Glossar & Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis extremistischer
Personenzusammenschlüsse

Verfassungsschutz in Hessen

Bericht 2017

Linksextremismus

Merkmale

Die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Errichtung eines totalitären, sozialistisch-kommunistischen Systems oder einer angeblich „herrschaftsfreien Gesellschaft“ sind Ziele linksextremistischer Bestrebungen.

Orthodoxer Kommunismus | Protagonisten dieses Teils des Linksextremismus wie zum Beispiel die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) orientieren sich an den Lehren von Karl Marx (1818 bis 1883) und Friedrich Engels (1820 bis 1895). Marx und Engels teilten Gesellschaften in Klassen ein und behaupteten, es gebe einen andauernden „Klassenkampf“. Auf der Ausbeutung der Klasse der Arbeiter („Proletariat“) durch die Klasse der „Kapitalisten“ fußt nach Auffassung orthodoxer Kommunisten – gegründet auf den Lehren von Marx und Engels – der „Kapitalismus“: Dieser führe zwangsläufig zu immer mehr Elend und Gewalt in der Gesellschaft. Der Kapitalismus könne nur durch eine Revolution, die eine Änderung der Eigentumsverhältnisse einschließe, beseitigt werden. Durch Umverteilung des Besitzes werde die alte Ordnung absterben und sich nach und nach eine kommunistische Gesellschaft entwickeln.

Neben Marx und Engels berufen sich orthodoxe Kommunisten auf Wladimir Iljitsch Uljanow (1870 bis 1924), genannt Lenin. Dieser glaubte, die Arbeiter könnten nur durch eine elitäre Kaderpartei zum richtigen „Klassenbewusstsein“ und zu einer erfolgreichen Revolution geführt werden. Nach der Erringung der Macht sei es Aufgabe dieser Partei, mittels einer „Diktatur des Proletariats“ die kommunistische Gesellschaft zu errichten und gewaltsam alle „konterrevolutionären“ Elemente zu bekämpfen.

Maoismus | Organisationen wie die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) orientieren sich an der chinesischen Variante des Kommunismus, dem Maoismus, der auf den Revolutionär Mao Zedong (1893 bis 1976) zurückgeht. Die von ihm 1937 verfassten Schriften sowie seine Politik der Ablehnung der damaligen Sowjetunion bilden die Grundlage der maoistischen Ideologie. Im Unterschied zum orthodoxen Kommunismus setzt sich für Maoisten die Revolution auch nach Erringung der Macht fort und kann sich gegen eigene kommunistische Strukturen richten. Darüber hinaus definierte der Maoismus nicht die Arbeiter, sondern – vor allem in Ländern der Dritten Welt – die Bauern als Träger der proletarischen Revolution.

Anarchismus | Anarchisten wie die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) lehnen – im Unterschied zu kommunistischen Organisationen – jegliche Herrschaft ab. Sie sehen den Staat als unterdrückerische Zwangsinstanz an, die zerschlagen werden müsse, wobei es – im Unterschied zu Marxisten-Leninisten – keiner Kaderpartei bedürfe. Anarchisten wenden sich gegen jegliche Institutionen, insbesondere gegen Parteien und Parlamente; sie selbst organisieren sich in nur wenig strukturierten Gruppen.

Autonome Vorstellungen | Die Positionen von Autonomen sind – verglichen mit denjenigen orthodox-kommunistischer Parteien – anders differenziert. Nicht die Partei, sondern das selbstbestimmte Individuum steht bei Autonomen im Mittelpunkt („Politik der ersten Person“). Nach autonomer Auffassung muss der Einzelne ständig um seine Befreiung von „strukturellen Zwängen“ kämpfen. Mit orthodoxen Kommunisten verbindet Autonome aber die Vorstellung von einer Welt, in der jeder im Rahmen einer kommunistischen Gesellschaft nach seinen Bedürfnissen leben und sich selbst verwirklichen kann. Dazu müssten alle „Systeme“, die dem Individuum Pflichten und Zwänge auferlegen, beseitigt werden. Zu diesen „Systemen“ gehören nach dem Verständnis von Autonomen unter anderem Demokratie und rechtsstaatliches Handeln.

Die Vorgehensweisen und die Zusammensetzung autonomer Zusammenschlüsse gestalten sich heterogen. Einige Autonome versuchen, Ideen anarchistischer Prägung in die Realität umzusetzen, z. B. durch die Errichtung „gewalt- und herrschaftsfreier Räume“ in Form von Besetzungen oder der Verwaltung von Gebäuden. Andere engagieren sich zunehmend in der Bündnis- und Netzwerkarbeit, wobei sie zunehmend nichtextremistische Unterstützer zu gewinnen versuchen.

Um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen, halten Autonome übergreifend die Anwendung von Gewalt für ein legitimes Mittel. Insbesondere auf Grund ihrer „militanten Aktionen“ stellen Autonome eine konstante Bedrohung für die Innere Sicherheit in Deutschland dar.

Personenpotenzial1

Das Personenpotenzial in linksextremistischen Gruppierungen ist in Hessen konstant geblieben.

Abgebildet ist die Tabelle linksextremistisches Personenpotenzial. In der linken Spalte stehen die Namen der linksextremistischen Beobachtungsobjekte. Die weiteren drei Spalten enthalten Zahlenangaben zu diesen Beobachtungsobjekten jeweils für die Jahre 2017, 2016 und 2015 sowohl für Hessen als auch für die gesamte Bundesrepublik.
Den Autonomen waren im Jahr 2017 in Hessen 400 Personen und bundesweit 7.000 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 400 und bundesweit bei 6.800, im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 340 und bundesweit bei 6.300.
Den Anarchisten waren im Jahr 2017 in Hessen 70 Personen und bundesweit 800 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 70 und bundesweit bei 800, im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 60 und bundesweit bei 800.
Dem Bereich sonstige Linksextremisten (Marxisten-Leninisten, Trotzkisten und andere) waren im Jahr 2017 in Hessen 2.400 Personen und bundesweit 22.600 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 2.400 und bundesweit bei 21.800, im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 2.400 und bundesweit bei 20.300.
Insgesamt gab es in Hessen im Jahr 2017 2.570 Linksextremisten, bundesweit waren es insgesamt 29.500 Linksextremisten. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen insgesamt bei 2.570 und bundesweit insgesamt bei 28.500, im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen insgesamt bei 2.500 und bundesweit insgesamt bei 26.700.

Autonome

Definition/Kerndaten

Autonome sind undogmatische und organisationskritische Linksextremisten, die sich an verschiedenen, zum Teil diffusen kommunistischen und anarchistischen Deutungsmustern orientieren. Das staatliche Gewaltmonopol lehnen Autonome ab und sehen eigene Gewaltanwendung („Militanz“) zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele als legitim an. Starren Organisationsstrukturen stehen „klassische“ Autonome kritisch bis ablehnend gegenüber und beharren stattdessen auf ihrer Selbstbestimmtheit. Autonome organisieren sich daher in losen Gruppen, zwischen denen oft nur aktions- und anlassbezogene lockere Netzwerke bestehen.

Teile der autonomen Szene sind in den letzten Jahren allerdings von diesem Selbstverständnis abgerückt. Die mangelnde Strategie sowie die Organisations- und Theoriefeindlichkeit „klassischer“ Autonomer erachten sie als wenig zielführend: Anstelle der Revolution bevorzugt dieser Teil der Szene, der sich selbst als postautonom bezeichnet, eine langfristige Veränderung der bestehenden Verhältnisse. Hierfür greifen Postautonome gesamtgesellschaftlich relevante Themen auf und setzen auf eine auch das gesamte linksextremistische Spektrum umfassende Bündnispolitik, die eine Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Akteuren ausdrücklich einschließt. Dementsprechend vermeiden Postautonome in der Regel ein offenes Bekenntnis zur Gewalt. Stattdessen verwenden sie eher unbestimmte Begriffe wie „ziviler Ungehorsam“ oder sprechen davon, „Polizeiketten durchfließen“ zu wollen. Damit bieten Postautonome für ihre ­„Aktionen“ einen weiten Interpretationsspielraum, der sowohl gewaltorientierten als auch gewaltablehnenden Personen eine Teilnahme ermöglicht.

Die bundesweit bedeutendsten postautonomen Organisationen sind die Interventionistische Linke (IL) und das sich selbst als „kommunistisch“ definierende Bündnis …umsGanze! Während die Gruppe kritik&praxis – radikale Linke [f]rankfurt Teil des …umsGanze!-Bündnisses ist, sind in der IL die Gruppen d.o.r.n. (Kassel), d.i.s.s.i.d.e.n.t. (Marburg), IL Darmstadt und IL Frankfurt organisiert.

Aktivisten: In Hessen etwa 400, bundesweit etwa 7.500
Regionale Schwerpunkte: Frankfurt am Main, Marburg, Gießen, Kassel, Darmstadt
Medien (Auswahl): Swing (Erscheinungsweise mehrmals jährlich), Internetpräsenzen

Ereignisse/Entwicklungen

Die Vorgehensweisen linksextremistischer und insbesondere autonomer Gruppierungen werden exemplarisch in der direkten Auseinandersetzung mit dem „politischen Feind“ sichtbar. Hier wird auch deutlich, dass Linksextremisten für sich beanspruchen, festzulegen, wer „faschistisch“ ist und wer nicht. Diese Vereinnahmung der Deutungshoheit führt im Ergebnis zu einer Polarisierung in der öffentlichen Wahrnehmung von politischer Betätigung (Schwarz-Weiß-Denken). Es finden wiederholt Angriffe auf Grundrechte und die freiheitliche demokratische Grundordnung statt. Dies geschieht unabhängig davon, wie letztlich die Sicherheits- und Verfassungsschutzbehörden die Gruppierungen und Organisationen bewerten, denen diese Angriffe gelten. Die G20-Proteste waren bundesweit das herausragende Thema der linksextremistischen Szene. Die gewalttätigen Protestaktionen zeigten erneut, dass die autonome Szene auf logistische Strukturen zurückgreifen kann, die ihr zum Teil vergünstigt zur Verfügung gestellt werden.

Linksextremistische Aktionen gegen die AfD | Linksextremisten nahmen die AfD als zentralen „faschistischen“ Feind ins Visier und leiteten aus ihrem „antifaschistischen“ Kampf die Legitimation ab, Straf- und Gewalttaten zu verüben. Verstärkt wurde das Aktionsniveau durch den Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017, zu der auch die AfD angetreten war.

In verschiedenen hessischen Regionen fanden Veranstaltungen und Aktionen gegen die AfD und ihre Repräsentanten statt:

  • Im Februar erschien auf dem inzwischen verbotenen linksextremistischen Internetportal linksunten.indymedia.org ein Outing eines AfD-Funktionärs aus dem nordhessischen Raum. Unbekannte behaupteten darin, der Funktionär habe Kontakt zur „rechtsextremen Kameradschaftsszene“ gehabt.
  • Mittels Interneteinträgen zu AfD-Politikern aus dem Rheingau-Taunus-Kreis wurden diese unter anderem als „Göbbels-Double“ bezeichnet bzw. es wurde öffentlich die private Wohnanschrift mit einem Abwesenheitshinweis preisgegeben.

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt solcher Veröffentlichungen zeigt sich, dass Linksextremisten nach willkürlicher Art Datenschutz- sowie Persönlichkeitsrechte übergehen und Feindbilder nach eigenen Maßstäben schaffen und bekämpfen.

Von der autonomen Plattform Antifa United Frankfurt (AUF) ausgehend wurde die Kampagne „Make racists afraid again“ geführt, deren Höhepunkt und vorläufigen Abschluss eine Demonstration am 25. Februar in Frankfurt am Main bildete. Die Gruppierung kündigte an: „Der Wahlkampf geht los und die AfD RassistInnen trauen sich aus ihren Einfamilienhäusern. Nicht ohne unseren Widerstand!“ (Schreibweise wie im Original.) Zudem kommentierten Angehörige der AUF:

„Über unsere Blase von Facebook und Indymedia hinaus konnten wir in großen Frankfurter Zeitungen – relativ vorurteilsfrei und ausführlich – über militanten Antifaschismus und die Konzepte (hinter) antifaschistischer Praxis sprechen.“

Die autonome Plattform AUF rief etwa dazu auf, eine „Veranstaltung zu stören und der AfD ihren Wahlkampf zu vermiesen!“ Stellenweise, wie etwa am 26. August in Frankfurt am Main, konnten körperliche Angriffe durch Autonome auf den politischen Gegner nur durch die Präsenz der Polizei verhindert werden.

Mit dem Themenfeld „Antifaschismus“ gelang es Linksextremisten immer wieder, den Schulterschluss mit nichtextremistischen Gruppierungen und dem bürgerlichen Protest zu finden. Deutlich wurde dies etwa im organisatorischen Aufbau der Veranstaltung „Wie viel rechte Hetze muss die Öffentlichkeit dulden?“, die am 12. Dezember im DGB-Haus in Darmstadt stattfand. Neben Beteiligten aus den Bereichen Gewerkschaft, NGO, Kommunalpolitik und Medien war es vor allem die linksextremistische IL Darmstadt, die für diese Veranstaltung verantwortlich zeichnete. In der öffentlich einsehbaren Einladung wurde die Moderation des Podiums durch Aktive der IL angekündigt.

Im April riefen auch hessische aktions- und gewaltorientierte Linksextremisten dazu auf, gegen den AfD-Bundesparteitag in Köln (Nordrhein-Westfalen) zu protestieren. Die Aktionen wurden bereits rund einen Monat vor dem Parteitag durch die Gruppierung kritik&praxis – radikale Linke [f]rankfurt im DGB-Jugendclub U68 in Frankfurt am Main vorbereitet.

Im November mobilisierten Autonome und Postautonome aus dem Rhein-Main-Gebiet zu Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag in Hannover. Hierzu lud die IL Frankfurt zu einem Mobilisierungstreffen in das Café KoZ in Frankfurt am Main ein.

„Antifaschismus“: Kampagne „make racists afraid again! Kampagne gegen Naziterror und Rassismus“ und Demonstration am 25.Februar in Frankfurt am Main | Anfang des Jahres wurde von dem autonomen Bündnis AUF die Kampagne „make racists afraid again! Kampagne gegen Naziterror und Rassismus“ ins Leben gerufen. Laut AUF sei es deren Ziel, Nazis in ihrem Umfeld zu outen, AfD-Veranstaltungen zu verhindern und dafür zu sorgen, dass sich Rassisten nicht mehr in ihre Stammkneipe trauen. Das Begehen szenetypischer Straftaten wurde offen gefordert.

Den Höhepunkt der Kampagne bildete die am 25. Februar in Frankfurt am Main durchgeführte Demonstration unter dem Motto „Rechtem Gedankengut entschlossen entgegentreten!“ Tatsächlich nahmen rund 1.000 Personen an dem überwiegend friedlich verlaufenen Demonstrationszug teil, der auch am Büro des Landesverbands der AfD vorbeiführte. An der Aufzugspitze formierte sich ein schwarzer Block, auch wurden einige Böller sowie Raketen gezündet.

Links-Rechts-Auseinandersetzungen in Mittelhessen | Auch im Berichtsjahr kam es im Bereich Mittelhessen erneut zu Links-Rechts-Auseinandersetzungen. Diese hatten hauptsächlich ihren Schwerpunkt in der Universitätsstadt Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf). Es kam zu einigen Sachbeschädigungen an Pkw sowie zu Angriffen auf Burschenschaftshäuser mit Farbbeuteln, Steinwürfen, Feuerwerkskörpern, zum Teil auch zu körperlichen Auseinandersetzungen. Zu den Aktionsformen gehörten auch Outings angeblicher Rechtsextremisten. In der Tendenz war eine Steigerung der Intensität der Auseinandersetzungen erkennbar.

„Antirassismus“: Demonstrationen gegen Abschiebungen und Protestaktionen der Kampagne „Kein Schlussstrich – Tag X“ | Im Themenfeld „Antirassismus“ kam es im Berichtsjahr zu mehreren Demonstrationen gegen Abschiebungen, an denen sich Linksextremisten beteiligten. So demonstrierten unter dem Motto „Abschiebestopp nach Afghanistan – jetzt“ am 11. Februar etwa 800 Personen in Wiesbaden. Hierzu hatten der Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden (AKU), AUF sowie die antirassistische Gruppierung noborderffm aufgerufen.

Am 6. Dezember versammelten sich auf dem Flughafen Frankfurt am Main unter Mitführung von Fahnen und Plakaten etwa 560 Teilnehmer zu einer Kundgebung unter dem Motto „Es reicht! – Keine Abschiebung mehr nach Afghanistan!“ Die friedlich verlaufene Veranstaltung wurde von dem AKU und noborderffm unterstützt.

„Anti-Gentrifizierung“/„selbstverwaltete Freiräume“: Hausbesetzungen | Im Juni besetzte eine Personengruppe im Bereich der Universität Kassel das Gebäude Mönchebergstraße 42. Laut eigenem Bekunden wollten die Besetzer ganz im anarchistisch geprägten Sprachgebrauch „solidarisch den alltäglichen Erzählungen von Konkurrenz und Verwertbarkeit etwas Großartiges entgegensetzen“. Man setzte hierbei eigenmächtig voraus: „Dieser Raum gehört uns allen“ und bezeichnete sich selbst, ebenfalls im anarchistischen Anklang, als „ständig wachsendes Kollektiv“. Als Sprecherin für die Hausbesetzer trat eine nordhessische Anarchistin öffentlich auf.

Aus dem linksextremistischen Spektrum kam es zu sogenannten Solidaritätserklärungen. Die Gruppierungen d.o.r.n. und T.A.S.K. etwa thematisierten die Besetzung, das OAT-Marburg (Offenes Antifa Treffen in Marburg) befürwortete die Besetzung,

„weil hier dieser beschissenen Gesellschaft mit ihren faschistoiden Elementen der Raum genommen wird um ihn für etwas Besseres, etwas Schöneres und etwas Emanzipatorisches zu nutzen. Das Schaffen von Freiräumen ist aktiver Antifaschismus.“ (Schreibweise wie im Original.)

Noch im Juni fand die polizeiliche Räumung des Gebäudes statt, in deren Anschluss es zu tumultartigen Protesten kam.

„Antikapitalismus“: Gewalttätige Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg | Anlässlich des Gipfels der G20 am 7. und 8. Juli in Hamburg fanden dort seit dem 2. Juli zahlreiche Protestaktionen mit insgesamt mehreren zehntausend Teilnehmern statt, unter ihnen etwa 8.000 gewaltbereite Linksextremisten, aus deren Reihen es insbesondere zwischen dem 6. und 8. Juli zu schwersten gewalttätigen Ausschreitungen in der Innenstadt kam (476 verletzte Polizeibeamte und Sachschäden in Millionenhöhe). Als Reaktion auf die Ereignisse entstand in Politik und Medien eine Debatte über ein verschärftes Vorgehen gegen linksextremistische Strukturen. In den Fokus der Diskussionen rückte vor allem der Umgang mit linksextremistischen Szeneobjekten, aber auch das im August bekanntgegebene Verbot der wichtigsten linksextremistischen Internetplattform, linksunten.indymedia.org, fand bundesweit Aufmerksamkeit.

Mobilisierungsphase und „militante Begleitkampagne“ | Den Protesten vorausgegangen war eine monatelange -bundes- und europaweite Mobilisierungskampagne, an der sich – neben zahlreichen nichtextremistischen Organisationen – auch türkische und kurdische Linksextremisten sowie nahezu die gesamte bundesweite linksextremistische Szene beteiligten. Letztere war durch die linksextremistischen Organisationen IL und das …umsGanze!-Bündnis federführend im bedeutendsten Vorbereitungsbündnis, dem bundesweiten und Spektren übergreifenden NoG20-Bündnis engagiert. Darüber hinaus existierten mehrere Vernetzungsstrukturen, die ausschließlich aus gewaltbereiten linksextremistischen Gruppierungen bestanden. Während das NoG20-Bündnis versuchte, durch eine thematisch breite und konsensfähige Ausrichtung sowohl Nichtextremisten als auch Linksextremisten und Extremisten mit Auslandsbezug in einem Bündnis zu vereinigen, sprachen sich die anderen Vernetzungsstrukturen deutlich für „militante“ Aktionen während des Gipfels aus.

Gefördert wurde die Gewaltbereitschaft durch eine bereits im Mai 2016 von autonomen und anarchistischen Gruppen initiierte „militante Begleitkampagne“, in deren Rahmen es im Vorfeld des G20-Gipfels zu schadensträchtigen Anschlägen auf Gebäude und Fahrzeuge von Banken, Unternehmen, Polizei, Bundeswehr und sonstigen staatlichen Einrichtungen kam. Von den etwa 140 Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kampagne zu verzeichnen waren, wurden sechs Aktionen in Hessen verübt. Zunächst kam es in Frankfurt am Main am 21. Oktober 2016 zu Stein- und Flaschenwürfen auf die Baustelle des ehemaligen Philosophicums der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Bei weiteren Aktionen im Berichtsjahr kam es ebenfalls in Frankfurt am Main zu Brandanschlägen, bei denen drei Firmenfahrzeuge, drei Zivilfahrzeuge des Zolls sowie ein Schaufelbagger in Brand gesetzt wurden. Zudem wurde am 25. Juni in Frankfurt am Main ein Ausbildungszentrum der Deutschen Bank erheblich beschädigt.

Generell war die linksextremistische Szene in Hessen bei der Mobilisierung für die Proteste gegen den G20-Gipfel sehr aktiv. Landesweit (unter anderem in Kassel, Fulda, Marburg, Gießen und Darmstadt) gab es über 50 entsprechende Veranstaltungen, die teilweise auch von Organisationen aus dem Bereich des dogmatisch-legalistischen Linksextremismus wie etwa von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), der Gruppe Arbeitermacht (GAM) und deren Jugendorganisation Revolution (REVO) durchgeführt wurden.

Die meisten Mobilisierungsaktivitäten gingen von autonomen und postautonomen Gruppen aus Frankfurt am Main aus. Die autonome Gruppierung siempre*antifa Frankfurt/M engagierte sich gemeinsam mit der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Gießen (A.R.A.G.) im gewaltorientierten Fight-G20-Bündnis. Weiterhin unterstützten sowohl die Frankfurter Ortsgruppe der IL als auch die im …umsGanze!-Bündnis vertretene Gruppierung kritik&praxis – radikale Linke [f]rankfurt die Tätigkeit von IL und des …umsGanze!-Bündnisses im bundesweiten NoG20-Bündnis. Gleichzeitig gründete sich mit NoG20 Rhein-Main ein regionaler Ableger des Bündnisses.

Ziel von NoG20 Rhein-Main war es, eine gemeinsame Mobilisierung aller an den Protesten interessierten Gruppen und Personen aus dem Rhein-Main-Gebiet zu erreichen. Hierfür veranstaltete NoG20 Rhein-Main am 5. März und 10. Juni in Frankfurt am Main Aktionskonferenzen und rief zu einer gemeinsamen Anreise nach Hamburg mit einem vom bundesweiten NoG20-Bündnis organisierten Sonderzug auf. Zu weiteren Anreisen kam es mit angemieteten Bussen sowie mit anderen öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln.

Verlauf der Proteste gegen den G20-Gipfel | Die erste Phase der Gipfelproteste vom 30. Juni bis 5. Juli war geprägt von der Auseinandersetzung zwischen den Gipfelgegnern und der Stadt Hamburg hinsichtlich der Genehmigung zweier Protestcamps als Übernachtungs- und Rückzugsmöglichkeit für anreisende Demonstranten. An den geplanten Standorten der Camps kam es zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei.

Höhepunkt der Proteste und zugleich Schauplatz der äußerst gewalttätigen Ausschreitungen waren die Tage vom 6. bis 8. Juli. Ausgangspunkt war eine Demonstration am Abend des 6. Juli unter dem Motto „Welcome to hell“, die aus dem Umfeld der Roten Flora angemeldet worden war. Die Polizei stoppte die Demonstration mit etwa 12.000 Teilnehmern, da sich rund 1.000 Personen in einem schwarzen Block vermummt hatten und somit gegen das Versammlungsgesetz verstießen. Auf den Versuch der Polizei, den schwarzen Block von den übrigen Teilnehmern zu trennen, reagierten Demonstranten mit Stein- und Flaschenwürfen und griffen die Polizisten mit Stöcken, Eisenstangen und Holzlatten an. Daraufhin setzten die Einsatzkräfte Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Nachdem die Anmelder wenig später die Demonstration für beendet erklärt hatten, zogen Personen aus dem schwarzen Block in Kleingruppen durch die Innenstadt, begingen Sachbeschädigungen, entzündeten Barrikaden und griffen Polizisten mit Wurf- und Zwillengeschossen an.

Für den 7. Juli hatten die Gipfelgegner einen „Tag des zivilen Ungehorsams“ angekündigt. Mit zahlreichen über den gesamten Tag verteilten Aktions- und Blockadeformen sollte der Gipfelablauf gestört und die Hamburger Infrastruktur kurzzeitig lahmgelegt werden. Parallel dazu zogen mehrere Gruppen gewaltbereiter Linksextremisten durch die Innenstadt. Zahlreiche Gebäude wurden beschädigt, Brandanschläge auf Kabelleitungen der Deutschen Bahn verübt, ein Polizeihubschrauber angegriffen und eine Vielzahl von Fahrzeugen in Brand gesetzt.

Den Abschluss der Proteste gegen den G20-Gipfel bildete am 8. Juli eine internationale Großdemonstration mit dem Motto „G20 – not welcome“. Unter den etwa 50.000 Teilnehmern befand sich ein Block mit Anhängern der mit einem Betätigungsverbot belegten PKK sowie weitere Gruppen kurdischer und türkischer Linksextremisten. Aus einem „internationalistischen Block“, der ebenfalls am Demonstrationszug teilnahm, griffen etwa 120 vermummte Personen Polizeikräfte an.

Insgesamt beteiligten sich an den verschiedenen Protestaktionen während des G20-Gipfels etwa 8.000 gewaltbereite Linksextremisten sowie – im unteren vierstelligen Bereich – Anhänger linksextremistischer kurdischer und türkischer Organisationen. Die Polizei nahm 186 Personen vorläufig fest und weitere 225 in Gewahrsam. Zwei der Festgenommenen sowie acht der in Gewahrsam Genommenen hatten einen Haupt- oder Nebenwohnsitz in Hessen. Zum Schutz des G20-Gipfels wurden über 20.000 Polizeibeamte eingesetzt. Insgesamt wurden 476 Einsatzkräfte verletzt, hierunter 149 hessische Polizeibeamte.

Reaktionen | Die linksextremistische Szene bewertete die Gipfelproteste als Erfolg. Eine klare Distanzierung von den Gewaltexzessen gab es kaum, zumal die Szene Gewalt generell als legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung betrachtet. Auf ihrer Facebook-Seite zitierte die Gruppierung kritik&praxis – radikale linke [f]rankfurt am 11. Juli folgende Passage aus „EIN GRUSS AUS DER ZUKUNFT[.] MITTEILUNG DES ..UMS GANZE!-BÜNDNIS ZUM VERLAUF DER G20-PROTESTE IN HAMBURG“ (Schreibweise wie im Original):

„Wenn die Kids aus dem Viertel gemeinsam mit Aktivist*Innen aus ganz Europa eben jenen Bullen, die beide aufs übelste drangsalieren, mal zeigen, dass das Blatt sich auch – zumindest für ein paar Stunden – wenden kann, wenn der hochgerüstete Sicherheitsstaat mal ein wenig die Kontrolle verliert, dann ist das gut und nicht schlecht. Hoffnung ist tatsächlich immer aus Rebellion entstanden, aber für die gab es vorher nie eine Genehmigung von Oben. Die Frage, wie man ,so etwas’ in Zukunft verhindern und den Protest möglichst keimfrei gestalten kann, überlassen wir daher gern den Bürokrat*innen des Bestehenden auf beiden Seiten der Barrikade. Denn verwunderlich ist weniger, dass es knallt, als dass es das gemessen am herrschenden Wahnsinn viel zu selten tut.“

Diskussion über Konsequenzen | In der öffentlichen Auseinandersetzung hinsichtlich möglicher Konsequenzen entwickelte sich auch eine bundesweite Debatte über den Umgang mit linksextremistischen Szeneobjekten. Insbesondere die Tatsache, dass sich viele Treffpunkte im Besitz von Städten und Kommunen befinden, die der Szene Objekte häufig kostengünstig zur Nutzung überlassen werden, stieß vielerorts auf Unverständnis. In Hessen wurde die Debatte vor allem in Frankfurt am Main geführt und durch einen Medienbericht über ein G20-Nachbereitungstreffen im Café ExZess forciert: Hier hatten Teilnehmer, so der Zeitungsbericht, „große Zufriedenheit“ über den militanten Verlauf der Proteste artikuliert. Einige Aktivisten, die in Hamburg vor Ort waren, berichteten von einer positiven Stimmung. Ein Teilnehmer schwärmte von den Flaschenwürfen auf die Polizei: „Das war eine tolle Stimmung, so viel Unterstützung. Das will ich hier in Frankfurt auch haben“. Infolgedessen fokussierte sich die Diskussion über linksextremistische Szeneobjekte auf das Café ExZess und das ehemalige Polizeigefängnis Klapperfeld, die im Besitz der Stadt Frankfurt am Main sind und den jeweiligen Trägervereinen zur Nutzung überlassen werden.

Verbot der linksextremistischen Internetplattform linksunten.indymedia.org | Das nach den Protesten gegen den G20-Gipfel am 25. August vom Bundesminister des Innern verfügte Verbot der linksextremistischen Internetplattform linksunten.indymedia.org hatte erhebliche Auswirkungen auf die bundesweite linksextremistische Szene. In Baden-Württemberg wurden Durchsuchungen in mehreren Objekten und bei führenden Mitgliedern und Unterstützern von linksunten.indymedia.org durchgeführt. Die Internetplattform war die zentrale Kommunikationsplattform im Bereich des gewaltorientierten Linksextremismus in der Bundesrepublik. Dort wurde fortlaufend öffentlich zum Begehen von Straftaten aufgefordert, dazu angeleitet oder verübte Straftaten gebilligt. Auf der Plattform fanden sich zum Beispiel Gewaltaufrufe gegen Polizeibeamte sowie Anleitungen zum Bau von zeitverzögerten Brandsätzen und die Aufforderung, diese auch zu verwenden. Als Reaktion auf das Verbot veröffentlichte die linksextremistische Szene zeitnah Solidaritätsbekundungen und rief zu entsprechenden Aktionen und Spenden für die vom Verbot betroffenen Personen auf. Letztere reichten Klage gegen das Verbot ein, über die jedoch noch nicht entschieden wurde. Unabhängig hiervon gelang es der linksextremistischen Szene im Berichtsjahr nicht, eine vergleichbare zentrale Internetplattform zu etablieren. Sie nutzt andere verfügbare Plattformen.

„Antirepression“: Demonstration „Finger weg von unseren Strukturen“ | Am 28. Oktober fand in Frankfurt am Main eine Demonstration der linksextremistischen Szene unter dem Motto „Finger weg von unseren Strukturen“ statt. Die von AUF und Rote Hilfe e. V. (RH) Frankfurt organisierte Demonstration übte einerseits Solidarität mit der verbotenen Internetplattform linksunten.indymedia.org und richtete sich andererseits gegen die angebliche Zunahme staatlicher Repression gegenüber linken Strukturen und Szeneobjekten im Nachgang des G20-Gipfels. Ebenfalls thematisiert wurden der Wahlerfolg der AfD bei der Bundestagswahl sowie ein zu dieser Zeit in München laufender Prozess gegen zehn Mitglieder der linksextremistischen Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist (TKP/ML, Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten). Zu der Demonstration hatten zahlreiche linksextremistische und insbesondere autonome Gruppen aus Hessen aufgerufen. Mit 700 Teilnehmern übertraf die friedlich verlaufene Demonstration die zuvor angemeldete Teilnehmerzahl von 200 Personen deutlich.

Entstehung/Geschichte

Die autonome Bewegung wurzelt in den europaweiten Studentenprotesten der späten 1960er und 1970er Jahre. In dieser Zeit entstand die Selbstbezeichnung Autonome. Für die große Öffentlichkeit zum ersten Mal erkennbar agierten Autonome, als sie 1980 in Bremen gegen die Vereidigung von Bundeswehrrekruten demonstrierten. Dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Als breite eigenständige Bewegung waren Autonome seit Anfang der 1980er Jahre auszumachen. Sie waren zunächst vor allem in der „Friedens“- und in der „Anti-Atomkraftbewegung“ sowie bei Hausbesetzungen aktiv. Autonome agierten gewalttätig gegen die in Wackersdorf (Bayern) geplante Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe und lieferten sich an der Startbahn West am Frankfurter Flughafen gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Mit der Zeit erschlossen sich die Autonomen weitere Aktionsfelder, die in der Regel durch eine „Anti“-Haltung gekennzeichnet sind: „Antifaschismus“, „Antirepression“, „Antirassismus“, „Anti-Gentrifizierung“, „Antimilitarismus“. „Antikapitalistische“ Einstellungen von Autonomen, die im „Kapitalismus“ die Wurzel allen Übels sehen, bilden die Grundlage für diese Aktionsfelder.

Ideologie/Ziele

Gemeinsame Vorstellungen der Autonomen | Das Ziel der Autonomen ist die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und des „kapitalistischen Systems“ zugunsten einer „herrschaftsfreien“ Gesellschaft. In ihr sollen sich unabhängige Individuen freiwillig vereinen und gemeinsam und gleichberechtigt handeln. Nach der Ansicht von Autonomen werden die Menschen durch „Kapitalismus“, „Rassismus“ und „Patriarchat“ unterdrückt und ausgebeutet. Als Ursache hierfür betrach-ten die Autonomen die bürgerliche demokratische Gesellschaft und das freie Wirtschaftssystem im Kapitalismus. Imperialismus und vor allem Faschismus sind in den Augen der Autonomen die maßgeblichen Werkzeuge dieser dreifachen Unterdrückung.

Themenfelder | Ihren „Anti“-Haltungen und Feindbildern entsprechend definieren Autonome ihre politischen Aktivitäten (zum Beispiel „Antifaschismus“ – gegen „Rechte“ bzw. „Nazis“ – oder „Antirepression“ – insbesondere gegen Polizisten als öffentlich wahrnehmbare -Vertreter des „staatlichen Repressionsapparats“). Sämtliche Feindbilder sind dabei auf eine „antikapitalistische“ Grundhaltung zurückzuführen. Um ihre Bündnis- und Mobilisierungsfähigkeit zu erhöhen, versuchen insbesondere Postautonome mehrere Themenfelder bei ihren Aktivitäten zu verknüpfen.

„Antikapitalismus“ | Dieses Themenfeld bildet den Kern der Vorstellungen der autonomen Szene bzw. des gesamten linksextremistischen Spektrums. Dem Marxismus zufolge ist die kapitalistische Wirtschaftsform das alles dominierende Element des menschlichen Daseins und bestimmt alle Lebensbereiche. Linksextremisten setzen auf dieser Basis die freiheitliche demokratische Grundordnung mit dem Kapitalismus gleich und bekämpfen diese, indem sie unter anderem soziale Themen für ihre Zwecke instrumentalisieren.

„Antifaschismus“ | Vor allem das Themenfeld „Antifaschismus“ zeichnet sich für Linksextremisten dadurch aus, dass es eine hohe Anschlussfähigkeit an nichtextremistische Organisationen und Gruppierungen ermöglicht. Im Unterschied zur demokratischen Bekämpfung des Rechtsextremismus ist das linksextremistische „Antifaschismus“-Verständnis von Demokratiefeindlichkeit geprägt. In kommunistischer Tradition unterstellen Linksextremisten der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, selbst „faschistisch“ oder „faschistoid“ zu sein. „Faschist“ ist demnach jeder, der linksextremistische Überzeugungen nicht teilt. Sobald die Bewertung „Faschist“ vergeben ist, ist der Betroffene, unabhängig von seinen tatsächlichen Überzeugungen, nach linksextremistischem Urteil legitime Zielscheibe von Diffamierungen und Gewalttaten.

Unter „Antifaschismus“ verstehen Linksextremisten bzw. Autonome nicht nur die konsequente Ablehnung rechtsextremistischer Bestrebungen, vielmehr setzen sie den offensiven „Kampf gegen Rechts“ mit dem „Kampf gegen das Ganze“, das heißt gegen das „bürgerlich-kapitalistische System“, gleich: Erst wenn der „Kapitalismus“ beseitigt sei, sei die Gefahr des Faschismus als Form bürgerlicher Herrschaft gebannt.

„Antirassismus“ | Vor dem Hintergrund der europäischen Flüchtlingspolitik und der damit einhergehenden medialen Berichterstattung sowie der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit versucht das linksextremistische Spektrum, mit -„Aktionen“ in die Debatte einzugreifen. Entsprechend der autonomen bündnispolitischen Zielrichtung soll das szene-eigene Verständnis von „Antirassismus“ möglichst langfristig und breit in der Mehrheitsgesellschaft etabliert werden. Dieses Verständnis konzentriert sich nicht nur auf die Thematisierung der Flüchtlingsproblematik, sondern Autonome wollen vor allem nachweisen, dass Staat und Gesellschaft selbst „rassistisch“ sind und daher im linksextremistischen Sinne bekämpft und überwunden werden müssen. Rechtmäßiges Handeln von Behörden gilt für Autonome in dieser Diktion als „rassistisch“: „Nazis morden, der Staat schiebt ab – das ist das gleiche Rassistenpack“.

„Anti-Gentrifizierung“/„selbstverwaltete Freiräume“ | Der Begriff „Gentrifizierung“ beschreibt den sozial-ökonomischen Wandel von Stadtvierteln, in denen vor allem die Preise für Wohnungen sowie die Mieten steigen. Die Wohnbevölkerung wechselt, indem ärmere Bevölkerungsgruppen weg- und soziale Gruppen mit deutlich höherer Kaufkraft hinzuziehen. Gegen diese Entwicklung formieren sich in den betroffenen Vierteln häufig Protestbündnisse aus alteingesessenen Bewohnern und insbesondere Studenten, die sich für günstigen Wohnraum in den Innenstädten einsetzen.

Linksextremisten schließen sich diesen Initiativen aus mehreren Gründen an: Indem sie sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzen, können sie sich als sozialpolitische Akteure profilieren und gesellschaftliche Akzeptanz erreichen. Weiterhin ist es Autonomen auf diese Weise möglich, anschaulich ihre „antikapitalistische“ Grundhaltung zu vermitteln. Schließlich sind sie oft selbst von Gentrifizierung betroffen, da die von ihnen genutzten „selbstverwalteten Freiräume“ – also autonome Szeneobjekte – häufig selbst seitens des Eigentümers für entsprechende „Luxussanierungen“ vorgesehen sind. Insofern richten sich linksextremistische Aktionen in diesem Themenfeld gerade auch gegen Immobilienfirmen und Städtebaugesellschaften, die Eigentümer der Objekte sind.

Frage der Gewalt | Seit jeher versuchen Autonome ihre Ziele auch mit Gewalt zu erreichen. In der Anwendung von Gewalt sehen Autonome nicht nur ein „Mittel zum Zweck“, sondern ebenso einen Akt der „individuellen Selbstbefreiung“. Die regelmäßig in der Szene geführte „Militanzdebatte“ beschäftigt sich daher nicht mit der Legitimität von Gewaltanwendung, sondern mit der kontrovers diskutierten Frage, ob sich Gewalt „nur“ gegen Sachen oder auch gegen Menschen richten darf. Dabei nehmen es Autonome billigend in Kauf, dass Menschen im Rahmen ihrer „Aktionen“ verletzt oder sogar getötet werden.

Hauptströmungen der (post-)autonomen Szene in Hessen | Es sind drei Hauptströmungen – Antiimperialisten, Antideutsche und Antinationale – zu unterscheiden. Sie stehen sich inhaltlich zum Teil diametral gegenüber. Nur über nicht weiter präzisierte „antikapitalistische“ und „antifaschistische“ Grundhaltungen erzielen die drei Strömungen häufig einen Minimalkonsens.

Antiimperialisten | Antiimperialisten machen die vorgeblich durch den „Kapitalismus“ bedingte „imperialistische“ Politik westlicher Staaten, vorrangig der USA und Israels, für weltpolitische Konflikte verantwortlich. Diese Linksextremisten stehen daher fest an der Seite von „antiimperialistischen Befreiungsbewegungen“ etwa in Südamerika oder in der arabischen Welt. Im Unterschied zu den Antideutschen solidarisieren sich Antiimperialisten besonders mit dem von der Palestine Liberation Organization (PLO, Palästinensische Befreiungsorganisation) im Jahr 1988 ausgerufenen Staat Palästina und agitieren gegen Israel.

Antideutsche | Antideutsche zeigen sich dagegen uneingeschränkt solidarisch mit Israel, aber auch mit den USA als dessen militärischer Schutzmacht. Arabische Regimes und islamistische Organisationen bezeichnen die Antideutschen als „rechtsradikal“ oder „islamfaschistisch“. Militärische Aktionen gegen eine mögliche Bedrohung Israels sehen Antideutsche grundsätzlich als positiv an. Damit widersprechen Antideutsche dem „antimilitaristischen“ und gegen den Krieg gerichteten Selbstverständnis anderer autonomer Strömungen. Einige Autonome werfen Antideutschen daher „Kriegstreiberei“ vor. Ferner sprechen Antideutsche der deutschen Nation mit Verweis auf den Holocaust die Existenzberechtigung ab. Den Antiimperialisten unterstellen sie – ebenso wie dem deutschen Volk im Allgemeinen – antizionistische und antisemitische Einstellungen.

Antinationale | Mit den Antinationalen entwickelte sich spätestens seit 2006 bundesweit eine dritte ideologische Ausrichtung, die phasenweise in der autonomen Szene in Hessen prägend war und weiterhin präsent ist. Die Positionen der Antinationalen liegen zwischen Antiimperialisten und Antideutschen, sind jedoch den letzteren näher.

Aus Sicht der Antinationalen ist jeder Staat im „Kapitalismus“ zwangsläufig imperialistisch. Kriege seien nur „Ausdruck der notwendigen Konflikte“ im kapitalistischen System, da die jeweiligen staatlichen Interessen gegenüber der globalen Konkurrenz durchgesetzt werden müssten. Die Antinationalen lehnen jedoch die einseitig positive Bezugnahme der Antiimperialisten auf revolutionäre Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt ab, da diese letztlich auch nur nationalistische Ziele verfolgten und häufig reaktionäre Ideologien verträten, die es aus „antifaschistischer“ Perspektive zu bekämpfen gelte. Dies trifft aus Sicht der Antinationalen insbesondere auf islamistische Gruppen zu.

Den Antideutschen wiederum werfen Antinationale eine zu starke Fixierung auf den „historischen Sonderweg“ Deutschlands und den daraus nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Staat Israel sowie eine Gleichsetzung von Islam und Islamismus vor. Zwar räumen Antinationale „Israel als Staat der Holocaustüberlebenden und als Schutzraum für die weltweit vom Antisemitismus bedrohten Jüdinnen und Juden“ eine Sonderstellung ein, andererseits sehen sie in Israel bei aller Solidarität mit dessen Volk einen „kapitalistischen“ Staat, der letztlich ebenso wie das gesamte Staatensystem abzuschaffen sei.

Strukturen

Szeneschwerpunkt | Frankfurt am Main war – wie in der Vergangenheit – sowohl personell als auch strukturell der Szeneschwerpunkt in Hessen. Etwa die Hälfte aller Autonomen in Hessen ist in der Stadt oder in den unmittelbar angrenzenden Kommunen (zum Beispiel Offenbach am Main) beheimatet. Bundesweit betrachtet gehörte Frankfurt am Main zu den Großstadtregionen mit einer kontinuierlichen Präsenz autonomer Zusammenhänge. Von anderen Szenen in Hessen unterschied sich der „harte Kern“ der Frankfurter Szene durch seine gute bundesweite Vernetzung, das hohe Personenpotential auf engem Raum und dem vorauseilenden Ruf besonders gewaltbereit zu sein.

Besonders relevante Gruppen in Frankfurt am Main waren kritik&praxis – radikale Linke [f]rankfurt, die IL Frankfurt, siempre*antifa Frankfurt/M., AUF und stellenweise AK.069. Mit dem Treffort Klapperfeld verfügte die Szene in Frankfurt am Main über den bedeutendsten autonomen Anlaufpunkt in Hessen. Darüber hinaus bildeten das Café ExZess, das Café KoZ und das neu eröffnete Centro wichtige Treffpunkte.

Regionale Szenen | Weitere autonome Szenen gab es in den Universitätsstädten Kassel, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und Gießen (Landkreis Gießen). Erwähnenswert sind die Gruppierungen T.A.S.K. und ak raccoons aus Kassel, die Marburger Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. und die antifaschistische gruppe 5 (ag5) sowie in Gießen die Antifa R4 und die A.R.A.G. In Darmstadt festigten sich, auch aufgrund der Aktivitäten der IL Darmstadt, die Szenestrukturen.

Insgesamt gehörten der IL einige autonome Gruppierungen aus Hessen an, was ein Beleg für die bundesweite Vernetzung von (Post-)Autonomen in Hessen ist. Darüber hinaus war das Bündnis antifaschistischer Strukturen Hessen (B.A.S.H.) aktiv, das einmal im Jahr ein „Antifacamp“ ausrichtet, das der Politisierung, Radikalisierung und letztlich Rekrutierung junger Menschen, die längerfristig in autonomen Strukturen aktiv sein wollen, dienen soll.

Bewertung/Ausblick

Das dominierende Ereignis im Berichtszeitraum waren die Aktionen anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg Anfang Juli. Massivste gewalttätige Auseinandersetzungen gab es am 6. und 7. Juli. Die überwiegend unbekannten Straftäter machten durch die in diesem Bericht knapp dargestellten Abläufe und Verhaltensweisen deutlich, dass es ihnen eher um Zerstörung ganzer Straßenzüge und Angriffe auf Sicherheitskräfte ging und weniger um die Auseinandersetzung mit der Weltwirtschaft.

Die massiven Gewaltausschreitungen waren aufgrund der typischen schwarzen Vermummung und der verwendeten Tatmittel (unter anderem Steine, Molotowcocktails) insbesondere der autonomen Szene zuzurechnen. Dass durch die massive Gewaltanwendung auch Anwohner betroffen wurden, ist offenbar in Kauf genommen worden. Angesichts der Ereignisse muss die Frage gestellt werden, ob sich die unter Autonomen kontrovers geführte „Militanzdebatte“ in Richtung der Legitimität des Einsetzens von Gewalt gegen Menschen verschiebt.

Autonome sehen die Aktionen rund um den G20-Gipfel als Erfolg für sich an, weil es gelungen sei, wenn auch kurzfristig, eine herrschaftsfreie Zone im öffentlichen Raum (im und um das Schanzenviertel) herzustellen. Die von linksextremistischen Gruppierungen ausgehenden Gewaltexzesse als solche wurden auch im Nachhinein nicht kritisch bewertet oder gar verurteilt. Ein vergleichbares Thema, das wie der G20-Gipfel internationale Anziehungskraft für Linksextremisten, insbesondere Autonome hätte, ist für das Jahr 2018 derzeit nicht abzusehen.

In diesem Zusammenhang wurde direkt im Anschluss an den G20-Gipfel die Rolle der Roten Flora in Hamburg kritisch hinterfragt. Die Diskussion über solche Szeneobjekte setzte daraufhin bundesweit ein. In Hessen bezog und bezieht sich die Debatte insbesondere auf das ehemalige Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt. Dieses Szeneobjekt steht im kritischen Spannungsverhältnis kultureller Angebote als Deckmantel für dahinterliegende linksextremistische Aktivitäten. Die Bedeutung dieses Themenfeldes für die linksextremistische Szene zeigte sich in neuen Hausbesetzungsversuchen, die zügig durch polizeiliches Handeln unterbunden wurden, sowie demonstrativen Aktionen mit dem Ziel, für den Erhalt „selbstverwalteter Zentren“ einzutreten. Es steht zu erwarten, dass entsprechende Aktivitäten sich 2018 fortsetzen werden.

Bundesweit erfolgten im Berichtsjahr unter anderem vor dem Hintergrund der Bundestagswahl Aktionen gegen die AfD. Auch in Hessen wurden entsprechende Aktivitäten realisiert. Einige Outings durch linksextremistische Gruppierungen, insbesondere auch im Internet, sollten dazu beitragen, angebliche Kontakte von Parteiangehörigen zu rechtsextremistischen Strukturen öffentlich zu machen. Mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst 2018 in Hessen ist damit zu rechnen, dass die Proteste und Aktionen gegen Parteiveranstaltungen oder einzelne ihrer Anhänger auch in Hessen weitergehen werden. Eine Intensivierung gerade kampagnenartig durchgeführter Aktivitäten, aber auch klandestin vorbereiteter, als legitime „Widerstandsaktionen“ dargestellter Straftaten wie Sachbeschädigungen ist nicht auszuschließen.

Linksextremisten stellen Aktionen gegen die AfD stets in einen „Antifaschismus“-Zusammenhang. Dieses Themenfeld wird seine herausragende Bedeutung als Spektren übergreifendes Mobilisationsthema behalten.

Gerade bei Demonstrationen und Veranstaltungen im Themenfeld „Antifaschismus“ fällt es Linksextremisten leicht, Anknüpfungspunkte, Schnittstellen und Kooperationen zu nichtextremistischen Organisationen herzustellen. Diese erkennen oft nicht, dass Veranstaltungen von Linksextremisten im Kern für deren eigene Ziel- und Zwecksetzungen ausgenutzt werden. Mittel- und langfristig können so linksextremistische Sichtweisen durch Annäherung und den Schulterschluss mit nichtextremis-tischen Gruppen in die „Mitte der Gesellschaft“ getragen werden.

Die Vereinnahmung der moralischen Deutungshoheit nach eigens definierten Maßstäben und die für eigene aktionistische Handlungen immer wieder vorgeschobene Täter-Opfer-Umkehr ist eine typische Erscheinungsform autonomer Vorgehensweisen. Die Äußerungen der Autonomen verdeutlichen außerdem ihren unbekümmerten Umgang mit selbstjustiziellen Handlungsformen.

Aufgrund der bundesweit andauernden medialen Befassung mit der Flüchtlingsthematik sowie dem weiterhin hohen Emotionalisierungsgrad ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass auch das Aktionsfeld „Antirassismus“ weiterhin im Fokus der linkextremistischen Szene stehen wird.

Legalistischer Linksextremismus

Deutsche Kommunistische Partei (DKP) | Die 1968 gegründete DKP versteht sich als „revolutionäre Partei der Arbeiterklasse“ in der Tradition der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Das Ziel der DKP ist die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in einem revolutionären Bruch, um – als erste Stufe auf dem Weg zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft – den Sozialismus zu verwirklichen.

Die hessische DKP-Bezirksorganisation (vergleichbar einem Landesverband) gliederte sich in 16 Kreisorganisationen. Diese waren zwar unterschiedlich aktiv, beschränkten sich in ihren Aktivitäten aber insgesamt überwiegend auf kommunalpolitische Aspekte. Einzelne Kreisorganisationen gaben Kleinzeitungen heraus. In Hessen waren der DKP noch rund 350 Personen zuzurechnen, bundesweit etwa 3.000. Der landesweite Schwerpunkt der Aktivitäten der DKP lag in Südhessen in den Gemeinden Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) und Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg). Die DKP führte nur wenige öffentlichkeitswirksame Aktionen durch, interne Veranstaltungen dominierten das Geschehen in der Partei.

Die DKP beteiligte sich 2017 an der Bundestagswahl. Die erzielten Wahlergebnisse im Bund und in Hessen waren sehr gering. In Hessen erzielte die Partei nur in wenigen Wahlkreisen prozentual messbare Ergebnisse (siehe Kapitel Linksextremisten im Bundestagswahlkampf).

In einer Erklärung zu den Ergebnissen der Bundestagswahl räumte die DKP das Wahlergebnis als Niederlage ein: Diese sei unter anderem die Quittung dafür, dass die DKP seit 1989 nicht mehr eigenständig zu einer Bundestagswahl kandidiert habe. Insgesamt sei es aber richtig gewesen, an der Wahl teilzunehmen. Damit sei ein Beitrag geleistet worden, die DKP besser bekannt zu machen: „Wir haben ‚Rot auf die Straße‘ getragen und werden das weiter tun.“

Nach wie vor befanden sich die Gesamtpartei sowie der Landesverband der DKP in Hessen in finanziellen und personellen Schwierigkeiten. Die innerparteilichen Richtungskämpfe zwischen Anhängern einer Gruppe, die die traditionelle Rolle der Arbeiterklasse favorisiert und damit den Bruch der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse erreichen will, und einem eher pragmatisch ausgerichteten Teil der Partei, der sich stärker an den derzeitigen gesellschaftlichen Gegebenheiten orientieren will, nahmen im Berichtsjahr zu. Der erste Teil organisierte sich in einem Kommunistischen Netzwerk. Die Existenz zweier konkurrierender Fraktionen treibe, so die ehemalige DKP-Bundesvorsitzende Bettina Jürgensen, den Zerfall der DKP weiter voran.

Aus Sicht des DKP-Parteivorstands war die gleichzeitige Mitgliedschaft in der DKP und dem Kommunistischen Netzwerk, auch benannt als Netzwerk kommunistische Politik bzw. Netzwerk kommunistische Politik in der DKP, unvereinbar und sorgte für erheblichen innerparteilichen Streit. Nach Meinung der stellvertretenden Bundesvorsitzenden würde ein „Unvereinbarkeitsbeschluss“ zu einer Spaltung der DKP führen.

In Zusammenhang mit den Streitigkeiten zwischen beiden Gruppen wurde im Juni die Bezirksorganisation Südbayern vom Parteivorstand aufgelöst. Viele Unterorganisationen, so auch der Vorstand der DKP Mörfelden-Walldorf, forderten die Rücknahme der Auflösung. Der ehemalige DKP-Bundesvorsitzende Heinz Stehr sah darin einen weiteren Schritt zur „Liquidierung“ der DKP.

Vor diesem Hintergrund traten gegen Ende des Berichtsjahres etwa 80 jüngere Parteimitglieder, davon fünf aus Hessen, verbunden mit einer in dieser Form ungewöhnlich scharf formulierten öffentlichen Kritik an Partei und Parteivorstand, aus der SDAJ und der DKP aus.

Das äußerst schwache Abschneiden der DKP bei der Bundestagswahl 2017, die nicht unerhebliche Zahl der Parteiaustritte sowie die schwelende Parteikrise verschlechterten die personelle und finanzielle Lage der DKP weiter. Dies dürfte sich weiter negativ auf die Kampagnenfähigkeit der Partei auswirken.

SDAJ | Die dogmatisch-kommunistische Jugendorganisation versuchte ihre Ziele vor allem durch die Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Organisationen zu verwirklichen. Der SDAJ in Hessen waren rund 80 Personen zuzurechnen, bundesweit etwa 750. Die mit der DKP eng verbundene Organisation war in Hessen mit Ortsgruppen in den Regionen Darmstadt/Odenwald, Frankfurt am Main, Gießen, Marburg, Kassel und Fulda aktiv.

Schwerpunkte der öffentlichkeitswirksamen SDAJ-Tätigkeit bildeten – wie in den vergangenen Jahren – die Themen „Antikapitalismus“ und sogenannte prekäre Ausbildungsverhältnisse, zu denen die SDAJ auch die Schulausbildung zählte.

Im Fokus ihrer Kritik stand weiterhin die Nachwuchswerbung der Bundeswehr. Auf ihrer Homepage forderte die SDAJ unter anderem „Kein Platz für die Bundeswehr in Schulen, Geld für Bildung statt für Militär und Rüstung“.

Weiterhin standen für die SDAJ Wirtschaftsunternehmen in der Kritik, die sie als repräsentativen Teil des „kapitalistischen Systems“ für soziale und politische Missstände mitverantwortlich machte. Die bereits 2013 begonnene Kampagne „Unsere Zukunft statt eure Profite! – Ausbeuter outen – Ausbildungen erkämpfen“ mit der Zielrichtung, die „Profiteure“ „ausbeuterischer“ Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen zu diskreditieren, wurde fortgesetzt.

Der Hessentag vom 9. bis 18. Juni in Rüsselsheim am Main (Landkreis Groß-Gerau) war wie die Hessentage in den vergangenen Jahren Schauplatz von SDAJ-Aktivitäten gegen die Bundeswehr. Aktivisten der SDAJ besetzten am 10. Juni auf dem Stand der Bundeswehr ein Panzerfahrzeug. Damit protestierten sie gegen die Einsätze der Bundeswehr im Ausland. Es wurde ein „Stop Wars! – Coole Aktion!“-Transparent gezeigt.

Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) | Die maoistisch-stalinistisch orientierte MLPD versteht sich als „politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland“. Ihre grundlegenden Ziele sind „der Sturz der Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats in Deutschland“. Als Teil einer „internationalen sozialistischen Revolution“ soll diese „in den Aufbau der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt als Übergangsstadium zur weltweiten klassenlosen kommunistischen Gesellschaft“ münden. Auch wenn sich Anhänger der MLPD an Demonstrationen und Aktionen beteiligten, erhielt die Partei, der etwa 80 Personen in Hessen, 1.800 bundesweit, zuzurechnen waren, nahezu keine Aufmerksamkeit. Das lag vor allem an der weitgehenden Isolation der MLPD im linksextremistischen Spektrum. Eine Ausnahme bildete ihr Wahlkampf anlässlich der Bundestagswahl 2017, bei der sie als Internationalistische Liste/MLPD mit Landeslisten und über 100 Direktkandidaten in allen Bundesländern kandidierte. Sie erzielte dabei das für sie beste Ergebnis ihrer bisherigen Wahlteilnahmen (siehe Kapitel Linksextremisten im Bundestagswahlkampf).

Bedeutsam war der personelle Wechsel im Parteivorsitz. Am 1. April übernahm Gabi Fechtner, die Stieftochter des bisherigen MLPD-Parteivorsitzenden Stefan Engel, bei einer Übergabefeier vor 1.000 Gästen in Truckenthal (Thüringen) den Parteivorsitz. Das Zentralkomitee der MLPD hatte Gabi Fechtner einstimmig zur Parteivorsitzenden gewählt.

Problematisch stellte sich nach der Bundestagswahl für die MLPD die Kündigung ihrer Bankkonten dar. Grundlage für die Kündigungen war der Vorwurf der Unterstützung von palästinensischen Terroristen und die Solidarität der MLPD mit dem palästinensischen „Befreiungskampf“. Die Deutsche Bank hatte schon 1986 und 2009 die Konten der MLPD gekündigt, musste diese Kündigungen nach Urteilen des Landgerichts Essen aber jeweils zurücknehmen.

Die MLPD war mit Ortsgruppen in über 450 Städten in Deutschland vertreten. Der MLPD-Landesverband Rheinland-Pfalz/Hessen/Saarland (RHS) hatte seinen Sitz in Frankfurt am Main. In Hessen waren Ortsgruppen in Kassel, Frankfurt am Main, Darmstadt, Rüsselsheim am Main (Kreis Groß-Gerau) und Wiesbaden aktiv. Ebenso war der MLPD-Jugendverband REBELL bundesweit mit Ortsgruppen vertreten, in Hessen in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden.

Rote Hilfe e. V. (RH) | In Anlehnung an die im Jahr 1924 in der Weimarer Republik (1918 bis 1933) von der KPD initiierte Rote Hilfe Deutschlands (RHD) versteht sich die RH laut ihrer Satzung als „parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“. Sie bezeichnet die Bundesrepublik Deutschland als ein „nationalstaatlich fixiertes, bürgerlich kapitalistisches Herrschaftssystem, das von unterschiedlichen Unterdrückungsmechanismen (wie Rassismus oder Sexismus) strukturiert und geprägt wird“. In Hessen verfügte die RH über Ortsgruppen in Darmstadt, Gießen (Landkreis Gießen), Frankfurt am Main, Kassel und Wiesbaden. Ihr gehörten in Hessen über 600 Personen an, bundesweit etwa 8.300.

Die von Linksextremisten verschiedener Richtungen getragene RH unterstützte seit den 1970er Jahren inhaftierte bzw. inzwischen aus der Haft entlassene Mitglieder der mittlerweile aufgelösten linksterroristischen Rote Armee Fraktion (RAF). Neben politischer und finanzieller Hilfe versuchte die RH mittels „Rechtsberatung“ Personen, die politisch motivierte Straftaten begingen, der staatlichen Strafverfolgung zu entziehen oder sie bei ihren Verfahren zu unterstützen. Die RH empfahl daher den „Genoss_innen“ die „konsequente Aussageverweigerung“ als „beste Strategie im Umgang mit Repressionsbehörden“.

Die RH-Ortsgruppe Frankfurt am Main begleitete im Berichtsjahr bei Strafprozessen vorwiegend Angeklagte, die linken und linksextremistischen Gruppierungen zuzurechnen waren. Auf ihrer Homepage wies die RH auf anstehende Prozesse hin und rief Sympathisanten zur „kritischen Prozessbegleitung“ auf, um sich solidarisch mit den Angeklagten zu zeigen.

Mitunter meldete die RH-Ortsgruppe Frankfurt am Main Kundgebungen vor dem jeweiligen Gerichtsgebäude an bzw. veröffentlichte Verlaufsberichte über die Prozesse. Sie thematisierte weiterhin einen Prozess in München gegen zehn Mitglieder der in Deutschland als linksterroristische Organisation eingestuften TKP/ML sowie der Avrupa Türkiyeli İşçiler Konfederasyonu (ATİK, Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa), einer Auslandsorganisation der TKP/ML. Hierzu führte die Frankfurter Ortsgruppe am 28. März eine Informationsveranstaltung „Freiheit für die gefangenen GenossInnen der TKP/ML und ATIK“ im Kulturzentrum Multiversum in Offenbach am Main durch. Im Hinblick auf den G20-Gipfel berichtete die RH immer wieder von der Gewalt, die die Polizei in Hamburg angeblich begangen habe. Die Kampagnenwebsite „United we stand“ war auf der Internetseite der RH-Ortsgruppe Frankfurt am Main verlinkt, auf der um Unterstützung geworben wurde: „Damit die Betroffenen mit finanziellen Folgen nicht alleine gelassen werden, sind wir alle gefordert diese Kosten solidarisch zu teilen!“ Generell wurde um Geldspenden für die Durchführung von Strafverfahren auf das Konto der RH gebeten und zu einer starken Öffentlichkeitsarbeit wie Informationsveranstaltungen, „Soli-Kneipen“, Partys, Konzerten, Kundgebungen und Demonstrationen aufgerufen.

Anlässlich des Verbots der Internetplattform linksunten.indymedia.org rief die Frankfurter Ortsgruppe zur Teilnahme an der Veranstaltung „linksunten-Verbot, Razzien, Angriffe auf unsere Strukturen nach G20“ am 7. September und zur Demonstration „Finger weg von unseren Strukturen! Unsere Solidarität gegen ihre Repression“ am 28. Oktober in Frankfurt am Main auf.

Sozialistische Alternative (SAV) | Die 1994 gegründete trotzkistische SAV bezeichnet sich als revolutionäre, sozialistische Organisation und ist die deutsche Sektion des trotzkistischen Dachverbands Committee for a Workers’ International mit Sitz in London (Großbritannien). Anhänger der SAV traten seit 2008 im Rahmen der für Trotzkisten typischen „Entrismuspolitik“ in die Partei DIE LINKE. ein, wozu die Organisation ihre Mitglieder aufgerufen hatte. Sie setzten sich für „ein wirklich sozialistisches Programm“ ein und kämpften „gegen eine Politik der Regierungsbeteiligung mit prokapitalistischen Parteien, weil dies zwangsläufig zum Verrat an linken und sozialistischen Positionen führt“.

Nach Ansicht der SAV kann der Kapitalismus „nicht zu einer friedlichen und sozial gerechten Gesellschaft umgestaltet werden.“ Es gelte, den Kapitalismus zu überwinden und dabei „den Kampf für Verbesserungen mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zu verbinden.“

Die Gründung der Partei SAV „ist ein Aufruf zum Aufbau einer revolutionären sozialistischen Massenpartei, als Teil einer Internationale.“ Notwendig sei „eine internationale marxistische Kraft“, die sich „auf die anstehenden Kämpfe bewusst vorbereitet.“

Als eigenständige Organisation bestand die SAV, der in Hessen etwa 55, bundesweit etwa 300 Personen angehörten, fort. Ortsgruppen der SAV in Hessen gab es in Kassel und in Frankfurt am Main.

Die SAV führte vom 14. bis 16. April in Berlin ihren jährlichen Kongress „Sozialismustage“ durch. Themen waren unter anderem: „Zwischen Angst und Hoffnung: Weltweit gegen den Kapitalismus“, „Kapitalismus außer Kontrolle“ (im Zusammenhang mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA und dem Brexit-Votum in Großbritannien) und „Glück bedeutet Auflehnung“ als Mobilisierung zu den G20-Protesten.

Linksextremisten im Bundestagswahlkampf

Bei der Bundestagswahl 2017 gelang linksextremistischen Parteien keine größere Mobilisierung von Wählern. In absoluten Zahlen konnten die DKP und die MLPD allerdings einen, teilweise erheblichen, Stimmenzuwachs verzeichnen. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) kandidierte lediglich mit einer Direktkandidatin im Wahlkreis 182 (Frankfurt am Main I). Vor allem die MLPD konnte ihr Erststimmenergebnis durch zahlreiche Direktkandidaten erheblich verbessern. Innerhalb des gesamten Parteienspektrums bleiben die linksextremistischen Parteien dennoch nahezu bedeutungslos.

DKP

Wahlkampf | Zur Bundestagswahl 2017 trat die DKP bundesweit mit neun Landeslisten und 16 Direktkandidaten an. In Hessen stellte die DKP eine Landesliste mit 21 Listenplätzen auf. Zudem stand einer der Kandidaten im Wahlkreis 173 (Gießen) als Direktkandidat zur Wahl. Hessen stellte damit die größte Landesliste der DKP, gefolgt von Niedersachsen, wo die Landesliste 17 Listenplätze umfasste. Die DKP führte ihren Wahlkampf in Hessen hauptsächlich über Plakate, Infostände und ihre Auftritte in den sozialen Medien.

Ergebnisse | Die Beteiligung der DKP an der Bundestagswahl 2017 führte zu prozentual kaum messbaren Ergebnissen. In Hessen errang die DKP 234 Erst- und 1.138 Zweitstimmen (0,0 Prozent).

Bundesweit erreichte die DKP 7.517 Erst- und 11.558 Zweitstimmen (0,0 Prozent). Zur Bundestagswahl 2013 war die DKP bundesweit lediglich mit sechs Direktkandidaten (vier in Brandenburg und jeweils ein Kandidat in Berlin und Baden-Württemberg) angetreten und hatte dabei 1.699 Stimmen (0,0 Prozent) erreicht. Mit eigenen Landeslisten war die Partei 2013 nicht angetreten.

Ihr bestes Ergebnis in Hessen erreichte die DKP im Wahlkreis 173 (Gießen) mit 234 Erst- und 119 Zweitstimmen (0,1 Prozent). In den übrigen hessischen Wahlkreisen errang die DKP zumeist deutlich unter hundert Zweitstimmen.

Internationalistische Liste/MLPD

Wahlkampf | Im Wahlkampf setzte die MLPD vor allem auf ihr Bündnis Internationalistische Liste/MLPD. In dem Bündnis hatten sich, neben der MLPD und ihrer Jugendorganisation REBELL, 14 weitere Gruppierungen zusammengeschlossen. Von diesen waren acht linksextremistisch oder linksextremistisch beeinflusst. Über die Internationalistische Liste/MLPD kandidierten Mitglieder der Trägerorganisationen als Direktkandidaten oder über die jeweiligen Landeslisten. Insgesamt trat die Internationalistische Liste/MLPD mit 109 Direktkandidaten und 16 Landeslisten zur Wahl an. In Hessen kandidierte die MLPD mit einer eigenen Landesliste, sechs Direktkandidaten und einer Direktkandidatin der Internationalistischen Liste (Wahlkreis 167, Waldeck).

Während des Wahlkampfes war die Partei dafür kritisiert worden, dass sie über die Internationalistische Liste/MLPD Sympathisanten der als Terrororganisation eingestuften Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP, Volksfront zur Befreiung Palästinas) die Teilnahme an der Wahl ermöglichte. Bei einem Kandidaten der Internationalistischen Liste/MLPD in Berlin wurde eine Nähe zur PFLP unterstellt. Die MLPD wehrte sich gegen diese Kritik mit der Durchsetzung von Unterlassungserklärungen bzw. einer einstweiligen Verfügung. Diese war nach der Bundestagswahl allerdings vom Landgericht Hamburg widerrufen worden.

Ergebnisse | Das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl 2017 zeigte für die MLPD kaum prozentual messbare Ergebnisse. In Hessen erreichte die MLPD insgesamt 1.869 Erst- und 1.627 Zweitstimmen (0,1 und 0,0 Prozent, 2013: 325 Erst- und 1.071 Zweitstimmen). Bundesweit errang die MLPD 35.760 Erst- und 29.785 Zweitstimmen (0,1 Prozent, 2013: 12.904 Erst- und 24.219 Zweitstimmen). Dies entspricht einem Zuwachs von über 170 Prozent bei den Erst- und 23 Prozent bei den Zweitstimmen im Bund. In Hessen konnte die MLPD ihre Erststimmen sogar vervierfachen und bei den Zweitstimmen 52 Prozent hinzugewinnen. Die Partei erklärte die starken Zuwächse mit der Aufstellung der vielen Direktkandidaten. Im Wahlkreis 186 (Darmstadt) erreichte die MLPD mit 0,3 Prozent der Erststimmen (490 Stimmen) ihr bestes Ergebnis in Hessen. Über die Internationalistische Liste hatte die MLPD zudem im Wahlkreis 167 (Waldeck) einen Direktkandidaten aufgestellt, der 0,1 Prozent (88 Stimmen) erreichte. Prominentester Kandidat der MLPD war der Pressesprecher der Partei, der in Hessen auf Listenplatz 1 kandidierte.

SGP

Wahlkampf | Die SGP stellte in den Bundesländern Berlin und Nordrhein-Westfalen jeweils eigene Landeslisten mit insgesamt sechs Kandidaten auf. In Berlin und Sachsen kandidierten zudem noch einzelne Direktkandidaten der SGP. In Hessen kandidierte die Partei mit einer Direktkandidatin im Wahlkreis 182 (Frankfurt).

Die Bundestagswahl 2017 nutzte die Partei zu ihrer ersten Wahlbeteiligung. Erst im Februar 2017 hatte sich die Partei von Partei für Soziale Gerechtigkeit (PSG) in SGP umbenannt. Der Wahlkampf der SGP „dient dem Zweck, eine revolutionäre Partei aufzubauen, die Arbeiter auf der ganzen Welt im Kampf gegen Nationalismus, soziale Ungleichheit und Krieg vereint.“ Der Schwerpunkt des Wahlkampfs der SGP lag dabei in Berlin. In Hessen trat die Partei kaum öffentlichkeitswirksam in Erscheinung.

Ergebnisse | Mit Ihrer Direktkandidatur in Frankfurt am Main (Wahlkreis 182) mobilisierte die SGP 0,1 Prozent der Wähler (97 Stimmen). Bundesweit lagen die Ergebnisse der SGP im Bereich von 0,0 Prozent (903 Erst- und 1.291 Zweitstimmen). Bei der Bundestagswahl 2013 war die SGP noch als PSG angetreten und hatte mit drei Landeslisten insgesamt 0,0 Prozent (4.564 Zweitstimmen) auf sich vereinigen können, 71 Prozent mehr als 2017.

Bewertung

Die Wahlergebnisse zeigen, dass es linksextremistischen Parteien nicht gelang, größere Wählergruppen für sich zu gewinnen. So konnte die DKP ihr Ergebnis der Bundestagswahl 2013 nur marginal verbessern. Zwar konnte sie durch die Aufstellung von Landeslisten und mehr Direktkandidaten einige Stimmenzuwächse erreichen, diese bewegten sich aber weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. Die Partei selbst hatte nach der Wahl ihr Ergebnis als nicht befriedigend eingeschätzt. Dennoch sei die Teilnahme an der Wahl richtig gewesen. Das schlechte Abschneiden dürfte auch Ausdruck der innerparteilichen Streitigkeiten und finanziellen Probleme sein, die dazu führten, dass die DKP kaum öffentlichkeitswirksame Aktionen durchführte.

Im Vergleich dazu gelang es der MLPD, wesentlich mehr Wähler an sich zu binden. Die starken Stimmenzuwächse feierte die MLPD als ihr „bisher stärkstes Wahlergebnis“. Die Gründung der Internationalistischen Liste ermöglichte es der MLPD, ihre Wählerbasis durch die Kooperation mit anderen Organisationen zu verbreitern und vermehrt Wähler mit Migrationshintergrund für sich zu gewinnen. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die MLPD zwar deutlich an Stimmen hinzugewann, mit einem prozentualen Anteil von 0,1 Prozent der Stimmen (2013: 0,0 Prozent) aber politisch weiterhin bedeutungslos bleibt.

Im Gegensatz dazu erzielte die SGP ein schlechteres Wahlergebnis als 2013. Grund hierfür dürfte zum einen die Umbenennung und eine damit einhergehende geringe Bindung potentieller Wähler sein. Zum anderen trat die SGP zu dieser Wahl mit deutlich weniger Kandidaten an.

Straf- und Gewalttaten

Die Zahl der linksextremistischen Straf- und Gewalttaten in Hessen reduzierte sich von 90 im Jahr 2016 auf 61. Die Zahl der Gewalttaten reduzierte sich trotz auch linksextremistischer Angriffe im Zusammenhang mit dem Themenfeld „Antifaschismus“ deutlich auf fünf (im Jahr 2016 waren es 25). Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die straftatenaffinste Szene, die Autonomen, ihren Fokus auf die Vorbereitung und Durchführung der G20-Aktionen Anfang Juli legte. (Siehe im Glossar und Abkürzungsverzeichnis unter dem Stichwort Politisch motivierte Kriminalität zur Erfassung politisch motivierter Straf- und Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund.)

Abgebildet ist die Tabelle linksextremistisches Personenpotenzial. In der linken Spalte stehen die Namen der linksextremistischen Beobachtungsobjekte. Die weiteren drei Spalten enthalten Zahlenangaben zu diesen Beobachtungsobjekten jeweils für die Jahre 2017, 2016 und 2015 sowohl für Hessen als auch für die gesamte Bundesrepublik.
Den Autonomen waren im Jahr 2017 in Hessen 400 Personen und bundesweit 7.000 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 400 und bundesweit bei 6.800, im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 340 und bundesweit bei 6.300.
Den Anarchisten waren im Jahr 2017 in Hessen 70 Personen und bundesweit 800 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 70 und bundesweit bei 800, im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 60 und bundesweit bei 800.
Dem Bereich sonstige Linksextremisten (Marxisten-Leninisten, Trotzkisten und andere) waren im Jahr 2017 in Hessen 2.400 Personen und bundesweit 22.600 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 2.400 und bundesweit bei 21.800, im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 2.400 und bundesweit bei 20.300.
Insgesamt gab es in Hessen im Jahr 2017 2.570 Linksextremisten, bundesweit waren es insgesamt 29.500 Linksextremisten. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen insgesamt bei 2.570 und bundesweit insgesamt bei 28.500, im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen insgesamt bei 2.500 und bundesweit insgesamt bei 26.700.
Abgebildet ist die Tabelle linksextremistische Straf- und Gewalttaten. In der linken Spalte stehen die Deliktarten. Die weiteren drei Spalten enthalten Zahlenangaben zu den Deliktarten jeweils für die Jahre 2017, 2016 und 2015.
In den Jahren 2017, 2016 und 2015 gab es keine Tötung.
In den Jahren 2017 und 2016 gab es keine versuchte Tötung, es gab vier versuchte Tötungen im Jahr 2015.
Im Jahr 2017 gab es 1 Körperverletzung, im Jahr 2016 gab es 18 Körperverletzungen, im Jahr 2015 gab es 26.
Im Jahr 2017 gab es 2 Delikte im Bereich Brandstiftung/Sprengstoffdelikte, im Jahr 2016 gab es 5, im Jahr 2015 gab es 8.
Im Jahr 2017 gab es 2 Delikte im Bereich Landfriedensbruch, im Jahr 2016 gab es kein Delikt, im Jahr 2015 gab es 44 Delikte.
In den Jahren 2017 und 2016 gab es kein Delikt im Bereich gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr, im Jahr 2015 gab es drei Delikte.
Im Jahr 2017 gab es kein Delikt im Bereich Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte, im Jahr 2016 gab es 2 Delikte, im Jahr 2015 gab es 1 Delikt.
Die Anzahl dieser Gewalttaten betrug im Jahr 2017 insgesamt 5, im Jahr 2016 25 Delikte und im Jahr 2015 86.
Darüber hinaus kam es zu weiteren, sogenannten sonstigen Straftaten.
Im Jahr 2017 gab es 44 Delikte im Bereich Sachbeschädigung, im Jahr 2016 gab es 43 Delikte und im Jahr 2015 gab es 122 Delikte.
Im Jahr 2017 gab es 1 Delikt im Bereich Nötigung/Bedrohung, im Jahr 2016 gab es 3 Delikte, im Jahr 2015 gab es 1 Delikt.
Im Jahr 2017 gab es 11 Delikte im Bereich andere Straftaten (insbesondere Propagandadelikte), im Jahr 2016 gab es 19 Delikte, im Jahr 2015 gab es 69 Delikte.
Insgesamt betrug die Anzahl der linksextremistischen Straf- und Gewalttaten in Hessen im Jahr 2017 61. Im Jahr 2016 waren es 90 und im Jahr 2015 278 linksextremistische Straf- und Gewalttaten.
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