Auch im Berichtsjahr beteiligten sich PKK-nahe Aktivisten aus Hessen am „Langen Marsch“ nach Strasbourg (Frankreich). Während dieses Marsches, der eine Protestform gegen die Inhaftierung des Anführers der PKK in der Türkei ist, waren mehrere hessische Kommunen Etappenziele des Marsches. Rund 120 bis 150 Teilnehmer waren in Hessen zu verzeichnen. Es kam zu Verstößen gegen das Vereins- und das Versammlungsgesetz sowie zu weiteren Straftaten.
Aufgrund der pandemiebedingten staatlichen Maßnahmen konnten zahlreiche Veranstaltungen aus dem PKK-nahen Spektrum nicht durchgeführt werden. Dies betraf sowohl Demonstrationen als auch Veranstaltungen in den vereinseigenen Räumlichkeiten. Während des „Lockdowns“ wurden Vereinsräume zum Teil komplett geschlossen. Die Absage betraf auch die alljährliche Großkundgebung anlässlich der zentralen Newroz-Feierlichkeiten, die im März in Frankfurt am Main hätten stattfinden sollen. Erst nach Lockerung der Maßnahmen stieg die Zahl der Aktivitäten wieder an, erreichte aber nicht das Niveau vor der Pandemie. Unberührt von den pandemiebedingten Maßnahmen blieben die Aktivitäten in den sozialen Medien.
Die Forderung nach Freilassung des PKK-Anführers Abdullah Öcalan war auch im Berichtsjahr ein zentraler Motivations- und Aktionsschwerpunkt der PKK-Anhänger in Hessen. Einem entsprechenden Aktionsaufruf der übergeordneten PKK-Strukturen folgten zahlreiche Aktivisten aus Hessen mit Demonstrationen und Plakataktionen. Ähnliche Mobilisierungswirkungen entfalteten auch die militärischen Aktionen der Türkei in den Kurdengebieten sowie die jährlichen Kampagnen gegen das PKK-Betätigungsverbot in Deutschland. PKK-Aktivistinnen und -Aktivisten aus Hessen beteiligen sich am bewaffneten Kampf in den Kurdengebieten. Im Berichtsjahr ist eine von ihnen nach Hessen zurückgekehrt.
Auf einen Blick
- „Mesa Direj 2020“
- Einschränkungen der PKK-Aktivitäten infolge des „Lockdowns“
- Weltweite Kampagne gegen das „faschistische Regime“ in der Türkei
- Aktionstag zur Freilassung Abdullah Öcalans
- Jahrestag des PKK-Betätigungsverbots
- Dauermahnwache der PKK in Strasbourg
- Ermittlungsverfahren
- Rückkehr einer mutmaßlichen PKK-Kämpferin
„Mesa Direj 2020“ | Die Internationale Initiative Freiheit für Öcalan rief unter dem Motto „Freiheit für Öcalan – Schulter an Schulter gegen den Faschismus“ zu einem langen Marsch vom 9. bis 15. Februar von Luxemburg nach Strasbourg (Frankreich) auf. Der Marsch wurde in einschlägigen kurdischen PKK-Medien beworben. Flankierend dazu kündigte bereits im Dezember 2019 ein Mitglied des PKK-nahen Vereins Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Darmstadt e. V. einen mehrtätigen Demonstrationszug von Frankfurt am Main nach Saarbrücken (Saarland) an. Über sechs Etappen sollten sich jeweils 100 bis 200 Personen an dem Marsch beteiligen. Etappenziele waren dabei Neu-Isenburg (Landkreis Offenbach, 8. Februar), Darmstadt (9. Februar), Bensheim (Kreis Bergstraße, 10. Februar), Mannheim (Baden-Württemberg, 11. Februar), Homburg (Saarland, 12. Februar) und Saarbrücken (13. Februar). Treffpunkt für diesen Teil des sogenannten Sternmarsches – weitere Märsche starteten in Genf (Schweiz) und Luxemburg – war am 7. Februar in Frankfurt am Main. Für den 14. Februar war ein Abschlusskonzert in Saarbrücken geplant.
Hintergrund des Marsches war der Jahrestag der Verhaftung Abdullah Öcalans am 15. Februar 1999. In Strasbourg findet seit 2012 vor dem Committee for the Prevention of Torture an Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT, Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe) eine Dauermahnwache zur Freilassung Öcalans statt. Auch der „Lange Marsch“ (kurd. Mesa Direj ) findet seit dem Jahr 2012 jährlich statt.
In den vergangenen Jahren kam es dabei immer wieder zu Verstößen gegen das Vereinsgesetz und zu zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen mit nationalistischen Türken. Bereits am 8. Februar verzögerte sich der Start des „Mesa Direj 2020“ aufgrund mehrfacher vereinsrechtrechtlicher Verstöße, wie etwa das Mitführen/Tragen von Öcalan-Abbildern und das Skandieren der verbotenen Parole „Biji serok Apo“ („es lebe Apo“).
Im Verlauf des Marsches kam es am 8. Februar in Dreieich (Landkreis Offenbach) zu mehreren Provokationen und verbalen Auseinandersetzungen mit offensichtlich nationalistisch orientierten Türken. Die Provokationen/Beschimpfungen seitens der Türken richteten sich dabei zum Teil auch gegen die eingesetzten Polizeikräfte. Im Bereich eines türkisch geführten Obstmarktes kam es zu Flaschenwürfen aus den Reihen der kurdischen Marschteilnehmer gegen türkische Marktbesucher. Die festgestellten Verstöße gegen das Vereinsgesetz bzw. der Flaschenwurf und eine versuchte Gefangenenbefreiung zogen am 9. Februar insgesamt drei Festnahmen nach sich. Bei den Festgenommenen handelte es sich um französische Jugendliche.
Nach Abschluss der zweiten Etappe kam es am 9. Februar im Darmstädter PKK-Verein zu einem Märtyrergedenken. Ein entsprechender Artikel mit Bildmaterial wurde am 10. Februar auf der PKK-nahen Internetseite Nȗçe Ciwan veröffentlicht. Die Vereinsräume waren darin sichtbar mit verbotener PKK-Symbolik ausgestaltet.
Während der Etappen des Marsches in Hessen belief sich die Teilnehmerzahl auf 120 bis 150 Teilnehmer. Im Internet veröffentlichte Videos zeigen, dass es im Verlauf des Marsches immer wieder zu vereinzelten „Biji-serok-Apo-Rufen“ kam. Insgesamt kam es in Hessen im Verlauf der verschiedenen Etappen unter anderem zu Verstößen gegen das Vereinsgesetz und das Versammlungsgesetz sowie zu einem Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Marsch endete am 13. Februar planmäßig in Saarbrücken. Am 15. Februar erfolgte von dort der Transfer zur zentralen Demonstration in Strasbourg. Bei der Einreise nach Frankreich wurden kurdischen Medienberichten zufolge in Kehl (Baden-Württemberg) 45 Aktivisten wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz und gegen räumliche Beschränkungen kurzzeitig festgenommen.
Einschränkungen der PKK-Aktivitäten infolge des „Lockdowns“ | Die PKK hat ihre öffentlichen und nichtöffentlichen Aktivitäten zu Beginn der COVID-19-Pandemie heruntergefahren, geplante Veranstaltungen abgesagt und ihre Mitglieder dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben und sich solidarisch zu zeigen. Die Veranstaltungsabsagen betrafen auch die alljährliche Großkundgebung anlässlich der zentralen Newroz-Feierlichkeiten, welche am 21. März wieder in Frankfurt am Main hätten stattfinden sollen. Die Absage erfolgte durch die Veranstalter über die PKK-Medien. Laut der Berichterstattung in den organisationseigenen Medien folgten unter anderem in verschiedenen hessischen Städten einige dem Aufruf, sich in kleinen Gruppen zu Newroz-Feiern zu versammeln.
Auch auf die Durchführung von anderen Kundgebungen und Demonstrationen wurde bewusst verzichtet. Damit einhergehend wurden ab der 12. Kalenderwoche alle PKK-nahen Vereine des Gebietes Hessen zunächst auf unbestimmte Zeit geschlossen. Es fanden dort keine Veranstaltungen, Sitzungen oder ähnliches statt. Allerdings trafen sich am 17. Mai in Kassel mehrere PKK-Anhänger im dortigen PKK-nahen Verein zu einer Sitzung. Aufgrund des Verstoßes gegen die Auflagen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie folgten polizeiliche Kontrollmaßnahmen und gegen die Teilnehmer wurden Anzeigen erstattet.
Davon abgesehen beschränkten sich in der Zeit des pandemiebedingten „Lockdowns“ die Aktivitäten der PKK-Anhänger in Hessen auf Veröffentlichungen und Aufrufe in diversen sozialen Medien, wie Facebook, Instagram, Twitter und Telegram.
Ungeachtet der pandemiebedingten staatlichen Maßnahmen wurde die jährliche Spendenkampagne durchgeführt. Diese Spendenkampagne ist wesentliches finanzielles Standbein der gesamten PKK-nahen Strukturen.
Nach Lockerung der behördlichen Maßnahmen wurden die Protestformen unter freiem Himmel wieder vorsichtig aufgenommen und die PKK-nahen Vereine wieder geöffnet. Das aus den vergangenen Jahren bekannte Ausmaß an PKK-nahen Demonstrationen, deren Intensität und die oft sehr hohe Teilnehmerzahl wurden jedoch nicht erreicht. Aufgrund der Abstandsregeln und sonstiger pandemiebedingter Auflagen pendelten sich die Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen mit PKK-Bezug in Hessen auf ein oft nur zweistelliges Niveau ein.
Weltweite Kampagne gegen das „faschistische Regime“ in der Türkei | Am 12. September hat die PKK-Dachorganisation Koma Civaken Kurdistan (KCK, Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) in einer Grundsatzerklärung unter anderem den Start einer weltweiten Kampagne gegen das „faschistische Regime“ in der Türkei bekannt gegeben. Anlass war laut der PKK-nahen Nachrichtenplattform Ajansa Nûceyan a Firatê (ANF, Firatnews Agency) der 40. Jahrestag des Militärputsches in der Türkei.
Der Kongreya Civakên Demokratîk li Kurdistaniyên Ewropa (KCDK-E, Kurdischer Demokratischer Gesellschaftskongress in Europa), der europäische Dachverband der PKK-Vereine, rief daraufhin zu europaweiten Protestkundgebungen unter dem Motto „Öcalan verteidigen, heißt die Menschheit zu verteidigen“ auf. Aufgrund der bekanntermaßen schnellen Mobilisierung innerhalb der kurdischen Diaspora, kam es bereits am gleichen Tag in Deutschland zu ersten Kundgebungen. In Hessen wurden seit dem 12. September Veranstaltungen und Aktionen durchgeführt, unter anderem in Kassel, Darmstadt und Frankfurt am Main, an denen zum Teil deutsche Linksextremisten beteiligt waren. In Kassel erfolgte in den Abendstunden ein Flashmob der deutschen linken Szene, in dessen Verlauf es zu mehreren Sachbeschädigungen durch Graffitis im Stadtbereich kam. Neben bekannten linksextremistischen Parolen wurde auch „Fasizme Gecit Yok!“ („Kein Weg für Faschismus“) gesprüht , ein Verweis auf das von der KCK angeprangerte „faschistische System“ in der Türkei. In Darmstadt versammelten sich etwa 50 kurdische Demonstranten unter dem Motto „Stoppt die Angriffe und die Besatzung der Türkei auf Kurdistan“. Während einer Zwischenkundgebung kam es zu Beleidigungen der Demonstrationsteilnehmer durch offenbar türkisch-stämmige Passanten.
Vermutlich im Anschluss an diese Veranstaltung kam es in Darmstadt und Frankfurt am Main darüber hinaus zu Transparentaktionen der Jinên Xwendekarên Kurdistan (JXK, Studierende Frauen aus Kurdistan) Mainz bzw. der PKK-Organisation Tevgera Ciwanen Soresger (TCS, Bewegung der revolutionären Jugend) Frankfurt. Diese prangerten im Rahmen der Kampagne „Em Dibejin Na“ („Wir sagen Nein!“) Vergewaltigungen und Femizide an.
Die Grundsatzerklärung und die anschließenden Proteste waren inhaltlich wenig konkret und deckten insgesamt ein breites Spektrum an Themenfeldern ab, womit sie den sonst konkreter anlassbezogenen Erklärungen und Aufrufen der PKK-Führung entgegenstanden. Die diversen Mottos wie „Isolation“, „das Schicksal Öcalans“, „den Kampf gegen den Faschismus“, „das repressive Vorgehen des türkischen Staates gegen die kurdisch stämmige Bevölkerung“, „die sogenannte Besatzung der Heimatregion“, „das militärische Vorgehen der Türkei in den kurdischen Siedlungsgebieten in Syrien, dem Irak und der Türkei“, erreichten die PKK-nahen Kurden nur bedingt. Das Demonstrationsgeschehen blieb deutlich hinter sonstigen, auf einen konkreten Anlass bezogenen Kampagnen zurück. Es entstand der Eindruck, dass die diversen Vereine sich genötigt sahen, ihre Mitglieder für Demonstrationen zu mobilisieren. Trotz der Breite der Themenfelder war auffällig, dass Bildnisse Öcalans in diverser Gestaltung stets allgegenwärtig waren.
Aktionstag zur Freilassung Abdullah Öcalans | Am 10. Oktober setzten sich die Aktionen im Zusammenhang mit dem KCK-Aufruf vom 12. September fort. Dieses Mal stand ein bundesweiter Aktionstag unter dem Leitspruch „für die Freilassung Öcalans“ bzw. „#RiseUpAgainstIsolation“ an. Laut der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF wurde die in Deutschland Ende September gestartete Kampagne unter dem Motto „Freiheit für Öcalan! Für ein Ende des Faschismus und der Besatzung“ fortgeführt. Parallel dazu veröffentlichte ANF den „Aktionsplan“ der Almanya’daki Mezopotamya Topluluklar Konfederasyonu (KON-MED, Konföderation der Gemeinschaften Mesopotamiens in Deutschland) mit dem Aufruf, sich an „kreativen Aktionen“ in zahlreichen deutschen Städten zu beteiligen, unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover oder Köln.
Bereits am Freitag, dem 9. Oktober, kam es laut ANF in einigen Städten zu Demonstrationen und Aktionen der PKK-Jugend. Am Samstag, dem 10. Oktober, wurden bundesweit zahlreiche Demonstrationen „für die Freiheit und gegen die Isolation Abdullah Öcalans“ durchgeführt. Die Demonstrationen verliefen friedlich, störungsfrei und unter Berücksichtigung der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln. So fanden auch in Frankfurt am Main, Darmstadt und Kassel angemeldete Demonstrationen mit vergleichsweise geringer Teilnehmerzahl statt. Öcalan-Fahnen und Transparente wurde in großer Anzahl mitgeführt.
Darüber hinaus war es schon am 7. Oktober zu einer Solidaritätsaktion für Öcalan in Bensheim (Kreis Bergstraße) gekommen. Laut Presseveröffentlichung der YÖP vom 8. Oktober hatten sich Kurden am dortigen Bahnhof versammelt und ein Transparent mit der Aufschrift „Die Zeit ist gekommen; Freiheit für Öcalan“ aufgestellt. In einer Unterführung in der Nähe des Bahnhofs stellten drei unbekannte Tatverdächtige ein Plakat mit der Aufschrift „Es ist Zeit wir fordern Freiheit Abdullah Öcalan TCS, TEKOJIN“ auf und flüchteten anschließend.
Jahrestag des PKK-Betätigungsverbots | Für den 21. November wurde auf verschiedenen PKK-nahen Plattformen für einen dezentralen Aktionstag „Weg mit dem PKK-Verbot“ mobilisiert. Der 26. November ist der Jahrestag des 1993 verfügten Betätigungsverbots gegen die PKK in Deutschland, das aufgrund der Aktivitäten der PKK in Deutschland verhängt worden war. Das Verbot erstreckt sich auch auf alle späteren Umbenennungen der Organisation und umfasst ebenso die zahlreichen Unter- sowie Teilorganisationen der PKK. Darüber hinaus bezieht sich das Verbot auf das öffentliche Zeigen von Symbolen der PKK sowie ihrer Unter- und Teilorganisationen. Davon betroffen sind daher sowohl PKK-Symbole, die bereits zum Zeitpunkt des Betätigungsverbots verwendet wurden, als auch solche, die erst später im Zuge von Umbenennungen hinzugekommen sind. Konnte die Organisation in den letzten Jahren bei Veranstaltungen gegen das PKK-Verbot zumindest noch Teilnehmerzahlen im unteren dreistelligen Bereich generieren, war die Resonanz in diesem Jahr niedriger.
Diesen Jahrestag nimmt die Organisation in jedem Jahr zum Anlass, um für die Abschaffung des Betätigungsverbots der PKK zu demonstrieren. Motto der Veranstaltungen war in diesem Jahr: „Unsere Utopie gegen ihre Repression – Weg mit dem PKK Verbot!“ In verschiedenen PKK-nahen Medien wurde zur Teilnahme an dem dezentralen Aktionstag aufgerufen. Die PKK-nahe Tageszeitung YÖP schrieb, „über 60 deutsche und kurdische Organisationen“ hätten dazu aufgerufen, am 21. November überall gegen das PKK-Verbot zu demonstrieren. In einer gemeinsamen Erklärung habe es geheißen, die deutsche Regierung versuche seit 27 Jahren, eine der wichtigsten demokratischen Mächte zum Schweigen zu bringen.
Erwartungsgemäß wurden für den besagten Tag, aber auch bereits in den Tagen zuvor und danach, diverse Kundgebungen und Banneraktionen in ganz Deutschland angemeldet bzw. durchgeführt. In Hessen waren es Veranstaltungen in Gießen (Landkreis Gießen), Darmstadt, Kassel und Frankfurt am Main, welche allesamt friedlich und störungsfrei verliefen. Darüber hinaus kam es in Frankfurt am Main, Offenbach am Main und Kassel zu Banner-Plakataktionen an Brücken bzw. in den Innenstädten. Dabei wurde sowohl in Frankfurt am Main als auch in Kassel, Internetveröffentlichungen und Videos zufolge, Pyrotechnik abgebrannt und kurzzeitig die verbotene Fahne der Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê (ERNK, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) öffentlich gezeigt.
Bereits in den beiden Wochen vor dem Aktionstag war es in der Gemarkung von Frankfurt am Main (an der A 5), Darmstadt, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf), Gießen (Landkreis Gießen) und Bensheim (Kreis Bergstraße) zu entsprechenden Graffiti- bzw. Banneraktionen an Brücken gekommen. Diesen Aktionen war ein Aufruf des europäischen Dachverbandes der PKK, KCDK-E, vorausgegangen, welcher „Ein Plakat für jeden Hafttag Öcalans“ gefordert hatte.
Auch die Kundgebungen zum Jahrestag des PKK-Betätigungsverbots stellten Abdullah Öcalan wieder öffentlichkeitswirksam in den Mittelpunkt der Proteste. Es wurde einmal mehr deutlich, dass Öcalan für Anhänger der Organisation identisch mit der PKK ist und umgekehrt.
Dauermahnwache der PKK in Strasbourg | Im September und Oktober waren PKK-Anhänger aus Hessen im benachbarten Ausland medien- und öffentlichkeitswirksam für Abdullah Öcalan und die PKK aktiv. Anhänger PKK-naher Vereine aus Frankfurt am Main und Darmstadt übernahmen Anfang bzw. Ende September für jeweils eine Woche die seit nunmehr acht Jahren andauernde Mahnwache vor dem Europarat in Strasbourg (Frankreich). Die Mahnwache vor dem CPT-Gebäude (Europarat und Antifolterkomitee) besteht seit dem 25. Juni 2012 und wird in regelmäßigen Abständen von PKK-Gruppen aus ganz Europa betreut.
Ermittlungsverfahren | Am 25. Juni 2019 wurde ein hochrangiger PKK-Kader (hauptamtlicher PKK-Funktionär) mit Wohnsitz in Hessen fest- und in Untersuchungshaft genommen. Das Staatsschutzkommissariat des PP Mainz führte seit dem 6. Juli 2018 ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gemäß § 129 a, b StGB. Das Verfahren wurde von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz übernommen. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz erließ schließlich am 17. Juni 2019 die Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnungen des Beschuldigten in Lahnau (Lahn-Dill-Kreis) und Mainz (Rheinland-Pfalz) sowie einen Haftbefehl gegen ihn. Dem Inhaftierten wird zur Last gelegt, in den Jahren 2018 und 2019 Leiter des PKK-Gebietes Mainz gewesen zu sein. Im Zuge der Exekutivmaßnahmen gegen ihn wurden umfangreiche Asservate sichergestellt.
Aufgabe des Beschuldigten sei es in seiner Funktion als Gebietsleiter unter anderem gewesen, durch das Organisieren und Überwachen von Spendenkampagnen Finanzmittel zu beschaffen. Insgesamt habe er über 200.000 EUR an die Terrororganisation PKK weitergeleitet.
Die dem deutschen linksextremistischen Spektrum zuzurechnende Organisation RH Frankfurt am Main thematisierte die Verhaftung des PKK-Kaders am 11. April via Twitter und rief dazu auf, diesem zu schreiben. Der Tweet ist zusätzlich mit der Forderung „Weg mit dem PKK-Verbot“ verbunden, die in ihrer Aufmachung stark an das verbotene PKK-Symbol erinnerte.
Der PKK-Funktionär wurde am 18. August vor dem OLG Koblenz zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Rückkehr einer mutmaßlichen PKK-Kämpferin | Am 4. Mai reiste die bei Gießen (Landkreis Gießen) gemeldete PKK-Aktivistin und türkische Staatsangehörige nach fast sieben Jahren Aufenthalt in Syrien/Irak wieder nach Deutschland ein. Die Frau ist in Hessen seit 2013 als PKK-Aktivistin im PKK-Gebiet Gießen bekannt. Ein im Internet veröffentlichtes Video legt den Verdacht nahe, dass sie sich in den dortigen Camps der PKK zur Ausbildung aufgehalten hat.
1978 als eine Partei mit marxistisch-leninistischer Ausrichtung gegründet, suchte die PKK mit ihren bewaffneten Einheiten seit dem 15. August 1984 die Auseinandersetzung mit dem türkischen Militär. Den Kampfhandlungen fielen seitdem mehrere zehntausend Menschen zum Opfer.
Auf einen Blick
- Wandlungen der PKK
- Verurteilung Öcalans
- Umbenennungen
- Umfeld der PKK
Wandlungen der PKK | Die ursprünglich marxistisch-leninistisch orientierte Organisation wurde am 27. November 1978 gegründet und strebte danach, durch einen Guerillakrieg einen revolutionären Umbruch zu erreichen und anschließend einen eigenen kurdischen Staat zu gründen. Im Laufe der Jahre veränderte sich diese Forderung hin zu einer konföderalen Vorstellung, die den Kurden in ihren Gebieten weitgehende kulturelle und politische Autonomie und Selbstbestimmung bringen soll. Hierzu sollen zum Beispiel ein eigenes Parlament, eigene Wirtschafts- und Finanzstrukturen, eine anerkannte eigene Sprache und eine eigene Fahne gehören. Vor allem die beiden letzten Punkte sind für die PKK besonders symbolträchtig.
Von Beginn an sah die PKK Gewalt als ein wichtiges Mittel im revolutionären Kampf an. Gewalt wurde innerhalb der Organisation – zum Beispiel gegen Abweichler – ebenso angewendet wie im Rahmen bewaffneter Aktionen und Anschläge insbesondere in der Türkei. Dabei gab es, abhängig von der jeweiligen innenpolitischen Entwicklung, immer wieder Phasen eines von der PKK verkündeten „Waffenstillstands“ gegenüber der türkischen Regierung. In Europa und Deutschland versuchte die PKK seit Jahren – zumindest nach außen hin – den Eindruck einer politischen Neuorientierung zu erwecken und sich vor allem durch ihren Kampf gegen den IS in Syrien als zuverlässigen Partner europäischer Staaten darzustellen. Dies geschah auch deshalb, um eine Streichung von der EU-Terrorliste bzw. die Aufhebung des Betätigungsverbots in Deutschland zu erreichen.
Verurteilung Öcalans | 1998 entzog Syrien auf massiven Druck der Türkei dem PKK-Anführer Abdullah Öcalan die Unterstützung und veranlasste ihn, sein dortiges Exil aufzugeben. Nach verschiedenen Aufenthalten in Europa und Afrika wurde Öcalan am 15. Februar 1999 in Kenia festgenommen und in die Türkei gebracht. Am 29. Juni 1999 vom Staatssicherheitsgericht in Ankara zum Tode verurteilt – die Strafe wurde mit Abschaffung der Todesstrafe am 3. Oktober 2002 in lebenslange Haft umgewandelt –befindet sich Öcalan seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft. Für die PKK gilt der 15. Februar als „schwarzer Tag in der Geschichte des kurdischen Volkes“. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einem „internationalen Komplott“.
Umbenennungen | 2002 benannte sich die PKK in Kongreya Azadî û Demokrasiya Kurdistanê (KADEK, Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans) um. 2003 folgte die Umbenennung in Kongreya Gelê Kurdistanê (KONGRA GEL, Volkskongress Kurdistans). Damit versuchte die PKK, sich von der „Stigmatisierung“ als Terrororganisation zu befreien und sich als politisch neuausgerichtete Organisation zu präsentieren.
Die unterschiedlichen Bezeichnungen der letzten Jahre hinsichtlich der Struktur und personellen Zusammensetzung führten zu keinen grundsätzlichen Umgestaltungen der PKK. Die Ursprungsorganisation bestand im Wesentlichen fort. 2005 gründete sich die Koma Civakên Kurdistan (KCK, Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans), die sich die Verwirklichung des „demokratischen Konföderalismus“ zum Ziel gesetzt hat. Darunter versteht die PKK einen nichtstaatlichen Verbund aller Kurden in der Türkei, in Syrien, im Iran und Irak, den sie mit eigenen Regierungsorganen und mit dem Anspruch einer eigenen Staatsbürgerschaft versieht. Die staatlichen Grenzen der Länder, in denen Kurden leben, sollen in diesem virtuellen Verbund unangetastet bleiben.
PKK und KCK sind im Wesentlichen strukturell identisch. In der Binnenkommunikation sprechen Funktionäre, Mitglieder und Anhänger – unbeschadet aller jeweils aktuellen Bezeichnungen der Organisation – seit jeher von PKK. Im Außenverkehr tituliert sich die PKK hingegen, wenn sie ihr organisatorisches Ganzes meint, als KCK.
Umfeld der PKK | Mit der PKK verbunden sind die PYD in Syrien sowie die Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (PJAK, Partei für ein freies Leben in Kurdistan) und die Partiya Çareseriya Demokratik a Kurdistanê (PÇDK, Partei für eine politische Lösung in Kurdistan) im Irak. Als Schwesterparteien wollen auch sie die Interessen von Kurden vertreten.
Die Umsetzung von PKK-Positionen geschieht insbesondere über eigene Medienstrukturen. Neben einem PKK-Fernsehsender (Stêrk-TV, Med NUCE-TV) gibt es eine eigene PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF (Sitz in den Niederlanden) sowie verschiedene Zeitungen und Zeitschriften (unter anderem die vom Betätigungsverbot nicht betroffene YÖP, die in Neu-Isenburg im Landkreis Offenbach erscheint, sowie Serxwebun und Ciwanên Azad).
Ziel der terroristischen PKK war ursprünglich die staatliche Unabhängigkeit der auf mehrere Staaten im Nahen Osten zersplitterten kurdischen Siedlungsgebiete. Der kurdische Staat sollte in der Türkei aus Südostanatolien, Regionen im Nordosten Syriens („Rojava“), Gebieten im Norden des Iraks und Gebieten Westirans bestehen.
Auf einen Blick
- Autonomie in der Türkei
- Öcalan als ideologische Führungsfigur
Autonomie in der Türkei | Die PKK behauptet, ihr Ziel der staatlichen kurdischen Unabhängigkeit zugunsten eines einheitlichen länderübergreifenden Siedlungsverbunds aller Kurden aufgegeben zu haben, in dessen Rahmen die Grenzen der betroffenen Staaten Bestand haben sollen.
Was die in der Türkei lebenden Kurden betrifft, kämpft die PKK für die staatliche Anerkennung ihrer kulturellen und politischen Identität, die in Südostanatolien mittels eines Autonomiestatus – ähnlich der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak – verwirklicht werden soll. Im Zuge des syrischen Bürgerkriegs und der Auseinandersetzungen mit dem IS streben die PKK und ihr syrischer Ableger PYD auch im Norden Syriens nach Autonomie. In dem vom IS befreiten, überwiegend von Kurden besiedelten syrischen Kanton „Rojava“ zeichnen sich bereits Strukturen einer gewissen Autonomie ab. Diese sind allerdings weit von jeglicher politischer oder eigenstaatlicher Relevanz entfernt und existieren nur aufgrund der instabilen Lage im Bürgerkriegsland Syrien. Dabei beansprucht die PKK, die Interessen aller Kurden zu vertreten.
Öcalan als ideologische Führungsfigur | Der in der Türkei inhaftierte Abdullah Öcalan fungiert weiterhin als ideologische Führungsfigur der Terrororganisation. Dies ist zum einen darin begründet, dass er einer der Gründer der PKK war und damals sogleich zum Vorsitzenden gewählt wurde. Öcalan verfasste Schriften, die noch heute als Material bei der Kaderschulung dienen. Auch nach seiner Inhaftierung hatte Öcalan jahrelang wichtige Entscheidungen der PKK inhaltlich mitgeprägt, so etwa die Zielsetzung der kulturellen und politischen Autonomie, die an die Stelle der Etablierung eines eigenen „Kurdenstaats“ trat. Seit mehreren Jahren ist allerdings nicht mehr bekannt, dass Öcalan die inhaltliche Ausrichtung der PKK mitbestimmte.
Innerhalb der Terrororganisation hat Öcalan weiterhin eine absolut herausgehobene Stellung inne. Im Laufe der Zeit wurde er immer stärker verklärt, sowohl seine Verhaftung 1999 als auch seine Einzelhaft auf der Gefängnisinsel Imrali wurden im Sinne der PKK historisiert. Insgesamt wird Öcalan schon heute als lebender Märtyrer verehrt, der wegen seines Engagements für eine „richtige und gute Sache“ zu Unrecht verfolgt, inhaftiert und isoliert werde. Angesichts fehlender Informationen über Öcalan und seine Situation wird vor diesem Hintergrund bei PKK-Veranstaltungen immer wieder die Forderung erhoben, dass über seinen Gesundheitszustand und seine Haftbedingungen berichtet und ein glaubhaftes Lebenszeichen von ihm gegeben wird. Bei Gerüchten über eine Verschlechterung seines Lebensumfelds oder seines Tods organisieren PKK-Anhänger sofort Solidaritätsaktionen.
Die PKK greift seit geraumer Zeit vermehrt auf Abbilder Öcalans bei Demonstrationen/Kundgebungen zurück. Diese Abbilder stehen inzwischen nicht nur gleichgewichtig neben den angestammten PKK-Kennzeichen, sie haben zudem einen erheblichen Emotionalisierungseffekt und sind in besonderer Weise geeignet, den Zusammenhalt der in Deutschland verbotenen PKK zu fördern. Denn der PKK-Gründer Öcalan dient als Vorbild und in seiner Person bündelt sich die charismatische Herrschaft der PKK.
Öcalan bleibt weiter der Kristallisationspunkt für PKK-nahe Kurden innerhalb und außerhalb der Türkei. Selbst für junge Kurden der 3. und 4. Einwanderergeneration in Deutschland und somit auch in Hessen ist der seit 1999 inhaftierte Gründer der PKK identitätsstiftend. Unter seinen Bildern bzw. hinter Bannern und Fahnen mit seinem Abbild versammeln sich zunehmend kurdische Jugendliche und junge Erwachsene. Dies zeigt das generationenübergreifende Fortwirken von Ideologie und Zielsetzung der PKK und ihres symbolträchtigen Vorsitzenden, dessen aktives Handeln aus der Zeit vor seiner Inhaftierung diese Jugendlichen nicht mehr selbst erlebt haben. In Deutschland aufgewachsen und sozialisiert, gilt ihre Solidarität in übersteigerter Form der Herkunftssozialisation ihrer Eltern und Großeltern; dies vor dem Hintergrund der nach wie vor geltenden Verbotsgründe für die PKK. Auch dies ist eine Art von herausgebildeter Parallelgesellschaft.
Seit mehreren Jahren kommt es europaweit und auch in Hessen zu zahlreichen Demonstrationen von PKK-Anhängern im Zusammenhang mit der Inhaftierung, dem Gesundheitszustand oder dem vermeintlichen Ableben Abdullah Öcalans. Bei nahezu jeder Demonstration in Hessen wird Öcalan fast selbstverständlich mit in das jeweilige Motto aufgenommen und auch sein Konterfei in großer Zahl mitgeführt. Obwohl auch das Konterfei des PKK-Anführers vom Kennzeichenverbot des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat aus dem Jahr 2018 umfasst ist, ergeben sich unter gewissen Umständen Ausnahmen: So wird das Zeigen bei Veranstaltungen ohne erkennbaren organisatorischen Zusammenhang zur PKK bzw. einem Fokus auf die Haftbedingungen und die persönliche Lebenssituation von Abdullah Öcalan häufig anders gewertet. PKK-nahe Strukturen nutzen das, um eine dann legitime Meinungsäußerung mit den Anliegen der Organisation zu verknüpfen. Eine Abgrenzung bzw. Differenzierung bleibt dabei in der Regel schwierig, da sich ein Bezug zur PKK auch durch handelnde Personen widerspiegeln kann.
Öcalans persönliche Situation war, ist und bleibt ein fortwährendes, zentrales Thema für die PKK. Auch in 2020 wurde dies bei mehreren Aktionstagen und Veranstaltungslagen wieder sehr deutlich. Dieser Personenkult sowie politische und militärische Entscheidungen der Türkei werden auch zukünftig immer wieder zu zeitnahen Demonstrationslagen in Deutschland und auch in Hessen führen. Dabei wird die PKK weiterhin versuchen, ihre Möglichkeiten bei öffentlichen Veranstaltungen auszuloten, um auf diesem Wege das PKK-Verbot weiter aufzuweichen.
Darüber hinaus bleibt die Spendensammlung außerhalb der Türkei das zentrale Anliegen der PKK. Die jährliche Spendenkampagne ist nach wie vor ein wesentlicher Schwerpunkt der PKK-Aktivitäten in Deutschland und dient der logistischen und finanziellen Unterstützung der Gesamtorganisation.
Es ist zu erwarten, dass das Vorgehen des türkischen Militärs in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei, Syrien und dem Irak und die damit einhergehende Emotionalisierung innerhalb der kurdischen Diaspora dazu führen wird, noch mehr Spenden zu generieren. Den bisherigen Erfahrungen zufolge haben gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK die Spendenbereitschaft ihrer Anhänger immer gefördert.
Mit der Jahresspendenkampagne unterstützt die kurdische PKK-nahe Anhängerschaft auch in Hessen die Aktivitäten einer Terrorvereinigung (PKK) im Ausland. Neben der Rekrutierung von Kämpfern und immer wiederkehrender gewalttätiger Ausschreitungen bei Demonstrationen ist dies einer der Hauptgründe für das Fortbestehen des PKK-Verbotes in Deutschland.