Verfassungsschutz in Hessen

Bericht 2020

Reichsbürger und Selbstverwalter

Reichsbürger und Selbstverwalter

Unter der Bezeichnung Reichsbürger und Selbstverwalter fasst der Verfassungsschutz Gruppierungen und Einzelpersonen zusammen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen das Grundgesetz, die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem, die Staatsorgane und die demokratisch gewählten Repräsentanten nicht anerkennen und ihnen die Legitimation absprechen. Reichsbürger propagieren das Fortbestehen eines historischen Deutschen Reichs, Selbstverwalter erfinden Fantasiestaaten und beanspruchen für sich ein von der Bundesrepublik Deutschland unabhängiges Territorium. Insgesamt erkennen Reichsbürger und Selbstverwalter die Bundesrepublik nicht als Staat an. Sie verstehen sich als außerhalb der Rechtsordnung stehend und fordern Behörden sowie Gerichte auf, geltendes Recht nicht anzuwenden.

Darüber hinaus können sich Bestrebungen von Reichsbürgern und Selbstverwaltern auch gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. Wenn solche Aktivitäten mit gebietsrevisionistischen Forderungen verbunden sind, steht dies nicht mit dem Gedanken der Völkerverständigung in Einklang. Insgesamt sind Reichsbürger und Selbstverwalter in hohem Maße bereit, gegen Gesetze zu verstoßen. Um die eigene Weltanschauung zu verbreiten, sich auszutauschen und sich in Einzelfällen auch zu vernetzen, ist das Internet das vornehmliche Medium der Reichsbürger und Selbstverwalter. Mittels Webseiten, YouTube-Kanälen oder Präsenzen auf Social-Media-Plattformen prangert die Szene angebliche Missstände sowie deren angebliche Verursacher an und verbreitet, teilt und diskutiert vermeintliche Lösungs- und Argumentationshilfen. Auch außerhalb des virtuellen Raumes versucht die Szene ihre Ideologie in die Öffentlichkeit zu tragen und Stellung zu einzelnen Sachverhalten zu beziehen, etwa durch Demonstrationen, Kundgebungen oder Rundschreiben. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachten die Reichsbürger und Selbstverwalter seit dem 22. November 2016 in Gänze.

Angehörige: In Hessen etwa 1.000 , bundesweit etwa 20.000
Medien: Internetpräsenzen
Auf einen Blick
  • Heterogene Szene
  • Rechtsextremistische Positionen innerhalb der Szene
  • Personenpotenzial
  • Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse
  • Widerstand gegen Staat und Verwaltung
  • „Malta-Masche“
  • Deliktfelder
  • Gefährdungsbewertung

Heterogene Szene | Die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter weist einen hohen Grad an Heterogenität auf, die sich sowohl in einer Vielzahl an Gruppierungen und Einzelpersonen als auch in einem breiten Spektrum an Weltanschauungen widerspiegelt. So umfasst die Szene Verschwörungstheoretiker, ideologisierte Rechtsextremisten, Leichtgläubige, finanziell Gescheiterte und sogenannte Milieumanager, die vornehmlich kommerzielle Ziele verfolgen.

Verschwörungstheoretiker sind davon überzeugt, dass die Bundesrepublik Deutschland kein souveräner Staat, sondern lediglich eine fremdbestimmte Kolonie respektive ein kommerziell ausgerichtetes Wirtschaftsunternehmen sei. Kontrolliert würden diese Gebilde von den Alliierten, Einzelpersonen oder Geheimlogen. Neben verschwörungsideologischen Positionen finden sich geschichtsrevisionistische, fremdenfeindliche, rassistische, antisemitische sowie fundamentalistisch-christliche und esoterische Positionen wieder. Personen, die durch den Vertrieb von Fantasiedokumenten oder durch das Anbieten von Rechtsberatungen, Seminaren und Schulungen versuchen, aus der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter finanziellen Profit zu schlagen, werden innerhalb des Phänomenbereichs den „Milieumanagern“ zugerechnet.

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Ansichten und Beweggründe ist die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter als strukturarm zu bezeichnen. Zwar gab es vereinzelt Sympathiebekundungen für überregional aktive Szenegruppierungen, allerdings keine innerhalb der Szene allgemein anerkannten Strukturen oder Organisationen. Auch regional ließen sich in Hessen keine Schwerpunkte feststellen.

Rechtsextremistische Positionen innerhalb der Szene | In der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter wird sichtbar, wie verschiedene Versatzstücke einzelner Verschwörungsideologien für die eigene Weltsicht herangezogen und nutzbar gemacht werden. Zwar ist die Szene ihrem Wesen nach nicht originär rechtsextremistisch, dort, wo jedoch antisemitische, rassistische und nationalistische Argumentationsmuster aufeinandertreffen, sind die Anhänger entsprechender Positionen als rechtsextremistisch zu bewerten. Für Hessen ist eine untere dreistellige Anzahl an Personen bekannt, die sowohl als Reichsbürger als auch als Rechtsextremisten bewertet werden.

Personenpotenzial | Das mit Stand zum 31. Dezember 2020 den Sicherheitsbehörden bekannte Personenpotenzial von rund 1.000 Reichsbürgern und Selbstverwaltern in Hessen unterschied sich von dem anderer extremistischer Phänomenbereiche auch durch seine Zusammensetzung. Waren andere Extremisten häufig junge Erwachsene oder befanden sie sich im Übergang zum Erwachsenenalter, lag das Durchschnittsalter bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern zwischen 45 und 60 Jahren. Knapp 75 Prozent der Szeneangehörigen waren männlich. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung wies die Szene einen unterdurchschnittlichen Anteil an Akademikern auf.

Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse | Der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter ist eine hohe Waffenaffinität zu eigen. In Bezug auf waffenrechtliche Erlaubnisse und Schusswaffenbesitz gilt für Reichsbürger und Selbstverwalter – wie auch für andere extremistische Phänomenbereiche – eine Nulltoleranzstrategie der hessischen Sicherheitsbehörden. So wurde durch die enge Zusammenarbeit der hessischen Sicherheits- und Waffenbehörden zahlreichen Reichsbürgern und Selbstverwaltern die waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen und deren Schusswaffen sichergestellt. Zum Ende des Berichtsjahrs 2020 lag die Anzahl der Personen, die dem Spektrum der Reichsbürger und Selbstverwalter zugerechnet wurden und über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten, im mittleren zweistelligen Bereich.

Auch in Zukunft ist es das ausdrückliche Ziel der Hessischen Landesregierung und der Sicherheitsbehörden in Hessen, dass kein ihnen bekannter Reichsbürger oder Selbstverwalter waffenrechtliche Erlaubnisse oder Legalwaffen besitzt bzw. letztere im Fall des Besitzes entzogen werden.

Widerstand gegen Staat und Verwaltung | Reichsbürger und Selbstverwalter bringen ihre Gesinnung auf unterschiedlichste Art und Weise zum Ausdruck, zum Beispiel: Verbale Äußerungen gegenüber Polizisten und anderen Behördenmitarbeitern, sich einer Personenkontrolle entziehen, Widerstand gegen gerichtlich angeordnete Zwangsvollstreckungen oder die Rückgabe von amtlichen Identitätsnachweisen.

Das Gros der Reichsbürger und Selbstverwalter wendet sich aber mit schriftlichen Eingaben an Behörden und deren Mitarbeiter, um die eigene Weltsicht argumentativ zu verdeutlichen, etwaige Strafen zu vermeiden und Ämter an ihrem rechtmäßigen Handeln zu hindern. Dieses Vorgehen ist auch unter dem Begriff „paper terrorism“ bekannt. Der hohe Grad der Heterogenität der Szene spiegelt sich unter anderem in der Art und in dem Umfang solcher Eingaben wider. Während ein Teil auf Vordrucke aus dem Internet zurückgreift, verfasst ein anderer Teil der Szene mitunter umfangreiche Schriftstücke, Pamphlete oder „Rechtsgutachten“. Die folgenden Auszüge sind exemplarisch für Schreiben, mit denen sich Reichsbürger und Selbstverwalter an Behörden wenden:

„Werte …,

Der Unterzeichner teilt […] mit, daß er die o. g. Geburtsurkunde (Kopie anbei) für Wert angenommen und dem zuständigen IWF-Gouverneur […] zur Einrichtung der damit verbundenen Freistellung übersandt hat. Der Unterzeichner wird künftig und ausschließlich sämtliche öffentliche Forderungen/Verbindlichkeiten gegen/an die Person ‚[…] aus der Familie [..] [Sozialversicherung …]‘ mittels Wertakzept ausgleichen bzw. die Verrechnung und Ausbuchung der Forderungen zu Ihrer Entlastung freigeben.

Um die Person ‚[…] aus der Familie […]‘ vollständig zu entlasten, fordert der Unterzeichner Sie […] auf, sämtliche aus dessen ‚Justiz‘ hervorgegangenen oder aus anderen Ländern übermittelten kommerziellen Ansprüche/Forderungen/Rechnungen/Gebührenbescheide usw. gegen die Person ‚[…] aus der Familie […]’ als annahmefähige Abschlußrechnung zu übermitteln. Der Unterzeichner wird dann diese Abschlußrechnung, wie beschrieben, ausgleichen.

Zur Erledigung setzt der Unterzeichner Ihnen, […], eine Frist von sechs Tagen.

Sollten Sie die Frist ungenutzt verstreichen lassen, geht der Unterzeichner davon aus, dass Sie […], diesem Angebot zustimmen und daß auf der Person ‚[…] aus der Familie […]‘ keinerlei öffentliche Lasten liegen.

Ehrenvoll angeboten […]“.

(Schreibweise wie im Original, Auslassungen wurden gekennzeichnet.)

Dieses Zitat steht beispielhaft für eine Vielzahl von Schreiben, die Angehörige der Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene an Behörden schicken. Der Inhalt ist bewusst verwirrend gehalten, folgt keiner stringenten Struktur und ist zusammenhangslos verfasst. Obwohl die Behörden solche Schreiben in den allermeisten Fällen nicht beantworten, enthalten letztere bewusst Forderungen, die bei Nichteinhaltung automatisch Gültigkeit entfalten sollen. Durch dieses Vorgehen versuchen sich die Verfasser, aktuellen und künftigen staatlichen Maßnahmen zu entziehen. Zudem fügen Szeneangehörige ihren Schreiben häufig sogenannte Lebend- oder Willenserklärungen hinzu, mittels derer sie sich in Gänze außerhalb der geltenden Rechtsordnung stehend definieren:

„Verkündigung des lebenden Weibes

(the Annunciation of the living woman)

[Willensbekundung Nr. …]

Ich, […], als Tochter meines Schöpfers und höchsten Wesens, auf Erden niedergekommen mit Leib, Seele und Geist, beanspruche mein unveräußerliches und unverhandelbares Recht, eingebettet in die göttliche Schöpfung und deren Bestimmung meine Wesenheit frei zu entfalten und zu vollenden.

Ich, […], bin nach den Angaben meiner Vorfahren am […] Tag des […] Monats im Jahre […] als Mädchen und weiblicher Sproß lebendig und gesund in Fleisch und Blut in der rechtmäßigen Familie […] zu […] auf hessischen Boden niedergekommen.

Ich, […], bekundige mit meinem gesprochenen Wort und meinem auf der letzten Seite in eigenhändiger Schrift verkündigten Willen, da und nun am Leben zu sein, und war seit dem Tage meiner Niederkunft auf Erden zu keinem Zeitpunkt verschollen oder verloren gegangen, weder auf hoher See noch sonst wo.

Ich, […], bin seit meiner Niederkunft auf Erden die rechtmäßige Inhaberin meiner Boden- und Gutsrechte und die alleinige Begünstigte am sämtlichen Nießbrauch, der mir von meinem Schöpfer durch mein Dasein gewährt wird.

Ich, […], stehe ab meiner Niederkunft auf Erden rückwirkend (nunc pro tunc) weder unter dem Cestui que vie Act noch unter anderen Verträgen und/oder Treuhandschaften, deren Ursprung mir bekannt ist.

Ich, […], verfüge hiermit: Sämtliche unter Verwendung des Cestui que Vie Acts [von 1666] und/oder unter der Annahme meines leiblichen Todes und/oder ohne die ehrvoll verhandelte Willensüberschneidung verrichteten Rechtsgeschäfte sind sofort vollständig offenzulegen und nach Rücksprache rückabzuwickeln.

Nichts steht zwischen meinem Schöpfer und mir und nichts steht über dem Gesetz meines Schöpfers.

Ich, […], im Vollbesitz meiner leiblichen, seelischen und geistigen Kräfte und in absichtsvoller Gewahrsamkeit und in verantwortungsvoller Gewissenhaftigkeit beeide in Gegenwart meines Schöpfers und besiegele mit dem Siegel meines rechten Daumens und mit dem großen Siegel meines rechten Groß-Zehens diese Bekundung am […] Tag des […] Monats im Jahr […] zu […] bei […]“.

(Schreibweise wie im Original, Auslassungen wurden gekennzeichnet.)

Reichsbürger und Selbstverwalter reichern ihre vermeintlichen „Argumentationsketten“ häufig mit tatsächlich vorhandenen Rechtsnormen an. Dadurch sollen ihre Schreiben eine juristische Anmutung erhalten und die Behörden beschäftigt sowie die Adressaten eingeschüchtert werden. Klassische Szeneschreiben entfalten allerdings keine Rechtsgültigkeit, da die aufgeführten Rechtsnormen zum überwiegenden Teil aus dem Zusammenhang gerissen sind und in Verbindung mit fiktiven oder mittlerweile historischen Gesetzen verwendet werden:

„Sehr geehrte Frau […],

ich habe Ihr beider Vertragsangebote erhalten und weise die von Ihnen nicht rechtsgültig unterschriebenen sogenannten Bußgeldbescheide hiermit entschieden zurück. Beweis: § 117 VwGO ; § 126 BGB ; §§ 313, 315, 317 ZPO = Unterschriften!

Ich stelle fest, dass ich weder mit Ihnen noch mit der Firma […] einen Vertrag habe und dieses Schreiben daher meinerseits als rein privat angesehen werden muss. Ich schreibe Ihnen nur über Ihre geschäftliche Adresse bzw. ‚behördliche‘ Adresse, da ich ihre private, ladungsfähige Anschrift noch nicht kenne. Meine Menschlichkeit bewegt mich jedoch dazu, mir die Mühe zu machen Ihnen ausführlicher zu schreiben, damit Sie weiter aufgeklärt werden können. Ich wünsche mir, dass Sie mit meinem Schreiben Erkenntnisse bekommen mögen, für wen und was Sie da eigentlich arbeiten.

Begründung: Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) wurde am 11.10.2007 im Bundestag (auf Anordnung der Alliierten) zur rückwirkenden Aufhebung beschlossen, weil an jenem Tag das Einführungsgesetz für das OWiG rückwirkend aufgehoben wurde (Artikel 57 Aufhebung des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (452-2). Das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S. 503), zuletzt geändert durch Artikel 25 des Gesetzes vom 13. Dezember 2001 (BGBl I S. 3574), wird aufgehoben).

Seit der Bekanntgabe im Bundesanzeiger am 23.11.2007 (BGBl. I, Seite 2614) existiert für sämtliche Ordnungswidrigkeiten keine rechtliche Grundlage mit Wirkung vom 30.11.2007.

[…]

Sie verstoßen arglistig willkürlich gegen:
Haager Landkriegsordnung
Völkerstrafrecht, Völkerstrafgesetzbuch
die Proklamation Nr. 1 des SHAEF - An das Deutsche Volk,
SHAEF-Gesetz Nr. 1 - Aufhebung nationalsozialistischen Rechts,
Überleitungsvertrag bezüglich Berlin v. 25.09.1990, BGBl. S. 1274 Art. 3
Bundesbereinigungsgesetz v. 23.11.2007. BGBl. S. 2614 Art. 4,
und begehen damit bewiesen Hochverrat gegen die Bürger des Deutschen Reiches. Verletzungen gegen das geltende Recht sind bewiesen Hochverrat.
[…]
Die Bußgeldbescheide gebe ich Ihnen zu meiner Entlastung in diesem Brief zurück.
Hochachtungsvoll
[…]“

(Schreibweise wie im Original, Auslassungen wurden gekennzeichnet.)

„Malta-Masche“ | Reichsbürger und Selbstverwalter versuchten mitunter, sich nicht nur dem behördlichen Zugriff zu entziehen, sondern ihrerseits Behördenmitarbeiter widerrechtlich zu belangen. Hierfür erfanden Reichsbürger und Selbstverwalter im Zuge der „Malta-Masche“ Schulden eines Behördenmitarbeiters und trugen diese in das amerikanische Online-Register Uniform Commercial Code (UCC) ein. Anschließend wurden die Forderungen an ein maltesisches Inkassounternehmen abgetreten, um einen vollstreckbaren Titel nach dem europäischen Mahnverfahren zu erreichen. Nach Ansicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und des Auswärtigen Amts stellt dieses missbräuchliche Verfahren einen Betrugsversuch dar. Eine Durchsetzung ihrer erfundenen Forderungen gelang Szeneangehörigen bislang nicht.

Deliktfelder | Zu den szenetypischen strafrechtlich relevanten Deliktfeldern gehören Betrug, Hausfriedensbruch, Nötigung und Sachbeschädigung, aber auch Gewaltdelikte. Da Reichsbürger und Selbstverwalter beanspruchen, Repräsentanten eines wie auch immer gearteten Deutschen Reichs bzw. einer eigenen Staatlichkeit zu sein, kommt es regelmäßig zu Amtsanmaßungen, Urheberrechtsverletzungen sowie Urkunden- und Kennzeichenfälschungen von Fahrzeugen.

Gefährdungsbewertung | Aufgrund der hohen Heterogenität der Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene ist eine pauschale Gefährdungsbewertung nur eingeschränkt möglich. Gemein ist der Szene jedoch die Negierung der Bundesrepublik Deutschland. Dies führt zur generellen Ablehnung jeglicher hoheitlicher Handlungen, von denen die Szene betroffen ist. Staatliche Maßnahmen nimmt sie als illegitim wahr, weshalb sich aus ihrer Sicht ein selbstdeklariertes, vermeintliches „Recht auf Notwehr“ ergibt. Reichsbürger und Selbstverwalter sind bereit, dieses „Recht auf Notwehr“ auch gegenüber Gerichtsvollziehern oder Polizisten durchzusetzen. In diesem Kontext kommt es immer wieder zu Widerstandshandlungen, in einigen Fällen sogar zum Gebrauch von Schusswaffen. Verbunden mit der Waffenaffinität der Reichsbürger und Selbstverwalter, ist das der Szene immanente Gewaltpotenzial daher nach wie vor hoch.

Angesichts der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen vernetzte sich die Reichsbürger- und Selbstverwalterszene nicht nur zunehmend mit Anhängern verschiedener Verschwörungsnarrative, sondern vermischte sich mit ihnen. Angetrieben von der Motivation, die eigene, häufig als Randerscheinung wahrgenommene Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen, weicht die Reichsbürger- und Selbstverwalterszene eigene Positionen zu Gunsten einer Anschlussfähigkeit teilweise auf. Dabei entstehen zwischen beiden Szenen Schnittmengen. Trotz eines vermutlich begrenzten Wachstumspotenzials stellen diese Eigendynamik der Vernetzung und Vermischung sowie daraus resultierende Gefahren sowohl Politik und Gesellschaft als auch Sicherheitsbehörden vor neue Herausforderungen.

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