Glossar
Anhang

Verfassungsschutz in Hessen

Bericht 2016

Linksextremismus

Merkmale

Die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Errichtung eines totalitären, sozialistisch-kommunistischen Systems oder einer angeblich „herrschaftsfreien Gesellschaft“ sind Ziele linksextremistischer Bestrebungen.

Orthodoxer Kommunismus | Protagonisten dieses Teils des Linksextremismus wie zum Beispiel die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) orientieren sich an den Lehren von Karl Marx (1818 bis 1883) und Friedrich Engels (1820 bis 1895). Marx und Engels teilten Gesellschaften in Klassen ein und behaupteten, es gebe einen andauernden „Klassenkampf“. Auf der Ausbeutung der Klasse der Arbeiter („Proletariat“) durch die Klasse der „Kapitalisten“ fußt nach Auffassung orthodoxer Kommunisten − gegründet auf den Lehren von Marx und Engels − der „Kapitalismus“: Dieser führe zwangsläufig zu immer mehr Elend und Gewalt in der Gesellschaft. Der Kapitalismus könne nur durch eine Revolution, die eine Änderung der Eigentumsverhältnisse einschließe, beseitigt werden. Durch Umverteilung des Besitzes werde die alte Ordnung absterben und sich nach und nach eine kommunistische Gesellschaft entwickeln.

Neben Marx und Engels berufen sich orthodoxe Kommunisten auf Wladimir Iljitsch Uljanow (1870 bis 1924), genannt Lenin. Dieser glaubte, die Arbeiter könnten nur durch eine elitäre Kaderpartei zum richtigen „Klassenbewusstsein“ und zu einer erfolgreichen Revolution geführt werden. Nach der Erringung der Macht sei es Aufgabe dieser Partei, mittels einer „Diktatur des Proletariats“ die kommunistische Gesellschaft zu errichten und gewaltsam alle „konterrevolutionären“ Elemente zu bekämpfen.

Maoismus | Organisationen wie die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) orientieren sich an der chinesischen Variante des Kommunismus, dem Maoismus, der auf den Revolutionär Mao Zedong (1893 bis 1976) zurückgeht. Die von ihm 1937 verfassten Schriften sowie seine Politik der Ablehnung der damaligen Sowjetunion bilden die Grundlage der maoistischen Ideologie.

Im Unterschied zum orthodoxen Kommunismus setzt sich für Maoisten die Revolution auch nach Erringung der Macht fort und kann sich gegen eigene kommunistische Strukturen richten. Darüber hinaus definierte der Maoismus nicht die Arbeiter, sondern − vor allem in Ländern der Dritten Welt − die Bauern als Träger der proletarischen Revolution.

Anarchismus | Anarchisten wie die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) lehnen – im Unterschied zu kommunistischen Organisationen – jegliche Herrschaft ab. Sie sehen den Staat als unterdrückerische Zwangsinstanz an, die zerschlagen werden müsse, wobei es − im Unterschied zu Marxisten-Leninisten − keiner Kaderpartei bedürfe. Anarchisten wenden sich gegen jegliche Institutionen, insbesondere gegen Parteien und Parlamente; sie selbst organisieren sich in nur wenig strukturierten Gruppen.

Autonome Vorstellungen | Die Positionen von Autonomen sind – verglichen mit denjenigen orthodox-kommunistischer Parteien – anders differenziert. Nicht die Partei, sondern das selbstbestimmte Individuum steht bei Autonomen im Mittelpunkt („Politik der ersten Person“). Nach autonomer Auffassung muss der Einzelne ständig um seine Befreiung von „strukturellen Zwängen“ kämpfen. Mit orthodoxen Kommunisten verbindet Autonome aber die Vorstellung von einer Welt, in der jeder im Rahmen einer kommunistischen Gesellschaft nach seinen Bedürfnissen leben und sich selbst verwirklichen kann. Dazu müssten alle „Systeme“, die dem Individuum Pflichten und Zwänge auferlegen, beseitigt werden. Zu diesen „Systemen“ gehören nach dem Verständnis von Autonomen unter anderem Demokratie und rechtsstaatliches Handeln.

Um ihre Ziele zu erreichen, halten Autonome die Anwendung von Gewalt für ein legitimes Mittel. Insbesondere auf Grund ihrer militanten Aktionen stellen Autonome eine konstante Bedrohung für die Innere Sicherheit in Deutschland dar.

Personenpotenzial1

Die Zunahme des Personenpotenzials im Phänomenbereich Linksextremismus gegenüber dem Berichtsjahr 2015 resultierte aus einem Anstieg bei den Autonomen und den Anarchisten, die auch aufgrund der „antikapitalistischen“ Proteste im Zusammenhang mit dem linksextremistisch beeinflussten Blockupy-Bündnis einen Zuwachs verzeichneten.

Abgebildet ist die Tabelle linksextremistisches Personenpotenzial. In der linken Spalte stehen die Namen der linksextremistischen Beobachtungsobjekte. Die weiteren drei Spalten enthalten Zahlenangaben zu diesen Beobachtungsobjekten jeweils für die Jahre 2016, 2015 und 2014 sowohl für Hessen als auch für die gesamte Bundesrepublik.
Den Autonomen waren im Jahr 2016 in Hessen 400 Personen und bundesweit 6.800 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2015 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 340 und bundesweit bei 6.300, im Jahr 2014 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 340 und bundesweit bei 6.100 .
Den Anarchisten waren im Jahr 2016 in Hessen 70 Personen und bundesweit 800 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2015 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 60 und bundesweit bei 800, im Jahr 2014 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 70 und bundesweit bei 800 .
Dem Bereich sonstige Linksextremisten (Marxisten-Leninisten, Trotzkisten und andere) waren im Jahr 2016 in Hessen 2.400 Personen und bundesweit 21.800 Personen zuzurechnen. Im Jahr 2015 lag dieses Personenpotenzial in Hessen bei 2.400 und bundesweit bei 20.300, im Jahr 2014 lag das Personenpotenzial in Hessen bei 2.200 und bundesweit bei 21.100 .
Insgesamt gab es in Hessen im Jahr 2016 2.570 Linksextremisten, bundesweit waren es insgesamt 28.500 Linksextremisten. Im Jahr 2015 lag dieses Personenpotenzial in Hessen insgesamt bei 2.500 und bundesweit insgesamt bei 26.700, im Jahr 2014 lag das Personenpotenzial in Hessen insgesamt bei 2.300 und bundesweit insgesamt bei 27.200 .

Autonome

Definition/Kerndaten

Autonome sind undogmatische und organisationskritische Linksextremisten, die sich an verschiedenen, zum Teil diffusen kommunistischen und anarchistischen Deutungsmustern orientieren. Das staatliche Gewaltmonopol lehnen Autonome ab und sehen eigene Gewaltanwendung („Militanz“) zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele als legitim an. Starren Organisationsstrukturen stehen „klassische“ Autonome kritisch bis ablehnend gegenüber und beharren stattdessen auf ihrer Selbstbestimmtheit. Autonome organisieren sich daher in losen Gruppen, zwischen denen oft nur aktions- und anlassbezogene lockere Netzwerke bestehen.

Teile der autonomen Szene sind in den letzten Jahren allerdings von diesem Selbstverständnis abgerückt. Die mangelnde Strategie sowie die Organisations- und Theoriefeindlichkeit „klassischer“ Autonomer erachten sie als wenig zielführend: Anstelle der Revolution bevorzugt dieser Teil der Szene, der sich selbst als postautonom bezeichnet, eine langfristige Veränderung der bestehenden Verhältnisse. Hierfür greifen Postautonome gesamtgesellschaftlich relevante Themen auf und setzen auf eine auch das gesamte linksextremistische Spektrum umfassende Bündnispolitik, die eine Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Akteuren ausdrücklich einschließt. Dementsprechend vermeiden Postautonome in der Regel ein offenes Bekenntnis zur Gewalt. Stattdessen verwenden sie eher unbestimmte Begriffe wie „ziviler Ungehorsam“ oder sprechen davon, „Polizeiketten durchfließen“ zu wollen. Damit bieten Postautonome für ihre „Aktionen“ einen weiten Interpretationsspielraum, der sowohl gewaltorientierten als auch gewaltablehnenden Personen eine Teilnahme ermöglicht.

Die bundesweit bedeutendsten postautonomen Organisationen sind die Interventionistische Linke (IL) und das sich selbst als „kommunistisch“ definierende Bündnis …umsGanze! Während die Gruppe kritik&praxis − radikale Linke [f]rankfurt Teil des …umsGanze!-Bündnisses ist, sind in der IL die Gruppen d.o.r.n. (Kassel), d.i.s.s.i.d.e.n.t. (Marburg), radikale Linke Darmstadt und IL Frankfurt organisiert.

Aktivisten: In Hessen etwa 400, bundesweit etwa 6.800
Regionale Schwerpunkte: Frankfurt am Main, Marburg, Gießen, Kassel
Medien (Auswahl): Swing (Erscheinungsweise zweimonatlich), Internetpräsenzen

Ereignisse/Entwicklungen

Im Themenfeld „Antifaschismus“ waren Autonome vorrangig gegen Parteien und Organisationen aktiv, die aus ihrer Sicht mitverantwortlich für das Wiedererstarken von Rassismus und Nationalismus in Teilen der Gesellschaft sind. Hierfür gründeten Autonome im Januar in Frankfurt am Main die bundesweite Kampagne Nationalismus ist keine Alternative (NIKA). Als lokale Repräsentantin der Kampagne entstand in Frankfurt am Main die Aktionsplattform Antifa United Frankfurt (AUF), die sich zur aktivsten autonomen Gruppe in Hessen im Berichtsjahr entwickelte. Unter anderem im Zuge der NIKA-Kam-pagne kam es auch in Hessen zu Störungen von Veranstaltungen des politischen Gegners, Sachbeschädigungen, Outings und teilweise körperlichen Angriffen. Dabei nahmen Linksextremisten verstärkt die Alternative für Deutschland (AfD) als zentralen „faschistischen“ Feind ins Visier und leiteten aus ihrem „antifaschistischen“ Kampf die Legitimation ab, Straf- und Gewalttaten zu verüben.

Im zweiten herausragenden Themenfeld „Antirassismus“ war insbesondere das Frankfurter Project.Shelter mit vielfältigen „Aktionen“ über das gesamte Berichtsjahr hinweg aktiv. Aktivisten der Gruppierung besetzten im Januar und Juli in Frankfurt am Main jeweils ein Haus, um ihrem Anliegen, ein „Willkommens- und Beratungszentrum mit Wohnmöglichkeiten für obdachlos Geflüchtete und Migrant*innen“ zu schaffen, Nachdruck zu verleihen. Zu weiteren „antirassistischen Aktionen“ kam es in Form von Demonstrationen in Dreieich (Landkreis Offenbach), in Limburg (Landkreis Limburg-Weilburg) und am Frankfurter Flughafen.

Aus Solidarität mit einem in Berlin zum Teil geräumten autonomen Szenetreffpunkt kam es im gesamten Bundesgebiet − auch in Hessen − zu „Solidaritätsaktionen“, indem offensichtlich Linksextremisten Sachbeschädigungen an Gebäuden und Fahrzeugen begingen. Als Grund nannten die Täter sowohl die fortschreitende Gentrifizierung als auch „rassistische Kontrollen“ durch die Polizei und ein Unternehmen, das „Überwachungssysteme“ herstellt.

In den Hintergrund rückte dagegen das Thema „Antikapitalismus“: Nach dem Ende der gewaltsamen Proteste gegen die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2015 in Frankfurt am Main verlagerte das linksextremistisch beeinflusste Blockupy-Bündnis seinen Schwerpunkt nach Berlin, büßte dort aber an Bedeutung ein. Dennoch befasste sich die linksextremistische Szene bundesweit seit Ende 2016 mit der Planung der Proteste gegen das Zusammentreffen der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Hamburg im Juli 2017 als nächstes bedeutsames „antikapitalistisches“ Großereignis.

„Antifaschismus“: NIKA-Kampagne | Während eines vom …umsGanze!-Bündnis initiierten Treffens „antifaschistischer“ und „antirassistischer“ Gruppen am 31. Januar in Frankfurt am Main auf dem Campus Bockenheim der Goethe-Universität riefen die etwa 400 Teilnehmer die NIKA-Kampagne ins Leben. Sie verständigten sich auf ein „gemeinsames Vorgehen gegen den völkischen Nationalismus von AfD und Pegida sowie das staatliche Grenzregime“. Ein Sprecher des …umsGanze!-Bündnisses erklärte:

„,Die aktuelle Situation ist keine ,Flüchtlingskrise‘, sondern eine Krise der Abschottung und eine der kapitalistischen Reichtumsproduktion und Verteilung. Während die völkische Rechte um die AfD mit Schaum vor dem Mund versucht, diese Situation rassistisch umzudeuten und dabei einer menschenverachtenden Straßengewalt das Wort redet, renoviert die bürgerliche Mitte kühl kalkulierend die Festung Europa und nimmt deren tödliche Konsequenzen billigend in Kauf‘“.

Darüber hinaus sollte NIKA zum „Aufbau antirassistischer Notfallstrukturen sowie antifaschistischer Basis- und Jugendarbeit“ auf lokaler Ebene dienen. Hierzu wurde ebenfalls im Januar AUF gegründet, das sich im Jahresverlauf als Sammelbecken junger, aktionsorientierter Autonomer in Frankfurt am Main etablierte. AUF bot offene Treffen sowie ideologische Schulungen in Form von Workshops und Seminaren an und beteiligte sich − teilweise federführend − an verschiedenen Demonstrationen.

Im Rahmen der NIKA-Kampagne kam es bundesweit zu zahlreichen „Aktionen“, die sich vor allem gegen die Partei Alternative für Deutschland (AfD) richteten. Darüber hinaus riefen die Aktivisten im Vorfeld der Kommunal- und Landtagswahlen in Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt für den 5. und 6. März zu einem bundesweiten Aktionstag auf, um die „,Brandstifter in Nadelstreifen‘“ zu besuchen.

In Hessen fanden in diesem Zusammenhang unter anderem folgende Ereignisse statt:

  • Am 3. März wurden mehrere Fensterscheiben des Fahrzeugs und des Wohnhauses eines AfD-Funktionärs in Biedenkopf (Landkreis Marburg-Biedenkopf) zerstört sowie die Hauswand mit Farbe beschmiert.
  • Am Abend des 4. März befestigten mehrere unbekannte Täter eine Sperrholzplatte mit dem Schriftzug „Ihr wollt Abschottung? Die könnt Ihr haben!“ an der Eingangstür der AfD-Landesgeschäftsstelle in Frankfurt am Main.
  • Am 5. März störten mehrere als Clowns verkleidete Personen einen Wahlkampfstand der AfD in Kassel,indem sie mit Luftschlangen undKonfetti um sich warfen und den Stand mit einem Absperrband einzäunten, um so die „Hetze [der AfD] symbolisch zu unterbinden“. Über die Aktionen wurde auf der eigens für die Kampagne erstellten Homepage nationalismusistkeinealternative.net sowie auf der linksextremistischen Internetplattform linksunten.indymedia.org berichtet.

Zu Protesten gegen den AfD-Bundesprogrammparteitag am 30. April und 1. Mai in Stuttgart (Baden-Württemberg) wurde auf der NIKA-Internetseite aufgerufen, darüber hinaus mobilisierten hierfür große Teile der bundesweiten linksextremistischen Szene. In Hessen waren dies unter anderem die autonomen Gruppierungen AUF, kritik&praxis − radikale Linke [f]rankfurt, siempre*antifa Frankfurt/M und Offenes Antifaschistisches Treffen (OAT) Darmstadt. Am 30. April versuchten etwa 1.500 Personen, darunter etliche Linksextremisten, den AfD-Tagungsort zu blockieren, was die Polizei verhinderte. Einige der zum Teil vermummten Gewalttäter führten Eisenstangen und Holzlatten mit sich, entzündeten Feuerwerkskörper und steckten Autoreifen in Brand. Auch in der Stuttgarter Innenstadt kam es zu Protesten. Unter den insgesamt etwa 2.000 Demonstranten befanden sich bis zu 1.000 gewaltorientierte Personen, von denen die Polizei etwa 600 vorübergehend in Gewahrsam nahm. Acht Polizeibeamte wurden verletzt.

Während der zweiten Aktionskonferenz der NIKA-Kampagne (18. und 19. Juni), die erneut auf dem Campus Bockenheim stattfand, beschlossen die etwa 100 Teilnehmer einen Fahrplan für ihre weiteren Aktivitäten: „Europaweite dezentrale Aktionstage vom 24.-26. Juni“ unter dem Motto „Die Festung Europa angreifen“, Ausrichten des „NoBorder-Camps in Thessaloniki“ (Griechenland) vom 15. bis 25. Juli und Proteste organisieren gegen den Tag der Deutschen Einheit in Dresden (Sachsen) am 3. Oktober. Außerdem nahm die NIKAKampagne die Bundestagswahl 2017 ins Visier, um vor allem den Wahlkampf der AfD massiv zu stören.

Neben der NIKA-Kampagne und den AUF-Aktivitäten gab es weitere linksextremistische Aktionen gegen vermeintliche oder tatsächliche rechtsextremistische Parteien und Organisationen:

  • Am 22. Januar versuchten drei vermummte Personen an einem Wahlkampfstand der nichtextremistischen Organisation Bürger für Frankfurt ein Plakat zu beschädigen, woraufhin es zu einem Handgemenge kam.
  • Gegen die rechtsextremistisch gesteuerte Demonstration „Büdingen wehrt sich − Asylflut stoppen“ am 30. Januar in Büdingen (Wetteraukreis) protestierten etwa 1.000 Personen, darunter etwa 300 Linksextremisten, von denen rund 50 der gewaltbereiten autonomen Szene zuzurechnen waren. Die Frankfurter autonome Gruppierung Antifa Kritik & Klassenkampf (AKK) zeigte ein Banner mit dem Schriftzug „Deutschland, halt’s Maul! Das Proletariat hat kein Vaterland!“ Bis zu 80 Personen versuchten, den Teilnehmern der Demonstration „Büdingen wehrt sich − Asylflut stoppen“ den Weg zu versperren und warfen Steine und Böller auf die Polizei, wobei sechs Beamte verletzt wurden. Vom Ergebnis der Gegenproteste zeigten sich „unabhängige Antifas“ auf einer von Linksextremisten genutzten Internetseite enttäuscht, weil es nicht gelungen sei, den „FaschistInnen“ ein „Fiasko“ zu bereiten.

Darüber hinaus kam es zu weiteren „Aktionen“, die sich gegen die AfD richteten. Hierüber wurde zum Teil auf der linksextremistischen Internetseite www.linksunten.indymedia.org berichtet bzw. veröffentlichte die Internetplattform entsprechende Selbstbezichtigungen. In einem von linksunten.indymedia.org veröffentlichten Beitrag wurde die AfD als „menschenfeindliches Projekt“ bezeichnet, das seit Monaten mit seinen „Positionen den medialen Diskurs“ dominiere und so „nicht unwesentlich zu einer rassistischen Mobilmachung“ beitrage. Vor diesem Hintergrund wurde appelliert:

„Eine radikale antifaschistische Politik muss diese Entwicklung konsequent stoppen. In diesem Sinne gilt nach wie vor[:] Nationalismus ist keine Alternative, gegen den brauen Mob und für eine befreite Gesellschaft“.

In diesem Zusammenhang sind folgende Ereignisse zu erwähnen, wobei bemerkenswert ist, dass aufgrund der linksextremistischen Fokussierung auf AfD-Angehörige die Zahl der Outings im Vergleich zum Berichtsjahr 2015 erheblich anstieg:

  • Am 25. Februar wurden Fensterscheiben eines Hotels in Cölbe (Landkreis Marburg-Biedenkopf) zerstört, rote Farbeier auf die Fassade geworfen und die Schriftzüge „AfD angreifen“ und „Kein Raum der AfD“ aufgesprüht. Die Partei hatte in dem Hotel Räumlichkeiten für eine Veranstaltung angemietet.
  • Im Zeitraum zwischen dem 7. und 10. April brachten unbekannte Täter an den Wohnsitzen von neun Stadtverordneten der AfD Wiesbaden Farbschmierereien auf dem Boden an.
  • Unter der Überschrift „AfD Frankfurt − Ein Überblick“ wurden am 21. August auf linksunten.indymedia.org 30 Kandidaten der AfD zur Kommunalwahl mit Namen, Adressen und teilweise Bildern geoutet und die AfD unter anderem beschuldigt, ein „Sammelbecken für unterschiedliche rechtspopulistische, konservative und sonstwie geartet reaktionäre Positionen und Vorstellungen“ zu schaffen. Außerdem wurde ein „Auszug aus der gehackten Anwesenheitsliste des Bundesparteitages der AfD in Stuttgart 2016“ veröffentlicht, worin 23 Teilnehmer aus Frankfurt am Main mit Namen, Adresse, E-Mail-Adresse, Telefonnummer und Geburtsdatum genannt wurden.
  • Etwa 130 Personen, teils gewaltbereit und als Clowns verkleidet, versuchten am 29. November in Witzenhausen (Werra-Meißner-Kreis) eine AfD-Versammlung zu verhindern bzw. massiv zu stören. Durch ihr Eingreifen verhinderte die Polizei ein Eskalieren der Situation.
  • Am 20. und 21. Dezember wurden drei AfD-Politiker aus Frankfurt am Main und Darmstadt geoutet, indem auf linksunten.indymedia.org Flugblätter mit deren Bild und Personalien veröffentlicht wurden: „Dass Mitglieder der AfD in städtischen Ämtern arbeiten und an sozialen Ausschüssen beteiligt sind, darf nicht hingenommen werden“. In einem Fall verteilte etwa ein Dutzend Aktivisten in der Nähe der Arbeitsstelle der Betroffenen ein entsprechendes Flugblatt.

Neben AfD-Angehörigen outeten Linksextremisten auch Neonazis und Burschenschaften, so etwa am 1. Dezember Angehörige einer Burschenschaft in Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) auf einer eigens hierfür eingerichteten Internetseite. Es wurden nicht nur personenbezogene Daten, sondern auch interne Fotos und ausführliche Aufzeichnungen über das Finanzgebaren der „strukturell faschistische[n] Organisation“ veröffentlicht. Eine Spiegelung des Outings erschien am 2. Dezember auf der linksextremistischen Internetseite www.linksunten.indymedia.org.

„Antirassismus“: „Selbstverwaltetes Zentrum für obdachlose Migrant*innen“ und Demonstrationen gegen Abschiebungen | Obwohl im Dezember 2015 in Frankfurt am Main eine gemeinsame Hausbesetzung mit der autonomen Gruppe siempre*antifa Frankfurt/M gescheitert war, hielten Autonome im Berichtsjahr an ihrem Plan fest, ein „selbstverwaltetes Zentrum für obdachlose Migrant*innen zu schaffen“, das als „Ausgangspunkt für den Widerstand gegen die vorherrschenden Verhältnisse“ genutzt werden soll:

„Praktische Solidarität und politischer Widerstand sind […] unmittelbar miteinander verknüpft − schließlich kommt das Elend nicht durch Zufall, sondern eben durch die bestehende Ordnung in die Welt. Rassismus, Armut und Ausgrenzung sind damit keine unumstößlichen Tatsachen, sondern gesellschaftliche Zustände, die es abzuschaffen gilt“.

Damit verknüpft war die Aufforderung „Kommt vorbei, wir freuen uns − und die Festung Europa lässt sich auch schlecht allein einreißen“ sowie die Einladung zum „offenen Kennenlernen im Shelter-Café“:

„Weitergehend müssen diejenigen, denen die kleingeistige Deutschtümelei schon längst zum Hals raushängt sich zusammentun und über Strategien des Widerstands sprechen − und diese anschließend auch in die Tat umsetzen“.

Unterstützung für seine Aktionen erhielt Project.Shelter vor allem von der Frankfurter autonomen Szene, zum Beispiel von kritik&praxis − radikale Linke [f]rankfurt, AUF, siempre*antifa Frankfurt/M und der Interventionistischen Linken (IL) Frankfurt.

Nachdem aus Sicht der Autonomen „alle Bemühungen um ein selbstverwaltetes Zentrum an der Stadt gescheitert“ waren, besetzten am 13. Februar etwa 50 vermummte Personen zum zweiten Mal ein leerstehendes Gebäude − nun im Frankfurter Stadtteil Alt-Sachsenhausen − und errichteten Barrikaden. Um sich Zutritt zu verschaffen, musste die von Anwohnern alarmierte Polizei an den Barrikaden stehende Aktivisten zur Seite drängen und kurzfristig Pfefferspray einsetzen. Im Gebäude selbst stellte die Polizei keine Personen mehr fest. Anschließend zogen etwa 100 Aktivisten in einem spontan angemeldeten Aufzug zur Konstabler Wache. Von dort begab sich der überwiegende Teil der Demonstranten zum autonomen Szenetreff Klapperfeld. Später hieß es in den sozialen Medien: „,Wir kommen wieder‘“.

Am 5. Juli besetzten Autonome im Frankfurter Stadtteil Alt-Bornheim erneut ein Haus, wobei der Eigentümer darauf verzichtete, einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs zu stellen und sich mit der Nutzung des Erdgeschosses für ein „selbstverwaltetes Zentrum für obdachlose Migrant*innen“ bis auf weiteres einverstanden erklärte. In einer Pressemitteilung feierten die Aktivisten dies als „wichtigen Teilerfolg“ auf ihrem Weg zu einem „Willkommens- und Beratungszentrum“ und kündigten an, in dem Gebäude ein „Begegnungscafé“ einrichten zu wollen. Um der nach wie vor unerfüllten Forderung „Kein Tag mehr ohne ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum in Frankfurt! Die Häuser denen[,] die sie brauchen!“ Nachdruck zu verleihen, besetzten am 26. Juli etwa 25 Aktivisten vorübergehend den Eingangsbereich des Liegenschaftsamts in der Frankfurter Innenstadt.

Nachdem in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember eine Scheibe des Begegnungscafés eingeschlagen und der Innenraum verwüstet wurde, fanden am 10. und 14. Dezember in Frankfurt am Main zwei Solidaritätsdemonstrationen mit 150 bzw. 120 Teilnehmern statt. Ein Bekennerschreiben suggerierte einen rassistischen Hintergrund, allerdings war abschließend nicht zu klären, ob es sich um eine politisch motivierte Tat oder Vandalismus handelte.

Darüber hinaus kam es im Themenfeld „Antirassismus“ im Berichtsjahr zu mehreren Demonstrationen, an denen sich Linksextremisten beteiligten:

  • Am 9. Januar nahmen etwa 700 Personen in Dreieich (Landkreis Offenbach) an einer Demonstration („Solidarität mit allen Geflüchteten! Das Problem heißt Rassismus!“) teil, zu der unter anderem kritik&praxis − radikale Linke [f]rankfurt, siempre*antifa Frankfurt/M, Antifa R4 aus Gießen (Landkreis Gießen) sowie das Gießener autonome Szeneobjekt AK 44 aufgerufen hatten. Anlass waren die Schüsse auf die dortige Flüchtlingsunterkunft in der Nacht zum 4. Januar, wobei ein Bewohner im Schlaf leicht am Bein verletzt worden war. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben später, dass dem Anschlag kein fremdenfeindliches Motiv zugrunde lag.
  • Unter dem Motto „Gegen Fremdenfeindlichkeit, Solidarität mit Flüchtlingen“ demonstrierten am 10. Januar etwa 250 Personen in Limburg (Landkreis Limburg-Weilburg). Hierzu hatten wiederum die Antifa R4 und AK 44, aber auch die Antifaschistische Revolutionäre Aktion Gießen (A.R.A.G.) aufgerufen.
  • Nachdem Anfang Dezember öffentlich bekannt wurde, dass auf der Grundlage der zwischen der Islamischen Republik Afghanistan und der Bundesrepublik Deutschland getroffenen Vereinbarung die Rückkehr von afghanischen Staatsbürgern in ihr Heimatland organisiert wird, kam es am 10. und 14. Dezember am Frankfurter Flughafen zu Demonstrationen, unter denen sich auch mehrere Autonome befanden.

„Anti-Gentrifizierung“/„selbstverwaltete Freiräume“: Solidaritätsaktionen für das Berliner Szeneobjekt „Rigaer 94“ | Nachdem am 22. Juni in Berlin der bundesweit symbolträchtige autonome Szenetreffpunkt Rigaer Straße 94/Kaderschmiede teilweise geräumt worden war, kam es als Reaktion hierauf in den folgenden Tagen und Nächten zu mehreren Spontandemonstrationen, Angriffen auf die Polizei und zahlreichen Sachbeschädigungen an Gebäuden. Auch Fahrzeuge wurden in Brand gesetzt. Darüber hinaus fanden im gesamten Bundesgebiet „Solidaritätsaktionen“ statt. Sie reichten von Internetverlautbarungen über unangemeldete Demonstrationen bis hin zu weiteren Sachbeschädigungen und Brandstiftungen. In Hessen waren insbesondere Frankfurt am Main und Kassel betroffen.

In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni wurde in Frankfurt am Main das ehemalige Philosophicum der Goethe-Universität vermutlich mittels einer Zwille mit mehreren Metallkugeln beschossen. Zehn Fenster wurden beschädigt, es entstand ein Schaden in Höhe von etwa 15.000,– Euro. In einem auflinksunten.indymedia.org veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben bezeichneten die Täter ihre Aktion als Antwort auf die Räumung der Rigaer Straße und kündigten weitere „Aktionen“ an. Insbesondere drohten sie der Polizei, sich die „Kugeln nur gut anzuschauen und aufzupassen“. Zugleich kritisierten die Verfasser den geplanten Umbau des Philosophicums in ein − aus ihrer Sicht − „luxuswohnheim für ,studierende‘“ als „teil der repressiven politik auf dem campus bockenheim“, die sich auch in „rassistischen kontrollen gegen geflüchtete und vermeintliche dealer*innen, welche irgendwie meist sogenannte migranten sind“, äußere (Schreibweise der Zitate wie im Original).

Ende Juni bekundete in Kassel eine dem autonomen Spektrum nahestehende Gruppe auf ihrer Facebook-Seite ihre Solidarität mit der Rigaer Straße 94 und forderte unter anderem dazu auf: „tunt nen paar Karren runner, produziert Altglas, schiebt das Altpappier zusammen und heizt auch den Bonzigen Geldsäcken in Kassel und Umgebung mal so richtig einzuheizen!!!“ (Schreibweise wie im Original). In der Nacht vom 4. auf den 5. Juli wurden in Kassel zwei Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse in Brand gesteckt, wodurch ein Schaden von etwa 10.000,– Euro entstand. In einem am 12. Juli auf linksunten.indymedia.org veröffentlichten Schreiben bezeichnete ein unbekannter Verfasser mit dem Pseudonym „Anarchist“ die Tat als weitere Solidaritätsaktion mit der Rigaer Straße 94: „Jede Räumung hat ihren Preis! Zeigt Solidarität und zwingt die Politik in die Knie!“

Darüber hinaus wurden in Frankfurt am Main im Juli jeweils ein Fahrzeug der Firma Mainova AG sowie des Unternehmens Siemens und ein Streifenwagen der Stadtpolizei in Brand gesetzt. Der Schaden belief sich auf mehrere zehntausend Euro. In einem wiederum auf der linksextremistischen Internetseite linksunten.indymedia.org veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben hieß es, Siemens sei angegriffen worden, da das Unternehmen „viel geld mit der herstellung und dem verkauf von überwachungssystemen“ verdiene:

„Die technologische absicherung der bestehenden verhältnisse wird aktiv unterstützt. Aber nicht nur in unseren breiten, so liefert siemens auch fortschrittliche überwachungstechnik in diverse staaten in denen die überwachte opposition mit weit mehr als gefängnis bedroht ist. […] Den dort kämpfenden drohen folter und tod“.
(Schreibweise wie im Original.)

Das Inbrandsetzen des Polizeifahrzeugs bzw. der Angriff auf die Polizei sei, so die Verfasser, „selbsterklärend“: „Rassistische kontrollen, sexistische übergriffe, verletzte demonstrant*innen, letztlich das aufrecht erhalten der kapitalistischen ordnung“ (Schreibweise wie im Original). Schließlich wurden in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli in Frankfurt am Main die Scheiben eines Büros einer Immobilienfirma durch Steinwürfe zerstört und auf die Hauswand großflächig das Graffiti „R94“ gesprüht. Die Schadenshöhe betrug etwa 15.000,– Euro.

Obwohl das Berliner Landgericht (LG) mit Versäumnisurteil vom 13. Juli die Teilräumung der Rigaer Straße 94 für rechtswidrig erklärte, dauerten die bundesweiten „Solidaritätsaktionen“ an, da in Berlin das autonome Szenegeschäft M99 − Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf aufgrund eines gerichtlichen Räumungstitels des Vermieters geräumt werden sollte.

„Antikapitalismus“: Umzug des Blockupy-Bündnisses nach Berlin − Vorbereitungen der Proteste gegen den G20-Gipfel | Mit den gewalttätig verlaufenen Protesten gegen die Eröffnungsfeier des EZB-Neubaus am 18. März 2015 hatte das linksextremistisch beeinflusste Blockupy-Bündnis den Höhepunkt seiner Aktivitäten in Frankfurt am Main erreicht. Das erste Treffen nach diesem Ereignis führte das Bündnis am 9. und 10. Mai in Berlin durch, da das „europä-ische Krisenregime […] mehr Zentren als nur die EZB“ habe, und deutete so die regionale Verlagerung seines Schwerpunkts an.

Im Juli 2016 folgte die „offizielle“ Bestätigung dieses Ortswechsels: Symbolträchtig beluden Blockupy-Aktivisten in Frankfurt am Main am 21. Juli einen Umzugswagen mit Kartons und Transparenten. Auf Facebook hieß es dazu:

„Frankfurt war uns lange eine gute Bleibe, doch nun tragen wir unseren Protest dahin, wo neoliberale Politik und soziale Spaltung ihren Anfang genommen haben. Europäische Sparpolitik wird in Berlin gemacht und genau dahin macht sich das Blockupy-Umzugsunternehmen auf den Weg“.

Am folgenden Tag wurde der Wagen im Rahmen einer Kundgebung vor dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Hauptstadt entladen, währenddessen das Blockupy-Bündnis für ein „Aktionswochenende gegen Austerität und Rassismus“ vom 2. bis 4. September in Berlin warb.

In Hessen mobilisierten für das „Aktionswochenende“ unter anderem die IL Frankfurt, kritik&praxis − radikale Linke [f]rankfurt sowie die Marburger Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. An den Demonstrationen und Blockade-Aktionen im September beteiligten sich jedoch deutlich weniger Personen als bei vergleichbaren Blockupy-Aktionstagen in Frankfurt am Main, da die linksextremistische Szene insgesamt ihren Fokus auf andere Themen richtete.

Gegen Jahresende begann die Mobilisierung gegen den G20-Gipfel, der am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg auf dem Gelände der Hamburg Messe und Congress stattfinden soll. Das Areal grenzt an das Schanzenviertel, in dem ein beträchtlicher Teil der linksextremistischen Szene Hamburgs lebt. Zudem steht dort das bundesweit symbolträchtige autonome Szeneobjekt Rote Flora.

Wie bereits im Rahmen der Blockupy-Proteste waren die IL und das …umsGanze!-Bündnis federführend bei den ersten Vorbereitungen und Mobilisierungen gegen den G20-Gipfel. In Hessen mobilisierten autonome Gruppen, so etwa die in beiden Bündnissen vertretenen Gruppen IL Frankfurt und kritik&praxis − radikale Linke [f]rankfurt und riefen zur Teilnahme an einer „Aktionskonferenz“ am 3. und 4. Dezember in Hamburg auf. Laut dem eigens zum G20-Gipfel eingerichteten linksextremistisch beeinflussten Internet-Infoportal #NOG20_2017“ nahmen 600 Personen an dem Treffen teil, bei dem über konkrete Aktionen gegen den Gipfel diskutiert wurde. So wurde angedacht, sogenannte No-Cop-Zones einzurichten, Massenblockaden durchzuführen, den Hamburger Hafen zu besetzen und einen internationalen Block auf der bereits angemeldeten Großdemonstration am 8. Juli 2017 zu bilden. Weiterhin wurden Themen wie das Organisieren von Camps und Anreisemöglichkeiten besprochen. Zudem wurde beschlossen, die Proteste gegen den G20-Gipfel unter den Leitspruch „Meutern! Entern! Kapern! G20 über Bord!“ zu stellen. In dem Internet-Portal hieß es:

„Mit der G20-Aktionskonferenz […] ist der Startschuss gefallen: Jetzt beginnt die Mobilisierung und die konkrete Vorbereitung in neu gegründeten Arbeitsgruppen, damit im Juli 2017 zehntausende Aktivist*innen aus ganz Europa nach Hamburg kommen, um gegen den G20-Gipfel eine Parade des Widerstandes und der Solidarität entgegenzusetzen“.

Darüber hinaus riefen gewaltorientierte Linksextremisten eine „militante Begleitkampagne“ ins Leben. Seit August 2016 wurden auf der hierfür geschaffenen Internetseite https://tschuess.noblogs unter dem Motto „Für eine militante Koordinierung aller Troublemakers und ChaotInnen gegen den G20“ Selbstbezichtigungsschreiben zu Sachbeschädigungen und Brandanschlägen im gesamten Bundesgebiet veröffentlicht:

„Hier werden Worte und Taten die sich gegen den Gipfel richten oder sich darauf beziehen dokumentiert und gesammelt. Es soll einen besseren Überblick bieten um eine kontinuierliche Diskussion zu ermöglichen und den Angriff gegen die Herrschaft auszuweiten und zu intensivieren“.
(Schreibweise wie im Original.)

Auf der Liste wurde auch eine Sachbeschädigung im Oktober in Frankfurt am Main aufgeführt, bei der offensichtlich Linksextremisten mit Steinen und farbgefüllten Flaschen mehrere Fenster des ehemaligen Philosophicums der Goethe-Universität eingeworfen hatten. Ähnlich wie im Juni rechtfertigten die Verfasser ihre Tat mit der „Transformation des ehemaligen Philosophicums zu Luxus Appartsments“ als weiteren „Meilenstein in der Zerstoerung lebenswerterer Stadtbereiche“ (Schreibweise wie im Original).

Entstehung/Geschichte

Die autonome Bewegung wurzelt in den europaweiten Studentenprotesten der späten 1960er und 1970er Jahre. In dieser Zeit entstand die Selbstbezeichnung Autonome. Für die große Öffentlichkeit zum ersten Mal erkennbar agierten Autonome, als sie 1980 in Bremen gegen die Vereidigung von Bundeswehrrekruten demonstrierten. Dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Als breite eigenständige Bewegung waren Autonome seit Anfang der 1980er Jahre auszumachen. Sie waren zunächst vor allem in der „Friedens“- und in der „Anti-Atomkraftbewegung“ sowie bei Hausbesetzungen aktiv. Autonome agierten gewalttätig gegen die in Wackersdorf (Bayern) geplante Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe und lieferten sich an der Startbahn West am Frankfurter Flughafen gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Mit der Zeit erschlossen sich die Autonomen weitere Aktionsfelder, die in der Regel durch eine „Anti“-Haltung gekennzeichnet sind: „Antifaschismus“, „Antirepression“, „Antirassismus“, „Anti-Gentrifizierung“, „Antimilitarismus“. „Antikapitalistische“ Einstellungen von Autonomen, die im „Kapitalismus“ die Wurzel allen Übels sehen, bilden die Grundlage für diese Aktionsfelder.

Ideologie/Ziele

Gemeinsame Vorstellungen der Autonomen | Das Ziel der Autonomen ist die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und des „kapitalistischen Systems“ zugunsten einer „herrschaftsfreien“ Gesellschaft. In ihr sollen sich unabhängige Individuen freiwillig vereinen und gemeinsam und gleichberechtigt handeln. Nach der Ansicht von Autonomen werden die Menschen durch Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat unterdrückt und ausgebeutet. Als Ursache hierfür betrachten die Autonomen die bürgerliche demokratische Gesellschaft und das freie Wirtschaftssystem im Kapitalismus. Imperialismus und vor allem Faschismus sind in den Augen der Autonomen die maßgeblichen Werkzeuge dieser dreifachen Unterdrückung.

Themenfelder | Ihre politischen Aktivitäten definieren Autonome über „Anti“-Haltungen, denen sie jeweils Feindbilder zuordnen (zum Beispiel „Antifaschismus“ – gegen „Rechte“ bzw. „Nazis“ − oder „Antirepression“ – insbesondere gegen Polizisten als öffentlich wahrnehmbare Vertreter des „staatlichen Repressionsapparats“). Sämtliche Feindbilder sind dabei auf eine „antikapitalistische“ Grundhaltung zurückzuführen. Um ihre Bündnis- und Mobilisierungsfähigkeit zu erhöhen, versuchen insbesondere Postautonome mehrere Themenfelder bei ihren Aktivitäten zu verknüpfen.

„Antikapitalismus“ | Dieses Themenfeld bildet den Kern der Vorstellungen der autonomen Szene bzw. des gesamten linksextremistischen Spektrums. Dem Marxismus zufolge ist die kapitalistische Wirtschaftsform das alles dominierende Element des menschlichen Daseins und bestimmt alle Lebensbereiche. Linksextremisten setzen auf dieser Basis die freiheitliche demokratische Grundordnung mit dem Kapitalismus gleich und bekämpfen diese, indem sie unter anderem soziale Themen für ihre Zweckeinstrumentalisieren.

„Antifaschismus“ | Vor allem das Themenfeld „Antifaschismus“ zeichnet sich für alle Linksextremisten dadurch aus, dass es eine hohe Anschlussfähigkeit an nichtextremistische Organisationen und Gruppierungen ermöglicht. Im Unterschied zur demokratischen Bekämpfung des Rechtsextremismus ist das linksextremistische „Antifaschismus“-Verständnis von Demokratiefeindlichkeit geprägt. In kommunistischer Tradition unterstellen Linksextremisten der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, selbst „faschistisch“ oder „faschistoid“ zu sein. „Faschist“ ist demnach jeder, der linksextremistische Überzeugungen nicht teilt. Sobald die Bewertung „Faschist“ vergeben ist, ist der Betroffene, unabhängig von seinen tatsächlichen Überzeugungen, nach linksextremistischem Urteil legitime Zielscheibe von Diffamierungen und Gewalttaten.

Unter „Antifaschismus“ verstehen Linksextremisten bzw. Autonome nicht nur die konsequente Ablehnung rechtsextremistischer Bestrebungen, vielmehr setzen sie den offensiven „Kampf gegen Rechts“ mit dem „Kampf gegen das Ganze“, das heißt gegen das „bürgerlich-kapitalistische System“, gleich: Erst wenn der Kapitalismus beseitigt sei, sei die Gefahr des Faschismus als Form bürgerlicher Herrschaft gebannt.

„Antirassismus“ | Vor dem Hintergrund der europäischen Flüchtlingspolitik und der damit einhergehenden medialen Berichterstattung sowie der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit versucht das linksextremistische Spektrum, mit „Aktionen“ in die Debatte einzugreifen. Entsprechend der autonomen bündnispolitischen Zielrichtung soll das szeneeigene Verständnis von „Antirassismus“ möglichst langfristig und breit in der Mehrheitsgesellschaft etabliert werden. Dieses Verständnis konzentriert sich nicht nur auf die Thematisierung der Flüchtlingsproblematik, sondern Autonome wollen vor allem nachweisen, dass Staat und Gesellschaft selbst rassistisch sind und daher im linksextremistischen Sinne bekämpft und überwunden werden müssen. Rechtmäßiges Handeln von Behörden gilt für Autonome in dieser Diktion als rassistisch: „Nazis morden, der Staat schiebt ab – das ist das gleiche Rassistenpack“.

„Anti-Gentrifizierung“/„selbstverwaltete Freiräume“ | Der Begriff „Gentrifizierung“ beschreibt den sozial-ökonomischen Wandel von Stadtvierteln, in denen vor allem die Preise für Wohnungen sowie die Mieten steigen. Die Wohnbevölkerung wechselt, indem ärmere Bevölkerungsgruppen weg- und soziale Gruppen mit deutlich höherer Kaufkraft hinzuziehen. Gegen diese Entwicklung formieren sich in den betroffenen Vierteln häufig Protestbündnisse aus alteingesessenen Bewohnern und Studenten, die sich für günstigen Wohnraum in den Innenstädten einsetzen.

Linksextremisten schließen sich diesen Initiativen aus mehreren Gründen an: Indem sie sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzen, können sie sich als sozialpolitische Akteure profilieren und gesellschaftliche Akzeptanz erreichen. Weiterhin ist es Autonomen auf diese Weise möglich, anschaulich ihre „antikapitalistische“ Grundhaltung zu vermitteln. Schließlich sind sie oft selbst von Gentrifizierung betroffen, da die von ihnen genutzten „selbstverwalteten Freiräume“ − also autonome Szeneobjekte − häufig selbst seitens des Eigentümers für entsprechende „Luxussanierungen“ vorgesehen sind. Insofern richten sich linksextremistische Aktionen in diesem Themenfeld gerade auch gegen Immobilienfirmen und Städtebaugesellschaften, die Eigentümer der Objekte sind.

Frage der Gewalt | Seit jeher versuchen Autonome ihre Ziele auch mit Gewalt zu erreichen. In der Anwendung von Gewalt sehen Autonome nicht nur ein „Mittel zum Zweck“, sondern ebenso einen Akt der „individuellen Selbstbefreiung“. Die regelmäßig in der Szene geführte „Militanzdebatte“ beschäftigt sich daher nicht mit der Legitimität von Gewaltanwendung, sondern mit der kontrovers diskutierten Frage, ob sich Gewalt „nur“ gegen Sachen oder auch gegen Menschen richten darf. Dabei nehmen es Autonome billigend in Kauf, dass Menschen im Rahmen ihrer „Aktionen“ verletzt oder sogar getötet werden.

Hauptströmungen der (post-)autonomen Szene in Hessen | Es sind drei Hauptströmungen – Antiimperialisten, Antideutsche und Antinationale – zu unterscheiden. Sie stehen sich inhaltlich zum Teil diametral gegenüber. Nur über nicht weiter präzisierte „antikapitalistische“ und „antifaschistische“ Grundhaltungen erzielen die drei Strömungen häufig einen Minimalkonsens.

Antiimperialisten | Antiimperialisten machen die vorgeblich durch den „Kapitalismus“ bedingte „imperialistische“ Politik westlicher Staaten, vorrangig der USA und Israels, für weltpolitische Konflikte verantwortlich. Diese Linksextremisten stehen daher fest an der Seite von „antiimperialistischen Befreiungsbewegungen“ etwa in Südamerika oder in der arabischen Welt. Im Unterschied zu den Antideutschen solidarisieren sich Antiimperialisten besonders mit dem von der Palestine Liberation Organization (PLO, Palästinensische Befreiungsorganisation) im Jahr 1988 ausgerufenen Staat Palästina und agitieren gegen Israel.

Antideutsche | Antideutsche zeigen sich dagegen uneingeschränkt solidarisch mit Israel, aber auch mit den USA als dessen militärischer Schutzmacht. Arabische Regimes und islamistische Organisationen bezeichnen die Antideutschen als „rechtsradikal“ oder „islamfaschistisch“. Militärische Aktionen gegen eine mögliche Bedrohung Israels sehen Antideutsche grundsätzlich als positiv an. Damit widersprechen Antideutsche dem „antimilitaristischen“ und gegen den Krieg gerichteten Selbstverständnis anderer autonomer Strömungen. Einige Autonome werfen Antideutschen daher „Kriegstreiberei“ vor. Ferner sprechen Antideutsche der deutschen Nation mit Verweis auf den Holocaust die Existenzberechtigung ab. Den Antiimperialisten unterstellen sie – ebenso wie dem deutschen Volk im Allgemei-nen – antizionistische und antisemitische Einstellungen.

Antinationale | Mit den Antinationalen entwickelte sich spätestens seit 2006 bundesweit eine dritte ideologische Ausrichtung, die in der autonomen Szene in Hessen dominierend ist. Die Positionen der Antinationalen liegen zwischen Antiimperialisten und Antideutschen, sind jedoch den letzteren näher.

Aus Sicht der Antinationalen ist jeder Staat im „Kapitalismus“ zwangsläufig imperialistisch. Kriege seien nur „Ausdruck der notwendigen Konflikte“ im kapitalistischen System, da die jeweiligen staatlichen Interessen gegenüber der globalen Konkurrenz durchgesetzt werden müssten. Die Antinationalen lehnen jedoch die einseitig positive Bezugnahme der Antiimperialisten auf revolutionäre Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt ab, da diese letztlich auch nur nationalistische Ziele verfolgten und häufig reaktionäre Ideologien verträten, die es aus „antifaschistischer“ Perspektive zu bekämpfen gelte. Dies trifft aus Sicht der Antinationalen insbesondere auf islamistische Gruppen zu.

Den Antideutschen wiederum werfen Antinationale eine zu starke Fixierung auf den „historischen Sonderweg“ Deutschlands und den daraus nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Staat Israel sowie eine Gleichsetzung von Islam und Islamismus vor. Zwar räumen Antinationale „Israel als Staat der Holocaustüberlebenden und als Schutzraum für die weltweit vom Antisemitismus bedrohten Jüdinnen und Juden“ eine Sonderstellung ein, andererseits sehen sie in Israel bei aller Solidarität mit dessen Volk einen „kapitalistischen“ Staat, der letztlich ebenso wie das gesamte Staatensystem abzuschaffen sei.

Strukturen

Szeneschwerpunkt | Frankfurt am Main war − wie in der Vergangenheit − sowohl personell als auch strukturell der Szeneschwerpunkt in Hessen. Etwa die Hälfte aller Autonomen in Hessen ist in der Stadt oder in den unmittelbar angrenzenden Kommunen (zum Beispiel Offenbach am Main) beheimatet. Bundesweit gehörte Frankfurt am Main − nach Berlin, Hamburg und Leipzig (Sachsen) − zu den Großstadtregionen mit den stärksten autonomen Szenen. Von anderen Szenen in Hessen unterschied sich der „harte Kern“ der Frankfurter Szene durch ein anhaltend hohes Aktionsniveau, seine große Gewaltbereitschaft und die gute bundesweite Vernetzung.

Besonders relevante Gruppen in Frankfurt am Main waren kritik&praxis – radikale Linke [f]rankfurt, die IL Frankfurt und siempre*antifa Frankfurt/M. Zudem machte die Anfang 2016 gegründete Plattform AUF durch zahlreiche Aktionen auf sich aufmerksam und etablierte sich als Sammelbecken junger, aktionsorientierter Autonomer in Frankfurt am Main. Mit dem Treffort Klapperfeld verfügte die Szene in Frankfurt am Main über den bedeutendsten autonomen Anlaufpunkt in Hessen. Darüber hinaus bildete das Café ExZess einen wichtigen Treffpunkt.

Regionale Szenen | Weitere autonome Szenen gab es in den Universitätsstädten Kassel, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und Gießen (Landkreis Gießen). Erwähnenswert sind die Gruppierungen T.A.S.K. und ak raccoons aus Kassel, die Marburger Gruppen d.i.s.s.i.d.e.n.t. und die antifaschistische gruppe 5 (ag5) sowie in Gießen die Antifa R4 und die A.R.A.G. Außerdem sind durch den Beitritt der radikalen Linken Darmstadt zur IL wieder autonome Strukturen in Darmstadt in Erscheinung getreten.

Insgesamt gehörten der IL einige autonome Gruppierungen aus Hessen an, was ein Beleg für die bundesweite Vernetzung von Autonomen in Hessen ist. Darüber hinaus war das Bündnis antifaschistischer Strukturen Hessen (B.A.S.H.) aktiv, das einmal im Jahr ein „Antifacamp“ ausrichtet, das der Politisierung, Radikalisierung und letztlich Rekrutierung junger Menschen, die längerfristig in autonomen Strukturen aktiv sein wollen, dienen soll.

Bewertung/Ausblick

Während für die gewaltorientierte autonome Szene in Hessen das Jahr 2015 von den gewalttätigen Ausschreitungen bei den Protesten gegen die EZB-Neueröffnung geprägt war, fehlte im Berichtsjahr ein derart herausragender Fixpunkt. Ebenso gingen die autonomen Aktivitäten im Themenfeld „Antikapitalismus“ deutlich zurück.

Dagegen engagierten sich Autonome verstärkt in den Themenfeldern „Antifaschismus“ und „Antirassismus“. Ausgelöst durch die europäische Flüchtlingspolitik, konstatierte die autonome Szene eine Zunahme von nationalistischen und rassistischen Bestrebungen in den EU-Staaten. Daraus resultierende Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien bildeten für Autonome einen Grund für zunehmende Gegenaktionen. Gab es bereits im Berichtsjahr zahlreiche entsprechende Aktivitäten (Störungen, Sachbeschädigungen, Outings, körperliche Angriffe) − vorwiegend gegen die AfD −, ist mit einer weiteren quantitativ-qualitativen Zunahme zu rechnen. Dies gilt vor allem mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen und die Bundestagswahl im Jahr 2017.

Die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Themenfelder „Antifaschismus“ und „Antirassismus“ nutzten Autonome, um gezielt Bündnisse mit Nichtextremisten zu schließen. Solche spektrenübergreifenden Allianzen bieten der autonomen Szene mehrere Vorteile: Sie kann die Bündnisaktivitäten in ihrem Sinne beeinflussen und so ihre demokratiefeindliche und staatsablehnende Haltung in Teile der Gesellschaft tragen. Gleichzeitig können Autonome, wie bei den Protesten gegen die „Demo für Alle“ in Wiesbaden geschehen, von der demokratischen Öffentlichkeit zumeist unwidersprochen gemeinsam mit Nichtextremisten demonstrieren. Zudem ist es Autonomen in der Anonymität größerer, in der Gesamtheit wenig gewaltorientierter Demonstrationen leichter möglich, unbehelligt Straf- und Gewalttaten gegen die Polizei und/oder den politischen Gegner zu begehen.

Angesichts der anhaltenden politischen Debatte über die Flüchtlingspolitik werden die Themenfelder „Antifaschismus“ und „Antirassismus“ auch im Jahr 2017 die Aktionsschwerpunkte von Autonomen in Hessen bilden. Zusätzlich steht mit den Protesten gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg ein für das gesamte linksextremistische Spektrum herausragendes Ereignis an, das dieDimension der zum großen Teil gewalttätigen Proteste gegen die EZB-Neueröffnung überschreiten dürfte.

Offen extremistische Zusammenschlüsse in und bei der Partei DIE LINKE

Innerhalb der Partei DIE LINKE. gab es mehrere offen linksextremistische Zusammenschlüsse, die tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen aufweisen, die darauf abzielten, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu überwinden. Dies traf auch auf Gruppierungen zu, die der Partei nahestehen. Insgesamt handelt es sich in Hessen dabei um folgende Personenzusammenschlüsse:

Die Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF), die Antikapitalistische Linke (AKL), die Sozialistische Linke (SL), die Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) und die der Partei DIE LINKE. nahestehenden Jugendorganisationen Linksjugend [´solid] und DIE LINKE.Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (DIE LINKE.SDS).

Linksjugend [‘solid] | Die der Partei DIE LINKE. nahestehende Jugendorganisation Linksjugend [‘solid] unterstützt in ihrem Grundsatzprogramm die Ziele eines „grundsätzlichen Systemwechsel[s]“ und die „Überwindung kapitalistischer Produktions- und Herrschaftsverhältnisse“:

„Als SozialistInnen, KommunistInnen, AnarchistInnen kämpfen wir für eine libertäre, klassenlose Gesellschaft jenseits von Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat“.

Die Linksjugend [‘solid] bekennt ferner:

„Unser Ziel ist und bleibt‚ ‚alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.’ (Karl Marx)“.

Nach eigener Darstellung gliederte sich der Landesverband der Linksjugend [’solid] in Hessen in 13 Orts-, Basis- und Regionalgruppen.

In Wiesbaden beteiligte sich die Linksjugend [‘solid] zusammen mit anderen Linksextremisten an den Protesten gegen die „Demo für alle – Ehe und Familie vor! Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder“ (siehe Kapitel Linksextremistische Bündnispolitik: Allgemeine Entwicklungen am Beispiel relevanter Ereignisse). In dem Grußwort Linksjugend [‘solid] Hessen auf dem Landesparteitag der Partei DIE LINKE. hieß es im November laut der Veröffentlichung auf der Internetseite https://solid-hessen.de:

„Wir brauchen eine Partei mit einem klaren sozialistischen Profil, wir müssen in der Öffentlichkeit auch als eine Alternative für das bestehende System wahrgenommen werden, und dafür müssen wir den Menschen die Wahrheit sagen, nämlich dass sie im Kapitalismus kein Leben in Würde finden werden, egal welche Regierungskoalition am Ruder ist“.

DIE LINKE.Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (DIE LINKE.SDS) | DIE LINKE.SDS erklärt in ihrem „Selbstverständnis“: „Wir stehen ein für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und stellen ihr unsere handlungsbestimmende Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft entgegen“. In Hessen gab es Hochschulgruppen von DIE LINKE.SDS in Darmstadt, Frankfurt am Main, Gießen (Landkreis Gießen) und Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf).

Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF) | Die KPF war in der Partei derjenige Zusammenschluss, der sich am deutlichsten zum Kommunismus bekannte. Die KPF vertrat marxistisch-leninistische Positionen und definiert sich in ihrer Satzung als „bundesweiter Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei DIE LINKE.“ Auf der Internetseite der Partei DIE LINKE., Landesverband Hessen, hieß es:

„Die Bewahrung und Weiterentwicklung marxistischen Gedankenguts ist wesentliches Anliegen der Kommunistischen Plattform. Die Plattform tritt sowohl für kurz- und mittelfristig angestrebte Verbesserungen im Interesse der Nicht- und wenig Besitzenden innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft als auch für den Sozialismus als Ziel gesellschaftlicher Veränderungen ein. Antifaschismus und Antirassismus sind für die Kommunistische Plattform ein strategisches politisches Anliegen, und sie wendet sich gegen jegliche Art von Antikommunismus, von wem er auch ausgehen mag“.

In Hessen erkannte der Landesverband der Partei DIE LINKE. die KPF formell als Landesarbeitsgemeinschaft an. Auf ihrer Internetseite machte die KPF unter anderem auf den Umzug des Blockupy-Bündnisses von Frankfurt am Main nach Berlin aufmerksam und verlinkte dessen Webseite. Darüber hinaus berichtete die KPF über die Demonstration am 14. Dezember am Frankfurter Flughafen gegen die Abschiebung von afghanischen Staatsbürgern in ihr Heimatland.

Antikapitalistische Linke (AKL) | Die AKL forderte die Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung und die Einführung des Sozialismus. In dem Grundlagentext zu ihrem politischen Selbstverständnis („Kapitalismus bedeutet Krieg, Umweltzerstörung und Armut – für eine antikapitalistische Linke!“) aus dem Jahr 2013 wandte sich die AKL gegen einen „regierungs- und parlamentsfixierten ,Pragmatismus’ in der LINKEN“ und setzte dem ein „antikapitalistisches Programm mit sozialistischem Ziel“ entgegen. Der hessische Landesverband der Partei DIE LINKE. erkannte die AKL formell als Landesarbeitsgemeinschaft an. Nach wie vor gehörte die AKL dem Blockupy-Bündnis an.

Sozialistische Linke (SL) | Auch die SL wurde vom hessischen Landesverband der Partei DIE LINKE. formell als Landesarbeitsgemeinschaft anerkannt. Die SL trat für die Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung ein und steht laut ihrer Gründungserklärung in der „Tradition der sozialistischen ArbeiterInnenbewegung“. Sie fordert einen neuen Anlauf, um die „Vorherrschaft des Kapitals zu überwinden“. Die SL ist davon überzeugt, dass „fortschrittliche gesellschaftliche Veränderungen […] nur in einem Wechselspiel politisch-parlamentarischer Kräfte und außerparlamentarischer sozialer Bewegungen durchgesetzt werden“ können. Die Aktivitäten der SL Hessen beschränkten sich überwiegend auf Internet-Einstellungen.

Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) | 1991 als Arbeitsgemeinschaft (AG) beim Parteivorstand der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) gegründet, waren für die AG Cuba Si die „politische und materielle Solidarität mit dem sozialistischen Kuba […] Grundanliegen und wesentlicher Inhalt“ ihrer Tätigkeit. Die AG unterhielt freundschaftliche und solidarische Kontakte zu zahlreichen kubanischen Organisationen und Einrichtungen, unter anderem zur Partido Comunista de Cuba (PCC, Kommunistische Partei Kubas).

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und diplomatischen Annäherung zwischen den USA und Kuba bekräftigte Cuba Si in einem im Internet veröffentlichten Beitrag („10 gute Gründe für die Solidarität mit dem sozialistischen Kuba“), warum das Land „auch weiterhin unsere Solidarität“ benötige: So müssten die „Errungenschaften der Revolution“ verteidigt und durch die Unterstützung des sozialistischen Kuba die „Stärkung einer gesellschaftlichen Alternative zum Imperialismus“ gefördert werden.

Laut ihrer Internetseite verfügte die AG Cuba Si über eine Regionalgruppe in Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf).

Linksextremistische Bündnispolitik: Allgemeine Entwicklungen am Beispiel relevanter Ereignisse

Linksextremisten versuchen, politische, soziale und ökonomische Themen zu besetzen, die gesamtgesellschaftlich relevant sind. Bereits der marxistische Theoretiker Antonio Gramsci (1891 bis 1937) hatte sich mit dieser − aus linksextremistischer Sicht − Notwendigkeit der Besetzung von Themen beschäftigt. Es geht dabei um die Frage, wer die Definitionsgewalt in der Gesellschaft besitzt, wer also letzten Endes die Bedeutung bestimmter Begriffe und ihre positive oder negative Wertung festlegt. Gramscis Hegemonialtheorie entfaltete − neben ihrer Bedeutung innerhalb des Linksextremismus − Wirkung in Wissenschaft und Politik und wurde selbst von Rechtsextremisten rezipiert.

Ziele und Funktion linksextremistischer Bündnispolitik | Linksextremisten kooperieren häufig anlassbezogen sowohl mit anderen − teilweise relativ ideologiefernen − linksextremistischen Gruppierungen als auch mit nichtextremistischen Personen und Gruppierungen. Hierbei versuchen Linksextremisten, die Diskussion über klassische linksextremistische Themen wie etwa „Antikapitalismus“ und „Antifaschismus“ in die Mitte der Gesellschaft zu verschieben und dort elementare linksextremistische Positionen „salonfähig“ zu machen. Die hierbei entstehenden möglichst breit angelegten Bündnisse zwischen Linksextremisten und „bürgerlichen“ Initiativen und Organisationen haben für Autonome nicht nur eine gewisse Schutzfunktion gegenüber „staatlicher Repression“, sondern bieten auch eine gesellschaftliche Legitimation ihrer Standpunkte und Aktivitäten.

Aktivitäten an Hochschulen | So instrumentalisierte etwa die autonome Gruppierung kritik&praxis − radikale Linke [f]rankfurt die Goethe-Universität in Frankfurt am Main in ihrer Funktion als universitärer Freiraum für ihre Zwecke. Mehrmals dienten Räumlichkeiten der Universität als Treff- und Ausgangspunkt für Aktivitäten der linksextremistischen Gruppierung. Im November war im Rahmen des „3. Marktplatzes der kritischen Initiativen“ auf dem Campus Westend der Goethe-Universität am 23. November ein Stand von kritik&praxis − radikale Linke [f]rankfurt aufgebaut. An dem Stand waren Banner mit den Aufdrucken „Staat Nation Kapital Scheisse“ und „…ums Ganze! Kommunistisches Bündnis“ angebracht.

„Nachttanzdemo“ | Bei der traditionellen „Nachttanzdemo“ in Gießen (Landkreis Gießen) war die autonome Gruppierung Antifaschistische Revolutionäre Aktion Gießen (A.R.A.G.) am 13. August mit einem eigenen Wagen vertreten. Gut sichtbar hingen an dem Laster Banner mit den Aufschriften „Unite against Fascism Capitalism and Repression“ und − versehen mit typisch linksextremistischer Symbolik − „ARAG love music − hate fascism“. Organisiert worden war die „Nachttanzdemo“, bei der insgesamt drei Wagen zum Einsatz kamen, von dem nichtextremistischen Protest Plenum Gießen, zu dem sich unter anderem mehrere Gewerkschaften und Studierendenvertretungen zusammengeschlossen hatten. Bei anderen Veranstaltungen arbeitete die A.R.A.G. mit dogmatisch-kommunistischen Organisationen wie der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) zusammen.

Gegendemonstration in Wiesbaden mit linksextremistischer Beteiligung | Den Protest gegen die „Demo für alle – Ehe und Familie vor! Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder“ („Demo für alle“) am 30. Oktober in Wiesbaden organisierten im Wesentlichen zwei Zusammenschlüsse: Das Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt – gegen Diskriminierung und Ausgrenzung sowie das Bündnis Demo für Alle – Läuft nicht! Dem ersten Bündnis gehörten 95 Gruppierungen und Organisationen an, darunter acht, die dem Phänomenbereich Linksextremismus zuzurechnen sind (so etwa REBELL Wiesbaden und Linksjugend [‘solid], Ortgruppe Wiesbaden). Die 23 „Unterstütz_Innen“ des zweiten Bündnisses setzten sich zu einem hohen Anteil aus autonomen und anarchistischen Gruppierungen zusammen, zum Beispiel der IL Frankfurt, kritik&praxis –radikale linke [f]rankfurt und turn*left ffm.

Im Vorfeld gab es Anspielungen auf mögliche Sachbeschädigungen oder mögliche Gewaltaktionen bei der Gegendemonstration in Wiesbaden. So veröffentlichte kritik&praxis – radikale linke [f]rankfurt auf Facebook einen mit einem Bild kombinierten Text, auf dem ein Ausschnitt von einer Sturmhaube und Augen, die den Betrachter im Visier haben, zu sehen waren. Die Marburger autonome Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. appellierte im Internet: „Kommt vorbei und lasst uns gemeinsam Stunk machen“. Am 29. Oktober erklärte eine Sprecherin des Bündnisses Demo für Alle – Läuft nicht! in einem auf der linksextremistischen Internetplattform linksunten.indymedia.org veröffentlichten Beitrag:

„Dieser rechten Offensive werden wir uns entschlossen entgegenstellen. Dabei sind wir mit allen solidarisch, die durch verschiedene Formen des Protests und Blockaden dieses Event unmöglich machen“.

Die Teilnehmerzahl der Gegendemonstration lag bei 1.000 bis 1.200 Personen, wobei es keine Trennung zwischen beiden Bündnissen gab. 300 bis 400 Personen blockierten einen Teil der Aufzugsstrecke der „Demo für alle“, dabei wurde „Fight the power, fight the system“ skandiert. Aus der Blockade heraus versuchten etwa 100 Personen mittels der unter Autonomen üblichen Kleingruppentaktik weitere Störungen und Blockaden zu organisieren, was die Polizei verhinderte. kritik&praxis – radikale linke [f]rankfurt zeigte ein Transparent mit der Aufschrift „Tod der Reaktion – kp frankfurt“.

In einer Pressemitteilung des Bündnisses Demo für Alle – Läuft nicht! hieß es:

„,Auch wenn wir die sogenannte »Demo für alle« nicht gänzlich verhindern konnten, haben wir es geschafft, deren Ablauf erheblich zu stören und die Route dieses rechten Aufmarsches auf ein Minimum zu verkürzen. Dank Aller, die sich – trotz des massiven Polizeiaufgebots, der Repression und Polizeigewalt – an den Blockaden beteiligt haben, ist dieser Erfolg möglich geworden‘“.

Unter den etwa 700 Teilnehmern der „Demo für alle“ befanden sich etwa 30 Rechtsextremisten.

Bewertung/Ausblick | Mittel- und langfristig ist für Linksextremisten die Teilhabe an der politischen Meinungsbildung der „Mehrheitsgesellschaft“ ein Ziel, was sie vor allem mit Hilfe der Instrumentalisierung des Themas „Antifaschismus“ zu erreichen suchen. Umgekehrt sehen Demokraten in ihrem Schulterschluss mit linksextremistischen Gruppierungen − insbesondere bei Aktivitäten gegen „Rechte“ − mitunter nichts „Verwerfliches“ und erkennen den Extremismusgehalt des „Anti-Agierens“ nicht. Dass Linksextremisten eigene Ziele verfolgen und hierzu scheinbar sachorientiert mit demokratischen Kräften zusammenarbeiten, bleibt letzteren mitunter verborgen. Eine deutliche Abgrenzung der nichtextremistischen bzw. demokratischen Organisationen gegenüber linksextremistischen Mitdemonstrierenden und/oder Bündnispartnern findet in der Regel nicht statt. So können linksextremistische Sichtweisen in die Mitte der Gesellschaft eingebracht werden.

Da nichtextremistische Organisationen in aller Regel keine Gewalt akzeptieren, stellt sich für Nichtextremisten und Autonome immer wieder die Frage der gegenseitigen Akzeptanz. Das Spannungsfeld, das aus den Polen Bündnispolitik und Gewalt besteht, wird überbrückt, indem breite Bündnisse − häufig unter Anleitung von Linksextremisten − einen „Aktionskonsens“ herbeiführen. Im Rahmen des gemeinsam verfolgten Ziels können dann unterschiedliche Aktionsformen gleichberechtigt nebeneinander stehen, sodass die Gewaltfrage inhaltlich ungeklärt bleibt. Wenn jedoch breite „antifaschistische“ Bündnisse vom Konsens einer „Toleranz unterschiedlicher Aktionsformen“ getragen werden, werden gewalttätige Auseinandersetzungen möglich, denen letztlich nur die Polizei entgegenwirken kann. Insofern verschwimmt zum Schaden der Demokratie und der Bürgerinnen und Bürger die gebotene Trennschärfe zwischen extremistischer Betätigung und zivilcouragiertem Engagement.

Sonstige Beobachtungsobjekte

Im Folgenden werden weitere relevante Beobachtungsobjekte aufgeführt, wobei deren Auflistung nicht abschließend ist.

Deutsche Kommunistische Partei (DKP) | Die 1968 gegründete DKP versteht sich als „revolutionäre Partei der Arbeiterklasse“ in der Tradition der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Das Ziel der DKP ist die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in einem revolutionären Bruch, um − als erste Stufe auf dem Weg zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft − den Sozialismus zu verwirklichen.

Die DKP-Bezirksorganisation − vergleichbar einem Landesverband − gliederte sich in 14 Kreisorganisationen. Sie waren unterschiedlich aktiv, einige von ihnen gaben Kleinzeitungen heraus. In Hessen waren der DKP etwa 350 Mitglieder zuzurechnen, bundesweit zwischen 3.000 bis 3.500. Der Schwerpunkt der Aktivitäten der DKP in Hessen lag in den Gemeinden Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) und Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg). Die DKP führte nur wenige öffentlichkeitswirksame Aktionen durch, interne Veranstaltungen dominierten das Geschehen in der Partei, jedoch beteiligte sich die DKP am 6. März an der hessischen Kommunalwahl (siehe Kapitel Kommunalwahl: Wahlkampf und Wahlergebnisse von Rechts- und Linksextremisten). Nach wie vor befanden sich die Gesamtpartei sowie die DKP in Hessen in finanziellen Schwierigkeiten, ebenso hielten die innerparteilichen Richtungskämpfe zwischen Anhängern des orthodoxen Marxismus und einem weniger starren dogmatischen Flügel an.

In Fortsetzung des 21. Bundesparteitags, der zuletzt am 14. und 15. November 2015 in Frankfurt am Main getagt hatte, fand am 27. Februar in Kassel dessen dritter Teil statt (traditionell veranstaltet die DKP zu Themen, die während des eigentlichen Parteitags nicht abschließend beraten wurden, Folgeparteitage). Neben dem mit großer Mehrheit angenommenen Antrag des Parteivorstands, den Beobachterstatus der DKP in der Europäischen Linkspartei (ELP) zu beenden, wurde bekannt gegeben, dass ein hessischer DKP-Funktionär im Juli neuer Chefredakteur des Parteiorgans unsere zeit (uz) geworden ist.

Das uz-Pressefest vom 1. bis 3. Juli in Dortmund (Nordrhein-Westfalen), das die DKP als „das größte Fest der Linken“ bezeichnete, besuchten nach eigenen Angaben mehrere zehntausend Personen. In unterschiedlichen „Themen“Zelten fanden politische Diskussionen, auch mit dem Bundesvorsitzenden der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), statt. Die SDAJ selbst organisierte das Jugendprogramm während des Pressefests.

SDAJ | Die dogmatisch-kommunistische Jugendorganisation versuchte ihre Ziele vor allem durch die Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Organisationen zu verwirklichen. Der SDAJ in Hessen waren rund 80 Mitglieder zuzurechnen, bundesweit etwa 750. Die mit der DKP eng verbundene Organisation war in Hessen mit Ortsgruppen in den Regionen Darmstadt/Odenwald, Frankfurt am Main, Gießen/Marburg, Kassel und Fulda aktiv.

Am 19. und 20. März tagte in Eschborn (Main-Taunus-Kreis) der 22. Bundeskongress der SDAJ, wobei der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele ebenfalls an dem Treffen der „rund 150 jungen Revolutionäre“ teilnahm. Beschlossen wurde unter anderem die „antimilitaristische“ Kampagne „Stop Wars − Gemeinsam gegen ihre Kriege!“, die vom Sommer 2016 bis zum Frühjahr 2017 einen Schwerpunkt der Aktivitäten der SDAJ bildete: „Wir werden in den nächsten Monaten die Bundeswehr überall dort stören, wo sie Kanonenfutter rekrutieren will“. Außerdem wählten die Delegierten den 26-jährigen − nur unter Pseudonym auftretenden − Lehramtsstudenten Jan Meier zum neuen Bundesvorsitzenden.

Im Rahmen der „vocatium Vellmar − Fachmesse für Ausbildung und Studium“ protestierten die SDAJ Kassel, so ein Bericht Anfang Juni auf der Internetseite der SDAJ Hessen, „gemeinsam mit dem Schüler-gegen-Krieg-Treffen, Solid, der SAV und dem Friedensforum gegen das Werben der Bundeswehr“. Allgemein hieß es im Internet seitens der SDAJ über die Kampagne „Stop Wars − Gemeinsam gegen ihre Kriege!“:

„Damit die Banken und Konzerne ihre Interessen durchsetzen können, braucht es genug junge Menschen, die bereit sind ihr Leben im Krieg zu verlieren, und es braucht eine Bevölkerung, die toleriert, dass Deutschland Krieg führt. Dafür zeigt die Bundeswehr sich immer cooler, jünger und attraktiver. Und das überall: in der Schule, auf Messen, im Jobcenter, aber auch im Fernsehen, auf Plakatwänden, in Zeitschriften und im Internet“.

Im Rahmen ihrer Solidaritätsarbeit mit ausländischen linksextremistischen Gruppen ermöglichte die DKP der türkischen Musikgruppe Grup Yorum, am 18. Juni ein Konzert in Gladbeck (Nordrhein-Westfalen) durchzuführen. Die Gruppe steht der in Deutschland verbotenen Terrororganisation Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi (DHKP-C, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) nahe. Mit Hinweis auf die Unterstützung der DHKP-C seitens Grup Yorum hatte die Stadt Gladbeck die ursprünglich als Konzert angemeldete Veranstaltung untersagt, was die DKP durch ihre Umwidmung des Konzerts in eine von ihr angemeldete Kundgebung mit musikalischem Programm unterlief.

Weitere Schwerpunkte waren − wie in den vergangenen Jahren − die Themen „Antikapitalismus“ und „prekäre Ausbildungsverhältnisse“. Im Fokus der SDAJ standen Wirtschaftsunternehmen, die sie als repräsentativen Teil des „kapitalistischen Systems“ für soziale und politische Missstände mitverantwortlich machte. Die bereits 2013 ins Leben gerufene Kampagne „Unsere Zukunft statt eure Profite! – Ausbeuter outen – Ausbildungen erkämpfen“, welche die „Profiteure“ „ausbeuterischer“ Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen zu diskreditieren sucht, setzte die SDAJ fort und ergänzte sie um ihre Kritik an der Nachwuchswerbung der Bundeswehr unter Jugendlichen.

Das „Süd-Pfingstcamp“ der SDAJ Hessen, Bayern und Baden-Württemberg am Marbach-Stausee in der Nähe von Beerfelden (Odenwaldkreis) stand unter dem Motto „Stop wars!“ Wer, so die Werbung der SDAJ im Internet, „keinen Bock auf Krieg, die Bundeswehr, Nazis, überfüllte Klassen, marode Schulen und Jugendarbeitslosigkeit genauso wie das kaputt sparen von Schwimmbädern und Jugendzentren [hat], ist hier genau richtig“ (Schreibweise wie im Original). In der Zeit vom 13. bis 16. Mai besuchten über 230 Personen die Veranstaltung, insgesamt nahmen, so die SDAJ, nahezu 600 Personen an den insgesamt vier regionalen Camps teil. Auf dem Programm des „Süd-Pfingstcamps“ standen − neben einem „Sport-, Spiel und Spaßangebot“ − eine „Podiumsdiskussion zu Rüstungskonversion, Argumentationstrainings gegen Flüchtlingshetze und die Bundeswehr an Schulen“.

Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) | Die maoistisch-stalinistisch orientierte MLPD versteht sich als „politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland“. Ihre Ziele sind laut Parteiprogramm der „revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats“, die zum Aufbau einer „klassenlosen kommunistischen Gesellschaft“ führen sollen. Auch wenn sich Anhänger der MLPD an Demonstrationen und Aktionen beteiligten, erhielt die Partei, der etwa 100 Mitglieder in Hessen (bundesweit rund 1.800) zuzurechnen waren, nahezu keine Aufmerksamkeit. Das lag vor allem an der weitgehenden Isolation der MLPD im linksextremistischen Spektrum.

Neben allgemeinen politischen Themen konzentrierte sich die MLPD auf ihre im Jahr 2015 initiierte Kampagne „Solidarität mit Kobanê“ und rief weiterhin zur Unterstützung regionaler „Solidaritätsbrigaden“ zum Wiederaufbau der vom Islamischen Staat zurückeroberten kurdischen Stadt auf. Die MLPD forderte „Freiheit für Kurdistan!“ sowie die „sofortige Aufhebung“ des Betätigungsverbots für die Partiya Karkerên Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans).

In dem „auf dem Sonneberger Parteitag [im November in Thüringen] 2016 weiterentwickelte[n] Programm“ zog die MLPD, so ihre Erklärung im Vorwort, „Schlussfolgerungen für die Erweiterung und Höherentwicklung der marxistisch-leninistischen Strategie und Taktik in der Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution“. Im August verkündete die MLPD ihre Absicht, zur Bundestagswahl 2017 als Internationale Liste/MLPD bundesweit mit 16 Landeslisten und möglichst vielen Direktkandidaten anzutreten. Parteiintern stellte die MLPD die Weichen für einen Generationswechsel an der Spitze: Stefan Engel erklärte, „aus gesundheitlichen Gründen die Funktion des Parteivorsitzenden“ nach dem Parteitag aufzugeben. Auf dem Parteitag wurde der Beschluss gefasst, Gabi Gärtner, die stellvertretende Parteivorsitzende und zugleich Tochter Engels, „einstimmig als neue Parteivorsitzende ab April 2017“ zu wählen.

Die MLPD war mit Ortsgruppen in über 450 Städten in Deutschland vertreten. Der MLPD-Landesverband Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland (RHS) hat seinen Sitz in Frankfurt am Main. In Hessen waren Ortsgruppen in Kassel, Frankfurt am Main, Darmstadt, Rüsselsheim am Main (Kreis Groß-Gerau) und Wiesbaden aktiv. Ebenso war der MLPD-Jugendverband REBELL bundesweit mit Ortsgruppen vertreten, in Hessen in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden.

Rote Hilfe e. V. (RH) | In Anlehnung an die im Jahr 1924 in der Weimarer Republik (1918 bis 1933) von der KPD initiierte Rote Hilfe Deutschlands (RHD) versteht sich die RH laut ihrer Satzung als „parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“. Sie bezeichnet die Bundesrepublik Deutschland als ein „nationalstaatlich fixiertes, bürgerlichkapitalistisches Herrschaftssystem, das von unterschiedlichen Unterdrückungsmechanismen (wie Rassismus oder Sexismus) strukturiert und geprägt wird“. In Hessen verfügte die RH über Ortsgruppen in Darmstadt, Gießen (Landkreis Gießen), Frankfurt am Main, Kassel und Wiesbaden. Ihr gehörten in Hessen mehrere hundert Personen (bundesweit etwa 8.000) an.

Die von Linksextremisten verschiedener Richtungen getragene RH unterstützte seit den 1970er Jahren inhaftierte bzw. inzwischen aus der Haft entlassene Mitglieder der mittlerweile aufgelösten Terrororganisation Rote Armee Fraktion (RAF). Neben politischer und finanzieller Hilfe versuchte die RH mittels „Rechts-beratung“ Linksextremisten, die politisch motivierte Straftaten begingen, der staatlichen Strafverfolgung zu entziehen. Die RH empfahl daher den „Genoss_innen“ die „konsequente Aussageverweigerung“ als „beste Strategie im Umgang mit Repressionsbehörden“.

Die RH Ortsgruppe Frankfurt am Main begleitete im Berichtsjahr bei Prozessen vorwiegend Angeklagte, die linken und linksextremistischen Gruppierungen zuzurechnen waren, und wegen bei Veranstaltungen begangener Straftaten vor Gericht standen. Auf ihrer Homepage wies die RH Hilfe auf anstehende Prozesse hin und rief Sympathisanten zur „kritischen Prozessbegleitung“ auf, um sich solidarisch mit den Angeklagten zu zeigen. Mitunter meldete die RH Ortsgruppe Frankfurt am Main Kundgebungen vor dem jeweiligen Gerichtsgebäude an bzw. veröffentlichte Verlaufsberichte über die Prozesse. So thematisierte sie einen Prozess in München (Bayern) gegen zehn Mitglieder der in Deutschland als terroristische Organisation eingestuften Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist (TKP/ML, Türkische Kommunistische partei/Marxisten-Leninisten) sowie der Avrupa Türkiyeli İşçiler Konfederasyonu (ATIK, Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa), einer Auslandsorganisation der TKP/ML. Hierzu führte die Frankfurter Ortsgruppe am 29. September eine „Informations- und Mobilisierungsveranstaltung“ („revolutionärer Widerstand ist nicht verhandelbar!“) im Café Exzess durch, bei der sie für eine Teilnahme an einer Kundgebung am 28. Oktober in München warb.

Darüber hinaus kritisierte die Rote Hilfe Ortsgruppe Frankfurt den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf eine Verfassungsbeschwerde. Hier hatte ein Demonstrant gegen die polizeiliche Einschließung von nahezu 1.000 Personen im Rahmen der Frankfurter Blockupy-Demonstration „Europäische Solidarität gegen das Krisenregime von EZB und Troika“ geklagt. Hintergrund war unter anderem, dass Feuerwerkskörper gezündet und auf die Einsatzkräfte geworfen worden waren. Auch mit Farbe gefüllte Flaschen und Beutel waren in Richtung Polizei geschleudert worden.

„Diese Entscheidung ist eine Schweinerei, die sich klar gegen linke Demonstrationen richtet. […] Es zeigt wieder einmal, dass nicht diese oder jene Regierung, diese oder jene Polizeimaßnahme, dieses oder jenes Urteil zu kritisieren ist, sondern dass in diesem Staat alle Instrumente Hand in Hand arbeiten. […] Ihre Schweinereien erhärten unseren Widerstand. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir schon längst beschlossen haben, uns nicht auf diese Gerichte und diese Entscheidungsträger_innen zu verlassen“.

Anarchisten | Die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU), der in Hessen etwa 50 Mitglieder zuzurechnen sind, versteht sich als „anarchistische Gewerkschaft“, die durch „direkte Aktionen“ wie „Streiks, Boykotte und Besetzungen“ eine selbstverwaltete Wirtschaft und eine „libertäre“, das heißt im Sinne des Anarchismus „herrschaftsfreie“, Gesellschaft errichten will. Um dieses Ziel zu verwirklichen, setzten Anarchisten auf individuelle Aktionen, welche die bestehende Ordnung destabilisieren und beseitigen sollen. In Hessen agierten die FAU und andere Anarchisten im Berichtsjahr lediglich im Internet.

Sozialistische Alternative (SAV) | Die 1994 gegründete trotzkistische SAV bezeichnet sich als revolutionäre, sozialistische Organisation und ist die deutsche Sektion des trotzkistischen Dachverbands Committee for a Workers’ International mit Sitz in London (Großbritannien). Mitglieder der SAV traten seit 2008 im Rahmen der für Trotzkisten typischen „Entrismuspolitik“ in die Partei DIE LINKE. ein, wozu die Organisation ihre Mitglieder aufgerufen hatte. SAV-Mitglieder waren etwa im Jugendverband Linksjugend [’solid] und im linksextremistischen innerparteilichen Zusammenschluss Antikapitalistische Linke (AKL) der Partei DIE LINKE. aktiv. Sie wollten denjenigen Kräften mehr Gewicht verleihen, die sich für eine „kämpferische, sozialistische Politik engagieren“: Es gelte, den „Aufbau eines marxistischen Flügels“ zu forcieren. Gleichzeitig engagierte sich die SAV für die „Bildung eines oppositionellen Netzwerks von Aktiven, die innerhalb und außerhalb“ der Partei DIE LINKE. wirken, um den „Kampf für eine sozialistische Massenpartei“ fortzuführen. Als eigenständige Organisation bestand die SAV fort. Ortsgruppen der SAV in Hessen gab es in Kassel und Frankfurt am Main.

Die SAV führte vom 25. bis 27. März in Berlin mit 420 Teilnehmern, so die Eigenangabe, ihren jährlichen Kongress „Sozialismustage“ durch. Themen waren unter anderem: „Flüchtlinge und Rassismus“, „Einführung in den Marxismus“, „Wie solide sozialistisch ist Linksjugend [‘solid]?“ und „Antifa in der Krise − wie stoppen wir AfD und Pegida“. Dabei resümierte die SAV auf ihrer Internetseite: „Besonders beeindruckend war die kämpferische und optimistische Stimmung der TeilnehmerInnen und ihre Entschlossenheit, sich mit den kapitalistischen Verhältnissen nicht abzufinden“. Anwesend waren unter anderem ein Mitglied des Parteivorstands der Partei DIE LINKE. sowie eine Gewerkschaftssekretärin der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). In Hessen rief die SAV anlässlich der Kommunalwahl am 6. März in einem Aufruf „zur Wahl der Kasseler Linken [i. e. die Partei DIE LINKE.] und zum Aktiv werden“ auf (Schreibweise wie im Original, siehe ferner Kapitel Kommunalwahl: Wahlkampf und Wahlergebnisse von Rechts- und Linksextremisten).

Rote Armee Fraktion (RAF) | Obwohl die terroristische RAF 1998 ihre Auflösung erklärte, befanden sich nach wie vor einige ehemalige Mitglieder in der Illegalität. Offenbar um ihren Unterhalt für das Leben im Untergrund zu finanzieren, verübten sie Raubüberfälle auf Geldtransporter und Supermärkte. Bei den Tätern handelte es sich um die Angehörigen der sogenannten dritten RAFGeneration Daniela Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Da in Bezug auf die Überfälle später keine der seinerzeit üblichen linksextremistisch motivierten Bekennerschreiben auftauchten, wird gegen die ehemaligen RAF-Mitglieder wegen des Begehens allgemeinkrimineller Straftaten − unter anderem wegen versuchten Mordes − ermittelt.

Straf- und Gewalttaten

Demonstrative Großereignisse, wie zum Beispiel die linksextremistisch beeinflussten Proteste gegen die Eröffnung des Neubaus der EZB im März 2015 in Frankfurt am Main, hatten einen Anstieg der Straf- und Gewalttaten im Phänomenbereich Linksextremismus bedingt. Da im Berichtsjahr solche Ereignisse in Hessen nicht stattfanden, gingen die Zahlen der Straf- und Gewalttaten in diesem Bereich stark zurück. (Siehe im Glossar und Abkürzungsverzeichnis unter dem Stichwort Politisch motivierte Kriminalität zur Erfassung politisch motivierter Straf- und Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund.)

Abgebildet ist die Tabelle linksextremistische Straf- und Gewalttaten. In der linken Spalte steht die Deliktart. Die weiteren drei Spalten enthalten Zahlenangaben zu den Deliktarten jeweils für die Jahre 2016, 2015 und 2014 .
In den Jahren 2016, 2015 und 2014 gab es keine Tötung.
Im Jahr 2016 gab es keine versuchte Tötung, es gab vier versuchte Tötungen im Jahr 2015, es gab keine versuchte Tötung im Jahr 2014 .
Im Jahr 2016 gab es 18 Körperverletzungen, im Jahr 2015 gab es 26, im Jahr 2014 gab es acht.
Im Jahr 2016 gab es fünf Delikte im Bereich Brandstiftung/Sprengstoffdelikte, im Jahr 2015 gab es acht, im Jahr 2014 gab es fünf.
Im Jahr 2016 gab es kein Delikt im Bereich Landfriedensbruch, im Jahr 2015 gab es 44, im Jahr 2014 gab es zwei Delikte.
Im Jahr 2016 gab es kein Delikt im Bereich gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Luft und Straßenverkehr, im Jahr 2015 gab es drei Delikte, im Jahr 2014 gab es kein Delikt.
Im Jahr 2016 gab es zwei Delikte im Bereich Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte, im Jahr 2015 gab es ein Delikt, im Jahr 2014 gab es ein Delikt.
Die Anzahl dieser Gewalttaten betrug im Jahr 2016 insgesamt 25, im Jahr 2015 86 Delikte und im Jahr 2014 16 Delikte.
Darüber hinaus kam es zu weiteren, sogenannten sonstigen Straftaten.
Im Jahr 2016 gab es 43 Delikte im Bereich Sachbeschädigung, im Jahr 2015 gab es 122 Delikte, im Jahr 2014 gab es 32 Delikte.
Im Jahr 2016 gab es drei Delikte im Bereich Nötigung/Bedrohung, im Jahr 2015 gab es ein Delikt, im Jahr 2014 gab es kein Delikt.
Im Jahr 2016 gab es 19 Delikte im Bereich andere Straftaten, im Jahr 2015 gab es 69 Delikte, im Jahr 2014 gab es sieben Delikte.
Insgesamt betrug die Anzahl der linksextremistischen Straf- und Gewalttaten in Hessen im Jahr 2016 90 . Im Jahr 2015 waren es 278 und im Jahr 2014 55 linksextremistische Straf- und Gewalttaten.
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