage gerecht zu werden, die wie selten zuvor eine nachrichtendienstliche Früherkennung erfordert. Auch die vielfältigen Mitwirkungsaufgaben des Verfassungsschutzes haben im neuen Gesetz den Stellenwert bekommen, den sie für unsere Sicherheit haben. Denn durch seine Mitwirkung an Sicherheits- und Zuverlässigkeitsüberprüfungen erweist sich der Verfassungsschutz tagtäglich als Servicestelle unserer Sicherheit. Der rechtliche Rahmen zur Anwendung der nachrichtendienstlichen Mittel wie etwa der Observation sowie der Einsatz menschlicher Quellen ist nun klarer definiert. Dies sorgt für Handlungs- und Rechtssicherheit bei den Verfassungsschützern, ermöglicht eine bessere Überprüfbarkeit der einzelnen Maßnahmen und sorgt letztlich dafür, dass unser Nachrichtendienst unter optimalen rechtlichen Bedingungen seine wichtige Arbeit für unsere Sicherheit verrichten kann.

Erstmals wurde auch die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes in einem eigenständigen Gesetz klar geregelt. Dadurch wird besonders deutlich, dass das Landesamt für Verfassungsschutz unser Dienstleister für unsere Demokratie ist. Wenn auch für unsere Sicherheit viele seiner Tätigkeiten im Verborgenen stattfinden müssen, so steht die Behörde ganz klar im Dienste unserer parlamentarischen Demokratie. 

Jene Strömungen, die sich gegen unsere Demokratie und unsere freiheitliche Art zu leben richten, werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Neben dem internationalen islamistischen Terrorismus haben sich auch im Rechts- und Linksextremismus gefährliche Radikalisierungen und ein Absinken der Hemmschwellen zur Gewaltanwendung feststellen lassen. Diese Entwicklungen auszumachen und die Öffentlichkeit wie auch die Polizei und andere öffentliche Stellen über drohende Gefahren dieser verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu informieren, ist Kernaufgabe des Verfassungsschutzes. Hierbei treten immer wieder neue Phänomene und neue Aktionsformen zutage. Deshalb geht auch unser Landesamt für Verfassungsschutz immer wieder neue Wege, um diese Entwicklungen wahrzunehmen und die richtigen Stellen darüber zu informieren.

Mit der neugeschaffenen Phänomenbereichsübergreifenden wissenschaftlichen Analysestelle Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit (PAAF) hat das Landesamt für Verfassungsschutz als bundesweit erste Verfassungsschutzbehörde eine eigene Einheit zur Analyse antisemitischer Bestrebungen geschaffen. Der bewusst wissenschaftliche und Extremismus-Formen übergreifende Ansatz der Analysestelle sorgt dafür, dass auch bislang weniger präsente Formen des Antisemitismus ans Licht kommen. Nur so kann Antisemitismus in seiner vollen Ausprägung erkannt und dadurch letztlich auch vollumfänglich geächtet und bekämpft werden.

Antisemiten und Extremisten, egal aus welcher Ecke sie kommen, begegnen wir, indem wir ihre Agitation und die dahinterstehenden undemokratischen und menschenverachtenden Ziele entlarven. Ein zentraler Bestandteil der Extremismus-Bekämpfung des Landesamts für Verfassungsschutz ist daher auch die Präventionsarbeit. Dieses wichtige Aufgabenfeld haben wir deshalb auch im neuen Gesetz als Arbeitsauftrag fest verankert. Denn die Behörde, deren Geschäft das Sammeln und Weitergeben von Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen ist, ist zugleich der kompetenteste Warner vor den extremistischen Vorhaben und der beste Ratgeber zur Früherkennung von Radikalisierung. Um den Extremisten den Nährboden zu entziehen haben wir die Haushaltsmittel für die Extremismus-Prävention stetig erhöht. 2017 standen bereits 4,6 Millionen Euro zur Verfügung. Im Doppelhaushalt 2018/2019 wurde diese Summe noch einmal deutlich auf rund sechs Millionen Euro pro Jahr angehoben (davon rund 1,1 Millionen Euro Bundesmittel). Es gibt keinen guten Extremismus und deshalb werden wir das herausragende Engagement und die Vorreiterrolle, die Hessen zu Recht bundesweit bei seinen Präventionsprogrammen eingenommen hat, weiter in allen Bereichen ausbauen.

Das Landesamt für Verfassungsschutz steigerte die Zahl seiner Präventionstermine in den letzten fünf Jahren kontinuierlich. Es hat sich bei Lehrern, Sozialarbeitern, kommunalen Verantwortungsträgern und vielen weiteren Institutionen als gefragte Expertenstelle etabliert. Die Fachreferenten des Landesamtes informieren über die neuesten extremistischen Entwicklungen und damit verbundenen Radikalisierungsgefahren auf Schulleiterdienstversammlungen, in Hessischen Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge oder auf dem Hessentag. Auch dadurch macht die Behörde deutlich, dass sie ihre Arbeit in den Dienst unserer freiheitlichen Gesellschaft stellt.  

Mein herzlicher Dank gilt deshalb den tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Landesamt für Verfassungsschutz. Auch dank ihrer Expertise, ihres Engagements und ihres Einsatzes ist Hessen ein sicheres Land. Mit den Informationen, die der Verfassungsschutz gewonnen und in seinem Bericht zusammengetragen hat, können Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich einen Überblick über extremistische Bestrebungen in Hessen verschaffen. Der Bericht soll Sie in die Lage versetzen, Extremismus zu erkennen, damit Sie aktiv daran mitwirken können, Radikalisierung entgegentreten und für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Landes eintreten zu können.


Peter Beuth
Hessischer Minister des Innern und für Sport





Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Abgebildet ist ein Foto von Robert Schäfer, dem Präsidenten des Landesamts für verfassungsschutz das Landesamt für Verfassungsschutz versteht sich als Dienstleister in einer Zeit, die von Veränderungen geprägt ist. Die Lage der Inneren Sicherheit hat sich in den letzten Jahren gewandelt, terroristische Anschläge gehören – leider – wieder zu den Möglichkeiten, denen wir uns stellen müssen. Aber auch die offene, freiheitliche Gesellschaft in einer globalisierten Welt stellt uns vor Herausforderungen. Ein Land, das sich nicht von der Außenwelt abschließen will und darf, muss darauf achten, dass gesellschaftliche Spannungen nicht in Konflikte umschlagen und zu Bedrohungen für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung werden. Gleiches gilt für die Entwicklungen in der digitalen Welt. Mit der Vernetzung über das Internet ist die Gefahr elektronischer Angriffe auf unsere Ressourcen, auf das Know-how in Betrieben und Verwaltung, zu einem ständigen Begleiter geworden. Die virtuelle Welt ist mittlerweile Realwelt.

Das Landesamt für Verfassungsschutz will als Frühwarnsystem dazu beitragen, diese Gefahrenpotenziale rechtzeitig zu erkennen, um Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Dazu haben wir unsere Strukturen weiterentwickelt und verbessert. Die Neustrukturierung, die wir vor zwei Jahren im Landesamt vollzogen haben, hat zu einer stärkeren operativen Ausrichtung unserer Arbeit geführt. Dies bedeutet, dass wir die Bündelung unserer Ressourcen, etwa auf die Bedrohungen durch Rechtsextremismus und den islamistischen Terrorismus, gestärkt haben. Dies erhöht zugleich unsere Auswertungs- und Analysefähigkeit.

Zur nachrichtendienstlichen Arbeit mit modernen Methoden gehört immer auch deren Einbettung in die Strukturen der Kontrolle von Nachrichtendiensten. Ich habe, seit ich dieses Amt übernommen habe, Kontrolle des Nachrichtendienstes immer als etwas Positives gesehen. Für mich ist die Zusammenarbeit mit der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz des Hessischen Landtags nicht nur eine Darlegung unserer Arbeit im Tagesgeschäft, sondern zugleich eine Rückkopplung für die strategische Ausrichtung des Landesamtes.

Das Landesamt hat seine Rolle als Dienstleister für Politik, Behörden und Kommunen, für Vereine und Verbände, aber auch für die Öffentlichkeit weiter ausgebaut. In zahlreichen Schulen konnten wir wieder Sensibilisierungsveranstaltungen für Lehrkräfte anbieten, in denen unsere Fachleute über die Phänomene des Extremismus, über Radikalisierungsprozesse und präventive Handlungsfelder aufgeklärt haben. Auch für kommunale Bedienstete, sei es in den Ausländerbehörden oder der Jugendarbeit, hat sich dieses Angebot gut entwickelt. Nach wie vor bieten wir für all diejenigen, die in der Flüchtlingshilfe tätig sind, Informationsveranstaltungen an. Nachdem in den Jahren 2015/2016 vor allem die landesweiten Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge im Blickfeld standen, haben wir in 2017 zusammen mit dem Regierungspräsidium Gießen und dem Hessischen Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus (HKE) dieses Aufklärungsangebot über Radikalisierungsgefahren auch für die Flüchtlingshelferinnen und -helfer in den Kommunen begonnen. Wir wollen auch dies landesweit fortsetzen. Wenn ich die Präventionsarbeit für die Wirtschaftsverbände und Unternehmen hinzunehme, denen wir etwa bei der Abwehr von Cyberangriffen Hilfe anbieten, so kommen wir mit all dem auf eine Zahl von fast 300 Präventionsveranstaltungen.


Liebe Leserinnen und Leser,

Sie finden in diesem Jahresbericht erstmals ein Kapitel, in dem Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien unserer Phänomenbereichsübergreifenden wissenschaftlichen Analysestelle Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit (PAAF) dargestellt werden. Meine Überlegung bei dessen Gründung war, die nachrichtendienstliche Arbeit zu ergänzen um eine eigenständige wissenschaftliche Analyse. Dies dient zum einen der engeren Verzahnung der sicherheitsbehördlichen Arbeit mit der Wissenschaft, zum anderen unterstützt die wissenschaftliche Analyse unserer Themenfelder zugleich unsere fachliche Bewertung insgesamt. Die erste Studie über Antisemitismus haben wir im vergangenen Jahr zum Thema unseres Herbstgespräches gemacht. Mit hochrangigen Vertretern der jüdischen Verbände und der Wissenschaft konnte dieses aktuelle und brisante Thema vertieft beleuchtet werden.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz haben die Veränderungen, denen wir von außen ausgesetzt sind, oder die wir im Innenverhältnis vollzogen haben, hervorragend bewältigt. Dafür danke ich ihnen sehr herzlich. Sich auf neue Herausforderungen in der Inneren Sicherheit einzustellen, ist nicht nur Teil unseres Berufs, sondern gehört geradezu zu dessen positiven Elementen – sich in der Gestaltung des Neuen immer wieder selbst zu beweisen.


Robert Schäfer
Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen

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