Glossar & Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis extremistischer
Personenzusammenschlüsse

Verfassungsschutz in Hessen

Bericht 2017

Extremismus mit Auslandsbezug

Merkmale

Der nichtreligiös motivierte Extremismus mit Auslandsbezug umfasst sicherheitsgefährdende extremistische und terroristische Bestrebungen in Deutschland, die im Zusammenhang mit politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen im Ausland stehen und überwiegend von Menschen mit Bezug zu den politischen Verhältnissen in einem anderen Staat getragen werden.

Gegen Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben der Völker | Extremistische Bestrebungen mit Auslandsbezug richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung bzw. das friedliche Zusammenleben der Völker. Diese Bestrebungen gefährden die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, indem ihre Urheber Gewalt anwenden oder darauf ausgerichtete Handlungen vorbereiten. Obwohl diese Bestrebungen nicht in erster Linie auf die Abschaffung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen, können sie die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden.

Breites Spektrum von Bestrebungen mit Auslandsbezug | Die Art der politischen Agitation zur Umsetzung dieser extremistischen Aktivitäten ist vielfältig. Sie reicht von Demonstrationen und Kundgebungen mit zum Teil gewalttätigem Verlauf bis hin zu Spenden-sammelaktionen und zur logistischen Unterstützung von Konfliktparteien im Herkunftsland. Das schließt die Unterstützung ausländischer terroristischer Gruppierungen ein. Die unterschiedlichen Zielrichtungen ausländerextremistischer Organisationen lassen sich im Wesentlichen unterteilen in

  • nationalistische, rechtsextremistische Bestrebungen,
  • linksextremistische Bestrebungen

sowie

  • ethnisch motivierte Autonomie- bzw. Unabhängigkeitsbestrebungen.

Die Übergänge sind dabei oft fließend.

Personenpotenzial1

Das Personenpotenzial im Extremismus mit Auslandsbezug ist in etwa konstant geblieben. Kleinere extremistische Bestrebungen insbesondere im separatistischen Spektrum haben an personeller Unterstützung verloren oder sich aus Hessen zurückgezogen. Im Bereich des Extremismus mit türkischem Bezug wurden linksextremistische Strukturen und rechtsextremistisch-nationalistische Strukturen berücksichtigt.

Abgebildet ist die Tabelle Personenpotenzial für den Phänomenbereich Extremismus mit Auslandsbezug.
2017 gab es in Hessen 1.500 Personen mit kurdischem Ursprung, bundesweit waren es 14.500. 2016 waren es in Hessen 1.500, bundesweit 14.000 Personen. 2015 waren es in Hessen 1.500, bundesweit 14.000 Personen.
2017 gab es in Hessen 2.725 Personen mit türkischem Ursprung, bundesweit waren es 13.550. 2016 waren es in Hessen 2.725, bundesweit 13.550 Personen. 2015 waren es in Hessen 2725, bundesweit 12.550 Personen.
2017 gab es in Hessen 250 Personen, die dem Bereich Sonstige zuzurechnen waren, bundesweit waren es 2.500. 2016 waren es in Hessen 300, bundesweit 2.500 Personen. 2015 waren es in Hessen 400, bundesweit 2.500 Personen.
Insgesamt gab es in Hessen im Jahr 2017 4.475 Extremisten mit Auslandsbezug, bundesweit waren es insgesamt 30.550. Im Jahr 2016 lag dieses Personenpotenzial in Hessen insgesamt bei 4.525 und bundesweit insgesamt bei 30.050. Im Jahr 2015 lag das Personenpotenzial in Hessen insgesamt bei 4.625 und bundesweit insgesamt bei 29.050

1Die Zahlen sind teilweise geschätzt und gerundet.

Partiya Karkerên Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans)

Definition/Kerndaten

Ursprüngliches Ziel der PKK war es, einen sozialistisch geprägten Staat („Kurdistan“) zu schaffen. Nachdem die strikt hierarchisch aufgebaute Kaderpartei 1984 zur Erreichung dieses Ziels einen blutigen Guerillakrieg gegen die Türkei begonnen hatte, rückte sie seit 1999 zunehmend davon ab. Inzwischen fordert die PKK die Anerkennung der kurdischen Identität und Autonomie. Laut eigenen Aussagen will sie dies vor allem auf politischem Wege erreichen. Seit November 1993 (bestandskräftig seit März 1994) ist die PKK in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt, die EU stuft die PKK seit 2002 als terroristische Organisation ein.

Führung: Abdullah Öcalan (seit 1999 in der Türkei inhaftiert), Remzi Kartal (Vorsitzender des Volkskongresses Kurdistan, Kongreya Gelê Kurdistan, KONGRA GEL), Murat Karayilan (Vorsitzender der Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans, Koma Civakên Kurdistan, KCK)
Anhänger/Mitglieder: In Hessen etwa 1.500, bundesweit etwa 14.500
Bewaffnete Gruppen: Hêzên Parastina Gel (HPG, Volksverteidigungskräfte), Teyrêbazên Azadîya Kurdistan (TAK, Freiheitsfalken Kurdistans)
Syrischer Ableger: Partiya Yekitîya Demokrat (PYD, Partei der demokratischen Union) und deren militärischer Arm Yekîneyên Parastina Gel (YPG, Volksverteidigungseinheiten)
Medien (Auswahl): Yeni Özgür Politika (YÖP, Neue Freie Politik) als Sprachrohr der PKK, Serxwebûn (Unabhängigkeit), Stêrk-TV, Med NUCE-TV
Abgebildet ist das Logo der Arbeiterpartei Kurdistans: auf rechteckigem rotem Untergrund befindet sich in gelber Farbe eine Sonne mit einem Strahlenkranz, der aus kürzeren und längeren Strahlen besteht. In der Mitte der gelben Sonne befindet sich ein roter fünfzackiger Stern.

Ereignisse/Entwicklungen

Die zentrale Großveranstaltung im PKK-nahen Spektrum, das Newroz-Fest, fand im Berichtsjahr in Hessen statt. An der Veranstaltung nahmen rund 30.000 Anhänger teil. Die Sorge um den Gesundheitszustand Öcalans bestimmte in der zweiten Jahreshälfte maßgeblich das Demonstrationsgeschehen der örtlichen PKK-nahen Vereine. Sie führten im Oktober zahlreiche Veranstaltungen in hessischen Innenstädten durch. Die Rekrutierung kurdischer Jugendlicher aus Deutschland zu Kampfeinsätzen in den kurdischen Gebieten des Nahen Ostens ist seit einigen Jahren zu beobachten. Auch in Hessen gab es erneut einen solchen Fall.

Europaweite Newrozfeier 2017 in Frankfurt am Main | Am 18. März fand in Frankfurt am Main die bundesweit zentrale kurdische Newroz-Veranstaltung mit rund 30.000 Teilnehmern statt. Im Vorfeld der Veranstaltung war durch das Bundesministerium des Innern die Liste der verbotenen PKK-Symbole erweitert worden, was von Seiten PKK-naher kurdischer Verbände und Organisationen im In- und Ausland kritisiert wurde.

PKK-Anhänger aus ganz Deutschland und dem benachbarten europäischen Ausland feierten am 18. März in Frankfurt am Main das kurdische Neujahrsfest. Allerdings verlief die Veranstaltung im Berichtsjahr nicht störungsfrei. Der Charakter einer aufgrund der Erfahrungen in den Vorjahren erwarteten „familiären Feier“ wich schnell einer hochpolitischen Großdemonstration. Unterstützt von türkischen und deutschen Linksextremisten und unter Verwendung verbotsrelevanter PKK-Symbolik, nutzten die PKK-Anhänger diese zentrale Newroz-Veranstaltung zu öffentlichkeitswirksamen Anti-Erdoǧan-Protesten und der Werbung für die sogenannte Hayir-Kampagne (dt. Nein) im Hinblick auf das im April abgehaltene Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei. Das provokante Flaggezeigen zog Ermittlungsverfahren nach sich. Den eigentlichen Charakter eines kurdischen Neujahrsfestes entfaltete Newroz in Hessen erst bei mehreren regionalen Veranstaltungen in Gießen (Landkreis Gießen), Darmstadt und Limburg (Landkreis Limburg-Weilburg).

Die erstmals seit Jahren in Hessen durchgeführte zentrale Newroz-Großveranstaltung war bereits im Januar durch das Navenda Civika Demokratîk ya Kurdên li Almanyayê (NAV-DEM, Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.) angemeldet worden. Es wurden zwei Demonstrationszüge durch die Innenstadt und eine Abschlusskundgebung im Europaviertel durchgeführt.

Mit rund 30.000 Teilnehmern (2016: 12.000, 2015: 17.000) war das Newrozfest in Frankfurt am Main eine der größten PKK-nahen Veranstaltungen der letzten Jahre überhaupt und übertraf sogar die Teilnehmerzahl der jeweils im Spätsommer durchgeführten kurdischen Kulturfestivals der letzten Jahre (2016: 12.000 Teilnehmer, 2015: 17.000).

Unter den Teilnehmern waren alle Generationen vertreten, wobei Jugendliche und junge Erwachsene eine deutlich sichtbare Mehrheit bildeten. Neben dem Zeigen verbotener PKK-Symbole sammelten sich im Verlauf der Demonstration vor allem Anhänger der Ciwanên Azad immer wieder in Gruppen, um dann in Sprechchören Parolen zu skandieren. Befürchtete Störungen durch nationalistische Türken blieben aus.

Weitere regionale Newroz-Veranstaltungen in Hessen | Am 20. März kam es in Limburg (120 Teilnehmer, Landkreis Limburg-Weilburg), Gießen (350 Teilnehmer, Landkreis Gießen) und Darmstadt (450 Teilnehmer) zu regionalen und dem Charakter nach traditionellen, kulturell geprägten Newrozfeiern und Fackelmärschen. Vereinzelt wurden verbotene Fahnen festgestellt.

Jahresübergreifende Kampagnen für Öcalan | Im Februar startete die sogenannte Azad-Bike-Kampagne („Mach frei“) in Deutschland. Sie stand offensichtlich im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Verhaftung und Inhaftierung Abdullah Öcalans (15. Februar 1999). In Hessen wurde die Kampagne durch mehrere Plakataktionen in Kassel bekannt bzw. öffentlich. Die Kampagne wurde später im Gesamtzusammenhang der aktuellen Thematik „Freiheit für Kurdistan“ weiter fortgeführt.

Zweck der Kampagne war, das Gedenken an das Schicksal Öcalans wach zu halten. Gerade Spray- und Banneraktionen an markanten Plätzen sowie dazugehörige martialische Videos (Facebook etc.) sind bei kurdischen Jugendlichen ein beliebtes Mittel, ihr politisches Interesse auszudrücken.

Im Rahmen der Azad-Bike-Kampagne zur Forderung nach Freiheit für Abdullah Öcalan führten die kurdischen Jugendorganisationen Ciwanên Azad und Jinên Ciwanên Azad ab dem 9. August europaweite Aktionen durch. So entrollten jugendliche Anhänger der PKK in Kassel vom Dach des örtlichen PKK-nahen Vereins ein großformatiges Transparent mit der Aufschrift „Die Freiheit von A. Öcalan ist auch unsere Freiheit“. In Darmstadt, Frankfurt am Main und Korbach (Landkreis Waldeck-Frankenberg) fanden am 12. August unter dem Motto „Freiheit für Öcalan“ Kundgebungen statt, die von etwa 50 bis 180 Personen besucht wurden.

Für den 1. September meldete das Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Darmstadt e. V. eine Kundgebung unter dem Motto „Stoppt den Krieg in Kurdistan, Freiheit für Abdullah Öcalan“ an. An der Veranstaltung nahmen etwa 25 Personen teil. Am 9. September fanden in Darmstadt und Frankfurt am Main Demonstrationen mit dem Thema „Freiheit für Öcalan“ statt. Die Teilnehmerzahlen beliefen sich auf 200 bzw. 150 Personen.

Demonstrationen zum Gesundheitszustand Öcalans | Aus Sorge um den Gesundheitszustand Öcalans führten die örtlichen PKK-nahen Vereine im Oktober zahlreiche Veranstaltungen in hessischen Innenstädten durch.

Allein das in der Szene kursierende Gerücht über eine Verschlechterung des Gesundheitszustands Öcalans hatte genügt, europaweit zahlreiche Sympathisanten der PKK auf die Straße zu bringen. In mehreren hessischen Städten mit örtlichem PKK-nahen Verein fanden hierzu Veranstaltungen statt. Die Demonstrationen und Kundgebungen verliefen friedlich.

Abdullah Öcalan, der ideologische Anführer der PKK, ist seit dem Jahr 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer (Türkei) inhaftiert. Er wurde in einem Prozess zum Tode verurteilt. Später wurde dies in lebenslange Haft umgewandelt.

Verfassungsreferendum | Am 16. April stimmte die türkische Bevölkerung über eine Verfassungsänderung ab, die die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei und eine Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten bewirken sollte. In Deutschland durften knapp 1,5 Millionen Türken abstimmen.

PKK-nahe Vereine in Hessen wandten sich in öffentlichen Veranstaltungen gegen die Annahme des Referendums. Der örtliche PKK-nahe Verein in Rüsselsheim am Main (Kreis Groß-Gerau), das Kurdisch-Demokratische Gemeinschaftszentrum e. V., zeichnete hierbei am 25. März für die größte Informationsveranstaltung mit rund 300 Teilnehmern verantwortlich.

Rekrutierungen | Die Rekrutierung kurdischer Jugendlicher zu politischen oder militärischen Ausbildungszwecken ist seit Jahren gängige Praxis innerhalb der PKK bzw. ihrer Jugendorganisation Ciwanên Azad. Das jährlich statt-findende Kurdistanfestival (im Berichtsjahr mit 14.000 Teilnehmern in Köln, Nordrhein-Westfalen) dient dabei als ein Treffpunkt vor einer möglichen Ausreise zum Kampfeinsatz.

Ähnlich den Ausreisefällen deutscher Jugendlicher zu Kampfeinsätzen für den IS in Syrien und im Irak sind seit 2013 auch Ausreisefälle kurdischer Jugendlicher zum Einsatz mit den kurdischen Peschmerga – unter Beteiligung der PKK – gegen den IS in Kobane (Syrien) und in Sengal (Irak) zu beobachten. Auch in Hessen gab es seither mehrere solcher Fälle. So wird seit September eine junge deutsche Staatsangehörige kurdischer Herkunft im Bereich Nordhessen/Niedersachsen vermisst. Die Zwanzigjährige galt als Aktivistin der kurdischen Jugend im PKK-Gebiet Kassel.

Von Rückkehrern aus politischen oder militärischen PKK-Schulungscamps ging im Berichtsjahr – im Gegensatz zu IS-Angehörigen – keine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit Deutschlands aus.

Erweiterung des Betätigungsverbots

PKK-Verbotserweiterung | Mit Erlass vom 2. März aktualisierte und erweiterte das Bundesministerium des Innern seine Bewertung der derzeit verwendeten Organisationsbezeichnungen und der hieraus folgenden Kennzeichen der PKK. In dieser Neufassung der verbotenen PKK-Kennzeichen werden unter anderem auch die syrische PYD als sogenannte Ablegerpartei der PKK und deren militärischer Arm Yekîneyên Parastina Gel/Jin (YPG/YPJ, Volksverteidigungseinheiten) sowie die PKK-Jugendorganisation Ciwanên Azad (Freie Jugend) und die PKK-Studierendenorganisationen Yekîtiya/Jinên Xwendekarên Kurdistan (YXK/JXK, Verband der Studierenden aus Kurdistan) aufgeführt. Deren Symbole können bei Kundgebungen mit nachweislichem PKK-Kontext geeignet sein, einen Verstoß gegen das Vereinsgesetz darzustellen. Grundlage hierfür war die Verbotsverfügung des Bundesministerium des Innern vom 22. November 1993. Diese verbietet, Kennzeichen der PKK und deren Teilorganisation Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê (ERNK, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) öffentlich zu verwenden. Davon betroffen sind auch die zahlreichen Unter- und Teilorganisationen im Einflussbereich der PKK unbeschadet ihrer scheinbaren organisatorischen Selbstständigkeit, denn diese handeln – bestätigt durch die Rechtsprechung des -Bundesgerichtshofs – tatsächlich ausschließlich abhängig von den Vorgaben der Gesamtorganisation. Darüber hinaus hat die strafgerichtliche Rechtsprechung für einige dieser Organisationen eine Zuordnung als Teilorganisation der PKK ausdrücklich vorgenommen, so für die HPG und die TAK sowie für die PKK-Jugendorganisation Ciwanên Azad. Beide Entscheidungen sind rechtskräftig.

Die PKK-Anhänger wichen inzwischen zunehmend auf Symbole aus, die – für sich genommen – zunächst keinen unmittelbaren Bezug zur PKK aufweisen, so zum Beispiel eine Fahne mit dem Abbild des Parteigründers Abdullah Öcalan auf gelbem oder grüngelbem Grund. Aufgrund eines erheblichen Emotionalisierungseffektes bei Versammlungen sind diese Fahnen aber in besonderer Weise dazu geeignet, den Zusammenhalt von Sympathisanten der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten PKK zu fördern und diesen nach außen hin unübersehbar zu demonstrieren, weshalb sie ebenfalls dem Verbot unterliegen.

Nach Bekanntwerden des erweiterten Kennzeichenverbots zeigten sich die PKK-Anhänger und die betroffenen Teilorganisationen empört. Der YXK äußerte in einer Stellungnahme, das Verbot ihrer Flaggen und Symbole entziehe sich jeglicher Rechtsstaatlichkeit. Das Verhalten der deutschen Bundesregierung zeige ihre enorme politische Abhängigkeit vom Erdoǧan-Regime. Ähnlich reagierte das NAV-DEM in einer Presseerklärung. Das Verbot der Symbole der kurdischen Freiheitsbewegung komme einem Verbot der kurdischen Identität gleich. Zudem wurde das Bundesministerium des Innern zur Rücknahme der „absurden Entscheidung“ aufgefordert. Auch hessische PKK-nahe Gruppen kritisierten die Erweiterung der Liste verbotener PKK-Symbole.

Entstehung/Geschichte

Terror in der Türkei – Verurteilung Öcalans | 1978 als eine Partei mit marxistisch-leninistischer Ausrichtung gegründet, suchte die PKK mit ihren bewaffneten Einheiten seit dem 15. August 1984 die Auseinandersetzung mit dem türkischen Militär. Den Kampfhandlungen fielen seitdem mehrere zehntausend Menschen zum Opfer. 1998 entzog Syrien auf massiven Druck der Türkei dem PKK-Anführer Abdullah Öcalan die Unterstützung und veranlasste ihn, sein dortiges Exil aufzugeben. Nach verschiedenen Aufenthalten in Europa und Afrika wurde Öcalan am 15. Februar 1999 in Kenia festgenommen und in die Türkei gebracht. Am 29. Juni 1999 vom Staatssicherheitsgericht in Ankara zum Tode verurteilt – die Strafe wurde mit Abschaffung der Todesstrafe am 3. Oktober 2002 in lebenslange Haft umgewandelt –, befindet sich Öcalan seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft. Für die PKK gilt der 15. Februar 1999 als „schwarzer Tag in der Geschichte des kurdischen Volkes“, sie spricht in diesem Zusammenhang von einem „internationalen Komplott“.

Umbenennungen der PKK | 2002 benannte sich die PKK in Kongreya Azadî û Demokrasiya Kurdistanê (KADEK, Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans) um. 2003 folgte die Umbenennung in KONGRA GEL. Damit versuchte die PKK, sich von der „Stigmatisierung“ als Terrororganisation zu befreien und sich als politisch neuausgerichtete Organisation zu präsentieren.

Die unterschiedlichen Bezeichnungen der letzten Jahre hinsichtlich der Struktur und der personellen Zusammensetzung führten zu keinen grundsätzlichen Umgestaltungen der PKK. Die Ursprungsorganisation bestand im Wesentlichen fort. 2005 gründete sich die KCK, die sich die Verwirklichung des „demokratischen Konföderalismus“ zum Ziel gesetzt hat. Darunter versteht die PKK einen nichtstaatlichen Verbund aller Kurden in der Türkei, in Syrien, im Iran und Irak, den sie mit eigenen Regierungsorganen und mit dem Anspruch einer eigenen Staatsbürgerschaft versieht. Die staatlichen Grenzen der Länder, in denen Kurden leben, sollen in diesem virtuellen Verbund unangetastet bleiben.

PKK und KCK sind im Wesentlichen strukturell identisch. In der Binnenkommunikation sprechen Funktionäre, Mitglieder und Anhänger – unbeschadet aller jeweils aktuellen Bezeichnungen der Organisation – seit jeher von PKK. Im Außenverkehr tituliert sich die PKK hingegen, wenn sie ihr organisatorisches Ganzes meint, als KCK. Der KONGRA GEL ist das höchste Entscheidungsgremium der PKK. Er nimmt für sich parlamentarische Funktionen in Anspruch und stellt sich als ein Organ interner Meinungsbildung und Beschlussfassung dar.

Umfeld der PKK | Mit der PKK verbunden sind die PYD in Syrien sowie die Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (PJAK, Partei für ein freies Leben in Kurdistan) und die Partiya Çareseriya Demokratik a Kurdistanê (PÇDK, Partei für eine politische Lösung in Kurdistan) im Irak. Als Schwesterparteien wollen sie die Interessen von Kurden vertreten.

Die Umsetzung von PKK-Positionen erfolgt insbesondere über eigene Medienstrukturen. Neben einem PKK-Fernsehsender (Stêrk-TV/Med NUCE-TV) gibt es eine eigene PKK-nahe Nachrichtenagentur (Firatnews Agency, ANF, mit Sitz in den Niederlanden) sowie diverse Zeitungen und Zeitschriften (unter anderem die vom Verbot nicht betroffene YÖP, die in Neu-Isenburg im Landkreis Offenbach erscheint, Serxwebun und Ciwanên Azad – Freie Jugend).

Ideologie/Ziele

Siedlungsverbund – Autonomie in der Türkei | Ziel der terroristischen PKK war ursprünglich die staatliche Unabhängigkeit der auf mehrere Staaten im Nahen Osten zersplitterten kurdischen Siedlungsgebiete. Der kurdische Staat sollte in der Türkei aus Südostanatolien, Regionen im Nordosten Syriens („Rojava“), Gebieten im Norden des Irak und Gebieten Westirans bestehen. Die PKK behauptet, dieses Anliegen zugunsten eines einheitlichen länderübergreifenden Siedlungsverbunds aller Kurden aufgegeben zu haben, in dessen Rahmen die Grenzen der betroffenen Staaten Bestand haben sollen.

Was die in der Türkei lebenden Kurden betrifft, kämpft die PKK für die staatliche Anerkennung ihrer Identität, die in Südostanatolien mittels eines Autonomiestatus – ähnlich der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak – verwirklicht werden soll. Im Zuge des syrischen Bürgerkrieges und der bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem IS streben die PKK und ihr syrischer Ableger PYD auch im Norden Syriens nach Autonomie. In den vom IS befreiten, überwiegend von Kurden besiedelten nördlichen Kantonen Syriens, von Cizîre über Kobane bis Afrin, zeichneten sich bereits Strukturen einer gewissen Autonomie ab. Diese waren allerdings noch weit von jeglicher politischer oder eigenstaatlicher Relevanz entfernt und existierten im Berichtsjahr nur aufgrund der politisch instabilen Lage im Bürgerkriegsland Syrien.

Am 25. September fand in der Autonomen Region Kurdistans im Nordirak ein Referendum zur vollständigen Unabhängigkeit vom Irak statt. Die Durchführung des Referendums war umstritten. Die irakische Zentralregierung wie auch die Türkei reagierten mit scharfer Kritik. Vor allem die Türkei war militärisch bemüht, weder einen autonomen kurdischen Staat im Nordirak noch einen geschlossenen kurdischen Korridor entlang der syrisch-türkischen Grenze entstehen zu lassen. Dabei spielte es für die türkische Regierung keine wirkliche Rolle, ob Kurden Teilautonomie oder tatsächliche Eigenstaatlichkeit auf dem Gebiet Syriens (und des Irak) anstreben. Seitens der Türkei wurde auch nicht zwischen PKK und der von der westlichen Allianz unterstützten PYD unterschieden.

Öcalan als ideologische Führungsfigur | Der in der Türkei inhaftierte Abdullah Öcalan fungiert weiterhin als ideologische Führungsfigur der Terrororganisation. Die anhaltende Sorge um seinen Gesundheitszustand und seine weitgehende Isolation treiben die kurdische Diaspora weiter um. Demonstrationsserien und diverse Kampagnen spiegelten dies in Hessen im Berichtsjahr wider.

Strukturen

Zahlreiche Teilorganisationen trugen die Aktivitäten der PKK:

  • Propaganda- bzw. Frontorganisation (politischer Arm): Koordînasyona Civaka Demokratîk a Kurdistan (CDK, Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft), Sitz unbekannt.
  • Dachorganisation für Europa: Kongreya Civakên Demokratîk a Kurdîstanîyên Ewrupa (KCD-E, Kurdischer Demokratischer Gesellschaftskongress in Europa), ehemals Konfederasyona Komelên Kurd li Avrupa (KON-KURD, Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa), Sitz in Brüssel.
  • Dachorganisation für Deutschland: NAV-DEM, Sitz in Düsseldorf, mit – nach eigenen Angaben – bundesweit 45 Vereinen. In Hessen waren zehn Vereine der NAV-DEM angeschlossen und gelten somit als PKK-nah. Diese hatten ihren Sitz in Darmstadt, Frankfurt am Main, Gießen (Landkreis Gießen), Limburg (Landkreis Limburg-Weilburg), Wiesbaden, Hanau (Main-Kinzig-Kreis), Offenbach am Main, Rüsselsheim am Main (Kreis Groß-Gerau), Bensheim (Kreis Bergstraße) und Kassel. Bei der NAV-DEM handelt es sich um die Nachfolgeorganisation der Yekitîya Komalên Kurd li Elmanya (YEK-KOM, Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V.). Die Umbenennung wurde im Juni 2014 beschlossen. Die in diesem Zusammenhang ebenfalls geplante einheitliche unverfängliche Bezeichnung der Mitgliedsvereine in Kurdische Demokratische Gesellschaftszentren (oder ähnlich) hat sich bislang nicht durchgängig in den jeweiligen Vereinsregistern niedergeschlagen. Bisher haben fünf hessische Vereine die Umbenennung offiziell vollzogen.
  • Neben der Struktur der im NAV-DEM organisierten PKK-nahen Vereine ließen sich in Hessen aus diesen Vereinen heraus folgende vier sogenannten Frauenvereine offiziell in die jeweiligen Vereinsregister eintragen:
    • Frauenrat Amara Frankfurt am Main e. V.
    • Sara kurdischer Frauenrat Offenbach e. V.
    • Nujin kurdischer Frauenrat e. V.
    • Roza Kurdischer Frauenrat Darmstadt e. V.
  • In Gießen firmierte zudem der Bercem – Frauenrat Gießen mit eigener Internetpräsenz, ohne allerdings im Vereinsregister eingetragen zu sein. Die Frauenräte und -vereine waren Teil der Massenorganisationen der PKK und nutzten wie die Jugendgruppen die örtlichen Räumlichkeiten PKK-naher Vereine.

Für bestimmte Zielgruppen unterhielt die PKK sogenannte Massenorganisationen, zum Beispiel:

  • Ciwanên Azad (Freie Jugend), ehemals Koma Komalen Ciwanen Demokratik A Kurdistan (Komalên Ciwan, Vereinigung der demokratischen Jugendlichen; Umbenennung in 2014),
  • Jinên Ciwanên Azad (Bewegung junger Frauen),
  • Koma Jinen Bilind (KJB, Union der stolzen Frauen – Dachverband der Frauenverbände),
  • YXK (Verband der Studierenden aus Kurdistan), neu ist seit 2016 die öffentliche Unterscheidung zwischen dem YXK und JXK (Jinen Xwendekarên Kurdistan, Studierende Frauen aus Kurdistan). Die JXK verfügt in Hessen über (Facebook-)Ortsgruppen in Marburg, Kassel und Frankfurt/Rhein-Main.
  • Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e. V. (Civaka Azad),
  • Tevna Akademîsyenên Kurd (KURD-AKAD, Netzwerk kurdischer AkademikerInnen e. V.),
  • Heyva Sor a Kurdistanê (HSK, Kurdischer Roter Halbmond),
  • Yekitiya Kardaren Kurt Li Ewropa (YKK, Verband der kurdischen Arbeitgeber in Europa)/Association of Kurdish Employers in Europe (AKEE), Sitz in Frankfurt am Main.

Bewertung/Ausblick

Nicht nur das Newroz-Fest, sondern immer wieder auch die Kristallisationsfigur der PKK, Öcalan – ihres trotz Inhaftierung weiter uneingeschränkt als Anführer akzeptierten Vorsitzenden „Apo“ (kurdische Bezeichnung für „Onkel“) –, zeigen die hohe Mobilisierungsfähigkeit des PKK-Umfeldes. Öcalan ist Triebfeder nahezu aller PKK-nahen Demonstrationslagen in Deutschland und Hessen. Die Spontandemonstrationen im Oktober anlässlich seines Gesundheitszustandes zeigten, dass die PKK-Sympathisanten in Hessen jederzeit und insbesondere bei diesem Thema in der Lage sind, innerhalb weniger Stunden eine hohe Anzahl von Personen zu mobilisieren. Nach wie vor bilden sich für die PKK nachteilige Geschehnisse in der Türkei zeitnah in der kurdischen Diaspora in Form von demonstrativen – zunehmend spontanen – Aktionen ab.

Zugleich kritisierten PKK-nahe Vereine und Verbände die Ausweitung der gegen die PKK erlassenen Verbotsverfügung um weitere verbotene Symbole. Darauf reagierten Anhänger zum einen kreativ, indem sie veränderte oder neue Symboliken nutzten, die von diesem Verbot nicht umfasst sind. Zum anderen wurden verbotene Symbole auch bewusst provokativ bei Veranstaltungen eingesetzt, um deutlich zu machen, dass diese Verbotserweiterung als Angriff auf die PKK und als Ergebnis einer protürkischen Haltung der Bundesregierung eingeschätzt wurde.

Die Anziehungskraft von Veranstaltungen, die von PKK-Anhängern oder ihren nahestehenden Verbänden und Vereinen organisiert werden, hat vor diesem Hintergrund zugenommen. Ein anhaltend hohes Teilnehmerniveau ist in Zukunft zu erwarten.

Ob die seit Jahren propagierte Doppelstrategie – gewaltfrei in der Diaspora, aber Unterstützung auch gewalttätiger Aktionen in den kurdischen Gebieten – weiter Bestand hat, muss sich zeigen. Bislang versuchte das PKK-Umfeld, die positive öffentliche Berichterstattung und mediale Darstellung der vergangenen Jahre, „Verteidiger der kurdischen und yezidischen Zivilbevölkerung gegen den IS“ zu sein, für sich zu nutzen. Die Bemühungen um die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots werden immer intensiver und auch die Hoffnung auf eine kurdische Autonomieregion – wie im Nordirak nun auch in Nordsyrien – bleibt für die PKK ein realistisches Ziel. Gewalttätige Auseinandersetzungen in Deutschland und Europa würden diesen Bemühungen zuwiderlaufen.

Die militärischen Aktivitäten der Türkei im Norden Syriens könnten eine Veränderung der Doppelstrategie bewirken. Die politische Entwicklung in der Türkei bzw. das Verhalten der türkischen Regierung gegenüber politischen Gegnern, insbesondere gegenüber PKK-Strukturen zum Beispiel in Syrien, dürften zu einer deutlichen Intensivierung der demonstrativen Aktionen beitragen. Bei einer verschärften Situation ist mit Angriffen auf türkische Einrichtungen auch in Deutschland zu rechnen.

Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi (DHKP-C, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front)

Definition/Kerndaten

In der Türkei war die DHKP-C terroristisch aktiv und warb für den bewaffneten „Volkskampf“, während sie in Deutschland nach wie vor gewaltfrei agierte. Die Gewaltverzichtserklärung aus dem Jahr 1999 hatte Bestand. Darin heißt es: „Die DHKP-C wird ihren Kampf gegen die unrechtmäßige Verbotsmaßnahme in Deutschland fortsetzen – offen, demokratisch und gewaltfrei. Insbesondere wird in Deutschland keine Gewalt gegen türkische Institutionen ausgeübt“. Die sogenannte Rückfront in Westeuropa diente der Terrororganisation vor allem dazu, Gelder für ihre Aktivitäten in der Türkei zu beschaffen. Seit 2002 steht die DHKP-C auf der EU-Liste terroristischer Organisationen.

Führung: Funktionärsgruppe (nach dem Tod von Dursun Karataş wurde kein neuer Generalsekretär benannt)
Anhänger/Mitglieder: In Hessen etwa 75, bundesweit etwa 650
Medien (Auswahl): Devrimci Sol (Dev Sol, Revolutionäre Linke), Yürüyüş (Marsch)
EuropäischerDachverband: Avrupa Türk Konfederasyon (ATK, Türkische Konföderation in Europa), Sitz in Frankfurt am Main
Abgebildet ist das Logo der Anatolischen Föderation. Auf rechteckigem rotem Untergrund befindet sich in gelber Farbe eine halbe Sonne mit einem Strahlenkranz, der aus kürzeren und längeren Strahlen besteht. In der nur zur Hälfte abgebildeten Sonne befinden sich Ornamente. Abgebildet ist das Logo der Volksbefreiungsfront. Auf rechteckigem rotem Untergrund befindet sich in gelber Farbe ein fünfzackiger Stern, in dem sich wiederum in roter Farbe ebenfalls ein fünfzackiger Stern befindet. Abgebildet ist das Logo der Volksbefreiungspartei. Auf rechteckigem rotem Untergrund befindet sich in gelber Farbe ein Kreis. Darin befindet sich in roter Farbe ein fünfzackiger Stern, in dem sich wiederum in gelber Farbe Hammer und Sichel befinden.

Ereignisse/Entwicklungen

Die Anhänger der DHKP-C waren in Hessen kaum organisiert. Dennoch kam es in Frankfurt am Main und in Darmstadt regelmäßig zu Veranstaltungen, die der Partei zugerechnet werden können.

„Märtyrergedenken“ und „Gefangenensolidarität“ | Nachdem im Dezember 2016 der mutmaßliche Europaleiter in Hamburg festgenommen worden war, kam es im Laufe des Berichtsjahres immer wieder zu Solidaritätsveranstaltungen im gesamten Bundesgebiet. Der „lange Marsch“ mit Veranstaltungen in verschiedenen Städten thematisierte die Festnahme und forderte die Freilassung.

Nach dem Putschversuch 2016 in der Türkei wurden viele Staatsbedienstete entlassen, da ihnen eine Beteiligung am Staatsstreich oder eine Verbindung zu einer extremistischen bzw. terroristischen Gruppierung vorgeworfen wurde. Auch mehrere in Deutschland lebende Aktivisten saßen in türkischen Gefängnissen. Im Berichtsjahr beschäftigte sich die DHKP-C besonders stark mit dem Fall zweier Akademiker, die nach dem Putsch ihre Anstellung verloren hatten. In der Türkei und in Europa gab es mehrere Solidaritäts- bzw. Protestveranstaltungen. Beiden Personen wird die Mitgliedschaft in der DHKP-C vorgeworfen. In Frankfurt am Main und in Darmstadt fanden mehrere Solidaritätskundgebungen und Informationsstände statt. Flyer wurden verteilt und Unterschriften zur Freilassung gesammelt. Bei einer Kundgebung am 5. August in Frankfurt am Main nahm der Vorsitzende des Deutschen Freidenker Verbands e. V., Landesverband Hessen, teil und verteilte Flyer zu einer bevorstehenden Veranstaltung des Frankfurter Solidaritätskomitees für Syrien. Bei dieser trat am 2. September eine kleine Delegation von Grup Yorum auf.

Grup-Yorum-Konzert | Die zum Propagandanetzwerk der DHKP-C gehörende türkische Musikgruppe Grup Yorum trat anlässlich ihres sechsten großen Europakonzertes am 17. Juni in Fulda (Landkreis Fulda) auf. Bei dem „Fest der Völker“ spielten weitere Musiker und Bands. Mit ca. 2.000 Teilnehmern war die Veranstaltung im Vergleich zu Konzerten in den Vorjahren in Nordrhein-Westfalen deutlich schlechter besucht.

Angemeldet hatte das Festival der Deutsche Freidenker Verband e. V., der öffentlich als Organisator auftrat. Ursprünglich war das Messegelände in Fulda angemietet worden. Nachdem bekannt wurde, dass unter anderem die bekannte DHKP-C-nahe Musikband Grup Yorum auftreten sollte, kündigte die Stadt Fulda den Mietvertrag auf. Die Veranstaltung wurde unter Auflagen letztlich vor dem Stadion durchgeführt. Beim Festival selbst wurden in den Redebeiträgen und an den Infoständen Bezüge zur DHKP-C offensichtlich.

Im September startete die Kampagne „Lieder kennen keine Verbote“, mit der gegen die Verhinderung von Konzerten von Grup Yorum und gegen Einreiseverbote für Musiker dieses Musikkollektivs protestiert wurde. Im Rahmen der Kampagne fanden kleinere Konzerte in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) und in Stuttgart (Baden-Württemberg) statt.

Entstehung/Geschichte

Die DHKP-C wurde 1994 als Nachfolgeorganisation der seit 1983 in Deutschland verbotenen Dev Sol gegründet. Auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus spricht sich die DHKP-C nach wie vor für einen revolutionären Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei aus und strebt die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft an. Sie propagiert einen bewaffneten Volkskampf unter ihrer Führung und führt in der Türkei immer wieder auch Selbstmordanschläge durch. Die EU hat die in Deutschland seit 1998 verbotene Organisation im Jahr 2002 als terroristische Organisation eingestuft. Ähnlich wie das Publikationsorgan der DHKP-C, Yürüyüş, dessen Verbreitung seit 2015 durch das Bundesinnenministerium verboten ist, gilt auch die Musikband Grup Yorum als fest mit der Organisation verbunden.

Grup Yorum (Yorum bedeutet Interpretation oder Kommentar) wurde 1985 als Reaktion auf die Entpolitisierungs- und Einschüchterungspolitik nach dem Militärputsch 1980 von türkischen Studenten gegründet. Laut eigener Beschreibung habe sie ein „revolutionär-sozialistisches Musikverständnis“ und sei „die Stimme des Volkes“. Unter diesem Motto werden europaweit Konzerte durchgeführt, auf denen Verbindungen zur DHKP-C offensichtlich werden.

Ideologie/Ziele

Die DHKP-C richtet ihre Aktivitäten darauf aus, den türkischen Staat mit Gewalt zu zerschlagen und durch ein marxistisch-leninistisches Regime unter ihrer Kontrolle zu ersetzen. Ihr Ziel ist die Errichtung einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft.

Bewertung/Ausblick

Deutschland gilt innerhalb der EU als wichtiger finanzieller und logistischer Rückzugsraum der DHKP-C. Neben den jährlichen Spendenkampagnen dienen auch die Einnahmen aus den Grup-Yorum-Konzerten zur Finanzierung der Organisation. Deutschland wird als Vorbereitungsraum für terroristische Anschläge in der Türkei genutzt, ist selbst aber bisher nicht Ziel von Gewaltaktionen.

Die DHKP-C versucht unter dem Deckmantel gesellschaftspolitisch konsensfähiger Themen (Antirassismus-Kampagnen, Gedenkveranstaltungen für die Opfer des sogenannten Gezi-Auf-standes 2013 in Istanbul, Solidaritätsaktionen für politische Gefangene in der Türkei etc.) neue Anhänger zu mobilisieren. Im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen in der Türkei besteht eine hohe Emotionalisierung innerhalb der Organisation.

Die Konzerte der Musikband Grup Yorum dienen der Rekrutierung neuer Anhänger. Das Besucherspektrum, insbesondere musikaffine Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund, geht deutlich über die engere Anhängerschaft der DHKP-C hinaus. Für die DHKP-C stellt dies ein ideales Publikum für ein Programm aus Musik und Ideologie dar. Gerade dies macht die Gefahr aus, die von Veranstaltungen dieser Art ausgeht.

Straf- und Gewalttaten

Die Zahl der extremistischen Straf- und Gewalttaten im Phänomenbereich des Extremismus mit Auslandsbezug erhöhte sich in Hessen deutlich von 71 im Jahr 2016 auf 118. Zugleich reduzierte sich die Zahl der Gewalttaten deutlich auf eine (im Jahr 2016 waren es zehn). Diese Entwicklung war insbesondere auf zwei Aspekte zurückzuführen: Zum einen konnten durch die Erweiterung des Verbotserlasses gegen die PKK Unterstützungshandlungen (in der Regel Propagandadelikte) für die mit einem Betätigungsverbot belegte Vereinigung nunmehr auch vermehrt strafrechtlich verfolgt werden. Zum anderen ist die Anzahl der Gewalttaten im Jahr 2016 auch den unmittelbar folgenden Auswirkungen des damaligen gescheiterten Putsches in der Türkei auf die Szene in Deutschland geschuldet. (Siehe im Glossar und Abkürzungsverzeichnis unter dem Stichwort Politisch motivierte Kriminalität zur Erfassung politisch motivierter Straf- und Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund.)

Abgebildet ist die Tabelle Straf- und Gewalttaten für den Phänomenbereich Extremismus mit Auslandsbezug. In der linken Spalte stehen die Deliktarten. Die weiteren drei Spalten enthalten Zahlenangaben zu den Deliktarten jeweils für die Jahre 2017, 2016 und 2015.
In den Jahren 2017, 2016 und 2015 gab es keine Tötung.
In den Jahren 2017, 2016 und 2015 gab es keine versuchte Tötung.
Im Jahr 2017 gab eine Körperverletzung, im Jahr 2016 gab es 6 Körperverletzungen, im Jahr 2015 gab es 6.
Im Jahr 2017 gab es kein Delikt im Bereich Brandstiftung/Sprengstoffdelikte, im Jahr 2016 gab es 3 Delikte, im Jahr 2015 gab es kein Delikt.
Im Jahr 2017 gab es kein Delikt im Bereich Landfriedensbruch, im Jahr 2016 gab es ein Delikt, im Jahr 2015 gab es ein Delikt.
In den Jahren 2017, 2016 und 2015 gab es keine Delikte im Bereich gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr.
Im Jahr 2017 gab es kein Delikt im Bereich Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte, im Jahr 2016 gab es kein Delikt, im Jahr 2015 gab es ein Delikt.
Die Anzahl dieser Gewalttaten betrug im Jahr 2017 insgesamt ein Delikt, im Jahr 2016 10 Delikte und im Jahr 2015 8 Delikte.
Darüber hinaus kam es zu weiteren, sogenannten sonstigen Straftaten.
Im Jahr 2017 gab es 8 Delikte im Bereich Sachbeschädigung, im Jahr 2016 gab es 13 Delikte, im Jahr 2015 gab es 17 Delikte.
Im Jahr 2017 gab es 2 Delikte im Bereich Nötigung/Bedrohung, im Jahr 2016 gab es kein Delikt, im Jahr 2015 gab es 2 Delikte.
Im Jahr 2017 gab es 107 Delikte im Bereich andere Straftaten (insbesondere Propagandadelikte), im Jahr 2016 gab es 48 Delikte, im Jahr 2015 gab es 34 Delikte.
Insgesamt betrug die Anzahl der Straf- und Gewalttaten im Bereich Extremismus mit Auslandsbezug in Hessen im Jahr 2017 118. Im Jahr 2016 waren es 71 und im Jahr 2015 61 Straf- und Gewalttaten.
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