Aus Sicht der PKK wurde das Jahr 2016 von Repressionen des türkischen Staats gegen Mitglieder und Abgeordnete der prokurdischen Halklarin Demokratik Partisi (HDP, Demokratische Partei der Völker) bestimmt. Aufgrund einer im Mai vom türkischen Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossenen Verfassungsänderung wurde die Immunität von Abgeordneten aufgehoben. Dies betraf − neben drei anderen Parteien − zum größten Teil die Abgeordneten der HDP. Die bereits Ende Dezember 2013 von der türkischen Regierung gegen die Fetullah-Gülen-Bewegung ausgesprochene Kampfansage, die sogenannten Anti-Terror-Ermittlungen gegen HDP-Mitglieder und die Verhaftungs- bzw. Säuberungswelle nach dem gescheiterten Putsch im Juli führten zu einer deutlichen Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz sowie der Presse- und Versammlungsfreiheit wie auch einer Beschneidung der Rechte von Beschuldigten im Strafprozess. Diese Entwicklungen sowie die Sorge von PKK-Anhängern hinsichtlich ihres Anführers Abdullah Öcalan spiegelten sich deutschlandweit − auch in Hessen − in einem erneut hohen Demonstrationsgeschehen wider. Das nach dem gescheiterten Putsch offensive und zum Teil provokante Auftreten von Anhängern des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und türkischen Nationalisten führte darüber hinaus zu Auseinandersetzungen mit PKK-Sympathisanten. Außerdem nahmen die Aktionen kurdischer Jugendlicher (zum Beispiel Besetzungen und das Anbringen von Bannern) merklich zu. In der Türkei selbst kam es zu mehreren Anschlägen der PKK-Splittergruppe TAK.
Teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände in der Türkei und ihre Auswirkungen auf Hessen | Vor dem Hintergrund der Entwicklung in der Türkei kam es seit Dezember 2015 auch in hessischen Städten vermehrt zu Kundgebungen mit zum Teil mehreren hundert Teilnehmern. PKK-nahe Vereine organisierten im Berichtsjahr mehr als 100 angemeldete und „spontane“ Kundgebungen, Mahnwachen und sonstige „Aktionen“. Im Folgenden werden entsprechend relevante Beispiele aufgeführt:
- Am 5. Januar demonstrierten etwa 70 PKK-nahe Aktivisten im öffentlich zugänglichen Bereich des Gießener Rathauses gegen die „Angriffe auf die kurdische Bevölkerung in der Türkei“, wobei die Bürgermeisterin mit den Kurden sprach. Eine ähnliche Aktion fand am 8. Februar im Kasseler Rathaus statt, wo etwa 30 Personen auf der Treppe und im Foyer des Rathauses gegen die „Willkürmaßnahmen gegen Kurden in der Türkei“ protestierten.
- Zwischen dem 14. Januar und dem 22. Februar demonstrierten PKK-Anhänger − unter anderem von kurdischen Jugendverbänden im Rhein-Main-Gebiet und aus dem Umfeld des Mesopotamischen Kulturzentrums e. V. in Frankfurt am Main −im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens mehrfach mit Öcalan-Fahnen, Sprechchören und stilisierten „Leichen“ gegen die Angriffe der türkischen Armee auf überwiegend kurdisch geprägte Städte im Osten der Türkei. So blockierten 50 bis 60 Kurden am 22. Februar kurzzeitig einen Bereich des Terminals 1, indem sie ein Flatterband spannten und eine Menschenkette bildeten. Die Polizei vor Ort musste mehrfach eingreifen. Danach fuhren die Demonstranten zum PKK-nahen Verein Komela Canda Kurd e. V. in Rüsselsheim (Kreis Groß-Gerau). Auch der Frankfurter Hauptbahnhof war in diesem Zeitraum das Ziel ähnlicher Aktionen.
- Am 19. Januar wurden auf dem Gelände der Universität Kassel neben dem Konterfei von Abdullah Öcalan und dem fünfzackigen PKK-Stern Slogans wie „Weg mit dem PKK-Verbot“ und „Stoppt das Massaker in Kurdistan“ aufgesprüht.
- Mit einem Sitzstreik und dem Skandieren von Öcalan-Sprechchören im Funkhaus des Senders FFH in Bad Vilbel (Wetteraukreis) versuchten etwa 20 Jugendliche und Heranwachsende eine Schweigeminute und eine gezielte Berichterstattung des Senders zu erzwingen, um auf die Situation der Kurden aufmerksam zu machen. Die Demonstranten übergaben ein Schriftstück und räumten dann – von der Polizei kontrolliert − den Sender.
- Unter dem Motto „Freiheit für Öcalan, Status für Kurdistan“ führten am 9. und 10. Februar PKK-Anhänger in mehreren Städten Protestmärsche durch. In Hessen marschierten etwa 30 Personen von Frankfurt am Main nach Hofheim am Taunus (Main-Taunus-Kreis). Zur zweiten Etappe nach Wiesbaden starteten schließlich rund 50 Kurden. Dort versammelten sich etwa 200 Demonstranten zu einer Abschlusskundgebung auf dem Dernschen Gelände. Initiator des Marsches war der Frankfurter PKK-nahe Verein Mesopotamisches Kulturzentrum e. V.
- Am 12. Februar störten 16 Kurden einen öffentlichen Auftritt des damaligen Bundesaußenministers Dr. Frank-Walter Steinmeier an der Universität in Kassel. Der Minister wurde dabei beleidigt, woraufhin die Polizei einen Platzverweis aussprach.
Darüber hinaus fand eine Vielzahl von Demonstrationen statt:
- In Darmstadt demonstrierten am 6. Januar auf Initiative des örtlichen PKK-nahen Demokratischen Gesellschaftszentrums der Kurdinnen und Kurden in Darmstadt e. V. etwa 350 Kurden gegen die „Ermordung dreier politischer Frauen durch die türkische Armee am 5. Januar 2016“. Am 19. Januar protestierten etwa 200 kurdische Aktivisten gegen „Türkischen Terror in Kurdistan“. Veranstalter war erneut der Darmstädter Verein. Für diese Kundgebung hatte auch die Ciwanên Azad (Freie Jugend) Frankfurt mobilisiert.
- Am 23. Januar demonstrierten rund 1.000 PKK-Sympathisanten in Frankfurt am Main aus „Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf“. Veranstalter war das von Extremisten genutzte Internationalistische Aktionsbündnis Frankfurt (IAB-FFM).
- Der Kasseler PKK-nahe Verein Zentrum für Kurdische Kultur und Sprache e. V., der auch unter dem Namen Demokratische Kurdische Gesellschaft e. V. auftritt, organisierte für den 30. Januar einen Demonstrationszug mit 500 Teilnehmern durch die Kasseler Innenstadt (Motto „Stoppt den Terror und die Vernichtungspolitik der türkischen Regierung − Freiheit von Abdullah Öcalan“). Den Versuch von fünf Türken, die kurdischen Demonstranten zu provozieren, unterband die Polizei umgehend. Die Demonstranten reagierten mit PKK-Sprechchören, sodass die Polizei Strafanzeigen wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz stellte.
- Angemeldet von einer PKK-Aktivistin und von deutschen Linksextremisten unterstützt, versammelten sich ebenfalls am 30. Januar rund 1.500 PKK-Sympathisanten zu einer Demonstration in Frankfurt am Main unter dem Motto „Stopp den Staatsterror in Kurdistan“. Zu einer Demonstration am 8. Februar vor dem türkischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main mit dem gleichen Thema mobilisierte das Mesopotamische Kulturzentrum e. V. Rund 500 Teilnehmer protestierten gegen „Massaker in Cizre, gegen Faschisten, türkischen Staatsterror und Massaker an Kurden“. Kurdische Jugendliche skandierten Parolen und zeigten vereinzelt verbotene PKK-Symbole. Im Anschluss besetzten Aktivisten im Hauptbahnhof kurzzeitig eine Gleisanlage. Einen Tag später demonstrierten 300 Kurden aufgrund „Neuer Ereignisse in der Türkei“ erneut in Frankfurt am Main.
- Zu einer „Jugenddemonstration“ unter dem Motto „Aktuelle Ereignisse in der Türkei“ versammelten sich am 27. Februar rund 300 Anhänger der Ciwanên Azad aus dem süddeutschen Raum in Frankfurt am Main. Abgesehen von Rufen verbotener PKK-Parolen blieb die Kundgebung störungsfrei. Am Vorabend der Demonstration hatten in Rüsselsheim am Main (Kreis Groß-Gerau) unbekannte Täter Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit auf das Gebäude des dortigen türkisch-nationalistischen Ülkücü-Vereins geworfen. In der Nacht vom 8. auf den 9. März kam es wiederum in Rüsselsheim am Main zu mehreren Farbschmierereien mit PKK-Hintergrund an verschiedenen Rüsselsheimer Schulen. Die bislang unbekannten Täter sprühten dabei Slogans wie „Free Kurdistan“ und „PKK“.
Kurdisches Neujahrsfest (Newroz) | Zu der traditionellen zentralen Newroz-Veranstaltung − dieses Mal am 19. März in Hannover (Niedersachsen) unter dem Motto „Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan“ − vermochte das Navenda Civaka Demokratîk ya Kurdên li Almanyayê (NAV-DEM, Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.) lediglich 12.000 Personen zu mobilisieren (2015: 17.000, 2014: 10.000). Zu Beginn des Marschs durch die Innenstadt erklärte laut Medienberichten eine Organisatorin der Veranstaltung, zugleich Mitglied der Partei DIE LINKE.:
„,Unser alljährliches Treffen wollen wir heute dazu nutzen, um auf die Unterdrückung der Kurden durch die massiven Militäreinsätze der Türkei im Südosten des Landes aufmerksam zu machen‘“.
Verschiedene kurdische Redner wiesen auf die Bedeutung Abdullah Öcalans hin und kritisierten den türkischen Staat. Ein weiteres Mitglied der Partei DIE LINKE. forderte die Streichung der PKK von der EU-Liste terroristischer Organisationen.
In Hessen fanden von der PKK getragene Newroz-Feiern in Eschwege (Werra-Meißner-Kreis), Frankfurt am Main, Gießen (Landkreis Gießen) und Darmstadt statt. Großen Zulauf erhielt die Demonstration in Darmstadt. Statt der erwarteten bis zu 500 Teilnehmer (2015: 400) feierten rund 700 Personen das kurdische Neujahrsfest. Wie in Hannover wurden mehrfach verbotene PKK-Symbole gezeigt. Mehrere türkische Passanten provozierten die Kurden und versuchten die Veranstaltung zu stören. Als Veranstalter trat der örtliche PKK-nahe Verein Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Darmstadt e. V. auf.
Verfassungsänderung in der Türkei | Neben den Protesten gegen das Vorgehen des türkischen Staats gegen Oppositionelle − insbesondere gegen die Kurden − bestimmte im Frühjahr die Diskussion über die geplante Aufhebung der Immunität von Abgeordneten das Handeln von PKK-Anhängern in und außerhalb der Türkei. Im Mai stimmte das türkische Parlament über die hierfür notwendige Verfassungsänderung ab. Nachdem am 17. Mai die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit knapp verfehlt worden war, wurde die Verfassungsänderung drei Tage später beschlossen. Betroffen davon waren schließlich rund ein Viertel der 600 Parlamentarier. Von der Aufhebung der Immunität waren Abgeordne-te aller vier im Parlament vertretenen Parteien betroffen, vor allem aber 50 von insgesamt 59 Angeordneten der prokurdischen HDP. In der Regel lautete der gegen sie gerichtete Vorwurf Mitgliedschaft bzw. Unterstützung der Terrororganisation PKK.
Bereits am 21. Mai initiierte das Mesopotamische Kulturzentrum e. V. einen Protestmarsch mit rund 300 Teilnehmern durch die Frankfurter Innenstadt. In Kassel versammelten sich etwa 80 Kurden auf der sogenannten Sternkreuzung und sorgten so kurzzeitig für massive Verkehrsbehinderungen. Eine weitere Veranstaltung fand am 27. Mai in Gießen (Landkreis Gießen) statt, wobei sich unter den rund 220 Kundgebungsteilnehmern auch Anhänger der linksextremistischen SDAJ befanden. Über Facebook war unter #SolidarityWithHDP zur Solidarität mit der HDP aufgerufen worden. Den Aufruf unterstützten der Yekîtiya Xwendekarên Kurdistan (YXK, Verband der Studierenden aus Kurdistan) und ihm nahestehende Gruppierungen sowie deutsche Linksextremisten.
Gescheiterter Putsch in der Türkei − Reaktionen | Nachdem am Abend des 15. Juli Teile des Militärs versuchten, die Regierung zu stürzen, machten Staatspräsident Recep Tayyid Erdoğan und die Regierungspartei Adalet ve Kalkınma Partisi (, Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) die Anhänger des in den USA lebenden Predigers und Erdogan-Widersachers Fetullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Am 16. Juli wurde in einer Sondersitzung des Parlaments eine von allen vier Fraktionen verfasste Erklärung verlesen, in welcher der Putschversuch auf das Schärfste verurteilt und angekündigt wurde, dass die dafür Verantwortlichen den „höchsten Preis“ zahlen müssten.
Die Anhänger von PKK, aber auch türkischen linksextremistischen Gruppierungen sowie des türkischen nationalistischen Spektrums in Deutschland verhielten sich nach dem Putschversuch zurückhaltend. Grund war offensichtlich ihre Befürchtung, ebenso wie die GülenBewegung in den Fokus der türkischen Regierung zu geraten.
Die PKK-nahe kurdische Tageszeitung Yeni Özgür Politika (YÖP) berichtet in ihrer Ausgabe vom 18. Juli über eine am Tag zuvor veröffentlichte Erklärung des Exekutivrats der Koma Civakên Kurdistan (KCK, Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans), wonach es sich bei dem Umsturzversuch um einen innerstaatlichen Machtkampf handle. Man befürchtete, dass die aktuelle wirre Lage dazu genutzt werden könnte, „Dinge zu tun, die sonst nicht möglich sind“. Daher machte man sich große Sorgen um den Gesundheitszustand und die Sicherheit des inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan.
In der Folge kam es in Hessen zu zahlreichen Demonstrationen von PKK-Anhängern, um auf eine etwaige Gefährdung Öcalans aufgrund der instabilen politischen Lage in der Türkei hinzuweisen. Die Demonstrationen dauerten bis zum Ende des Berichtsjahrs an, nahezu alle örtlichen PKK-nahen Vereine in Hessen führten entsprechende (angemeldete) Demonstrationen durch.
Daneben kam es vermehrt zu (unangemeldeten) Aktionen vornehmlich kurdischer Jugendlicher in Hessen. Diese Aktionsserie der Ciwanên-Azad-Anhänger war Bestandteil einer bundesweiten Kampagne; ihr waren mehrere Meldungen verschiedener PKK-Teilorganisationen, unter anderem veröffentlicht in der YÖP, vorausgegangen, wonach das Leben Öcalans in Gefahr sei:
- So verschafften sich am 11. August etwa 25 kurdische Jugendliche Zugang zum Foyer der Hessischen Rundfunks (hr) in Frankfurt am Main, entrollten ein Öcalan-Transparent und skandierten entsprechende Parolen. Bis zum Eintreffen der Polizei hatte sich die Gruppe entfernt.
- Am 14. August kam es laut Veröffentlichungen der Ciwanên Azad Kassel auf Facebook zu zwei Aktionen in Kassel. Aktivisten befestigten ein Plakat und eine Öcalan-Fahne an einer Brücke; eine Gruppe vermummter Jugendlicher brachte für kurze Zeit ein Plakat mit der Aufschrift „Freiheit für Abdullah Öcalan“ unterhalb der Herkules-Statue an und entzündete eine bengalische Fackel.
- In Offenbach am Main wurde am 14. August ein Banner mit der Aufschrift „Freiheit für Abdullah Öcalan“ an einer Brücke befestigt. Hierzu bekannten sich im Internet die Ciwanên Azad Offenbach/Frankfurt am Main.
- Am 17. August verbrannten 20 bis 25 kurdische Jugendliche mehrere Autoreifen in der Kasseler Innenstadt. Die Gruppe war zuvor mit Fackeln, verbotenen PKK-Fahnen und einem Öcalan-Transparent durch die Stadt gezogen, war aber beim Eintreffen der Polizei verschwunden. Am selben Tag kam es auf dem Luisenplatz in Darmstadt am Rand eines Infostands zu einer kurzzeitigen Blockade der Straßenbahngleise. Etwa zehn kurdische Jugendliche und Angehörige der linksextremistischen „Antifa“ breiteten ein Öcalan-Transparent auf dem Gleisbett aus, setzten sich auf die Gleise und entzündeten bengalische Fackeln.
- Am 19. August postete die Ciwanên-Azad-Gruppe Darmstadt ein Bild mit drei maskierten Personen in uniformähnlicher Kleidung: Zwei trugen einen vermutlich nachgebildeten Patronen-/Sprengstoffgurt, die dritte Person ein Gewehr (wohl ebenfalls eine Attrappe). Der Kommentar lautete: „Für die Freiheitsbewegung geben wir alles und wenn es sein muss auch unser Leben!“
- Den Selbstmordanschlag auf eine kurdische Hochzeitsgesellschaft in der Provinzhauptstadt Gaziantep in Südostanatolien am 20. August, dem mehr als 50 Menschen zum Opfer gefallen waren, beantwortete die Türkei mit einer Militäroffensive sowohl gegen den IS als auch syrische PKK-Kämpfer. Als Reaktion auf den Anschlag in Gaziantep demonstrierten am 21. August etwa 80 Kurden in Frankfurt am Main.
- Am 24. September demonstrierten in Kassel unangemeldet rund 30 kurdische Jugendliche „gegen Erdogan und für Öcalan“. Dabei stoppte auf einer Kreuzung ein Fahrzeug mit vier offenkundig türkischen Insassen, welche die Kurden provozierten, indem sie eine türkische Fahne und den „Wolfsgruß“ zeigten. Der Polizei gelang es nur durch den Einsatz von Pfefferspray, die beiden Gruppen zu trennen; sie sprach Platzverweise gegen die Störer aus. Die kurdischen Jugendlichen beendeten ihre Kundgebung im PKK-nahen Zentrum für Kurdische Kultur und Sprache e. V.
Sachbeschädigungen und Demonstrationen vor dem Hintergrund innertürkischer Ereignisse | In den frühen Morgenstunden des 23. September wurden in Kassel zwei Fahrzeuge eines türkischen Lebensmittelhändlers in Brand gesteckt und auf der Fahrbahn in roter Farbe der Schriftzug „PKK INTIKAM“ („PKK Rache“) geschrieben. Dabei entstand ein Schaden von etwa 10.500 Euro. Am 3. Oktober veröffentlichte die linksextremistische Internetplattform linksunten.indymedia eine entsprechende Selbstbezichtigung der bislang nicht bekannten Apoistischen Jugendinitiative. Darin hieß es − mit Bezug auf zwei weitere Brandanschläge in München (Bayern) und Köln (Nordrhein-Westfalen):
„Diese Aktion gilt gegen die seit 17 Jahren andauernde Gefangenschaft unseres Vorsitzenden Rêber Apo (Abdullah Öcalan) und ist eine Racheaktion für all unsere Gefallenen im Widerstand in Nordkurdistan, Rojava und den Qandil-Bergen. Wir werden so lange mit unseren Aktionen weitermachen, bis Rêber Apo befreit ist und Kurdistan einen anerkannten Status bekommt. Wir warnen die BRD davor Unterstützerin des türkischen Staates im Krieg gegen unsere Bevölkerung sowie andere demokratische Kräften zu sein. Solange die BRD diese Politik des Krieges unterstützt, werden wir als Apoistische Jugend unseren Widerstand auch auf den Straßen Deutschlands fortsetzen. Alle FaschistInnen, alle Institutionen des türkischen Staates (UETD, DITIB, ADD, AYTK) sowie ihre deutsche/europäische UnterstützerInnen stellen für uns Angriffsziele dar“.
(Schreibweise wie im Original.)
Nachdem in der Türkei die Polizei in der Nacht vom 3. auf den 4. November die beiden Vorsitzenden der prokurdischen HDP sowie zehn weitere Abgeordnete festgenommen hatte, kam es am frühen Morgen des 4. November zu einem Autobombenanschlag auf eine Polizeistation in Diyarbakır. Elf Menschen starben, mehr als 100 wurden verletzt.
Noch in derselben Nacht warfen in Kassel mutmaßlich kurdische Jugendliche mit Pflastersteinen mehrere Scheiben des Gebäudes des Türkischen Islamischen Kulturvereins ein. An dem Haus, das auch als Moschee genutzt wird, entstand ein Schaden von etwa 2.000 Euro. Ähnlich wie im September bekannte sich hierzu auf linksunten.indymedia.org eine bislang nicht in Erscheinung getretene Apoistische Jugendinitiative Hessen. Darüber hinaus habe man in Kassel in den Morgenstunden des 4. November, so die Gruppe, das Fahrzeug eines „türkischen Faschisten“ angegriffen (Sachschaden laut Polizeiangaben etwa 26.000 Euro). Der „türkische Faschist“ habe, so die Apoistische Jugendinitiative Hessen, zum Boykott kurdischer Geschäftsleute aufgerufen. Wenig später zogen etwa 250 kurdische Demonstranten, überwiegend Jugendliche, organisiert vom Zentrum für Kurdische Kultur und Sprache e. V., durch die Kasseler Innenstadt. Mehrfach wurden verbotene PKK-Parolen skandiert und ein Feuerwerkskörper entzündet. Auch in anderen Städten Deutschlands kam es zu ähnlichen Aktionen.
Unter dem Motto „Stiller Protest im Zusammenhang mit den Festnahmen führender HDP-Funktionäre in der Türkei“ verharrten in Gießen (Landkreis Gießen) ebenfalls am 4. November etwa 60 Kurden mit Fackeln und einer HDP-Fahne im Rahmen einer nicht angemeldeten Mahnwache für eine halbe Stunde auf dem Rathausvorplatz. Verantwortlich für die Aktion zeichnete ein Vertreter des PKK-nahen Vereins Mesopotamisch Kurdisches Kulturzentrum Gießen e. V. Tags darauf demonstrierten, organisiert von deutschen Linksextremisten und kurdischen Gruppen, rund 600 Personen. Auf Plakaten und Spruchbändern zeigten sie Parolen wie etwa „Solidarität mit Rojava“, „Gegen die Festnahme von Journalisten durch die türkische Regierung“ und „Gegen die Misshandlungen von kurdischen Bürgern in der Türkei“. In Darmstadt protestierten am 9. November rund 400 Personen unter dem Motto „Nein zum Diktator Erdogan“.
Zu dem Anschlag in Diyarbakır bekannten sich einer Meldung der PKK-nahen Nachrichtenagentur Ajansa Nûçeyan a Firatê (ANF) vom 6. November zufolge die TAK. Sie erklärten, dies sei ihre Antwort auf die „mörderische Politik“ und den „erbarmungslosen Druck“ der türkischen Regierung, wobei auch der IS die Tat für sich beanspruchte. Im Berichtsjahr zeichneten die TAK bereits zuvor für mehrere schwere Anschläge in der Türkei verantwortlich:
- Bei einem Autobombenanschlag am 17. Februar in Ankara auf einen Militärkonvoi starben 28 Menschen. Türkische Medien machten hierfür die syrischen Volksverteidigungseinheiten der PKK verantwortlich, während kurdische Medien davon sprachen, dass sich die TAK zu dem Anschlag bekannt hätten.
- Am 13. März explodierte ein Fahrzeug nahe einer Bushaltestelle im Zentrum Ankaras, wobei mehr als 34 Menschen getötet und über 120 verletzt wurden.
- In Bursa riss am 27. April in der Nähe der Ulu Camii, der größten Moschee und eine der Touristenattraktionen der westtürkischen Stadt, eine Selbstmordattentäterin 13 Personen mit in den Tod.
- Am 7. Juni detonierte im historischen Zentrum Istanbuls (Türkei) eine in einem geparkten Wagen deponierte Bombe, als ein Fahrzeug mit Bereitschaftspolizisten vorbeifuhr. Dabei wurden mehr als zehn Menschen getötet, unter ihnen sieben Polizisten. Mehr als 30 weitere Personen wurden verletzt. Die TAK erklärten hierzu: „,Wir warnen erneut alle ausländischen Touristen, die in der Türkei sind oder in die Türkei kommen möchten. Ausländer sind nicht unsere Zielscheibe, aber die Türkei ist für sie nicht länger ein sicheres Land‘“.
Ausschreitungen in Köln | Im Rahmen einer Demonstration am 12. November protestierten etwa 25.000 Personen, überwiegend Aleviten und Kurden, gegen die Politik des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Angemeldet und hauptverantwortlich organisiert worden war die Veranstaltung (Motto „Aktuelle politische Situation in der Türkei“) von der Avrupa Alevi Birlikleri Konfererasyonu Alevitischen (AABK, Alevitische Union Europa e. V.), laut der YÖP wirkte dabei auch das NAV-DEM mit. Die PKK-Jugendorganisationen Ciwanên Azad, Jinên Ciwanên Azad (JCA, Junge Freie Frauen), YXK und Jinên Xwendekarên Kurdistan (JXK, Studierende Frauen aus Kurdistan) hatten im Internet ihre Anhänger zur Teilnahme aufgerufen.
Im Verlauf der ansonsten friedlichen Kundgebung wurden in einer Gruppe von etwa 500 jugendlichen PKK-Anhängern Feuerwerkskörper gezündet und einschreitende Polizeibeamte mit Flaschen und Steinen beworfen. Hierbei wurde eine Polizistin leicht verletzt. Während die Einsatzkräfte Personalien feststellten, erlitt eine weitere Polizistin Verletzungen durch einen Schlag ins Gesicht. Wegen etlicher Gesetzesverstöße erstattete die Polizei Strafanzeigen. Facebook-Einträgen zufolge waren zumindest Aktivisten der Ciwanên Azad Kassel an den Ausschreitungen beteiligt.
Während die AABK die Ausschreitungen und die Vereinnahmung der Kundgebung durch PKK-nahe Gruppen kritisierte, prangerte die Ciwanên Azad Kassel die angeblich „armselige und übertriebene Repression der Kölner Polizei gegenüber kurdischen DemonstrantInnen“ an.
Kampagne „DITIB – Die Marionetten Erdogans?“ | Im Rahmen der von der YXK getragenen bundesweiten Kampagne „DITIB – Die Marionetten Erdogans?“ führten ihre Ortsgruppen Frankfurt am Main und Kassel entsprechende Veranstaltungen durch, so am 22. November im auch von Linksextremisten frequentierten Café KOZ auf dem Gelände der Frankfurter Goethe-Universität und am 6. Dezember in Räumlichkeiten der Universität Kassel. Zuvor hatte die Diyanet İşleri Türk İslam Birliği (DİTİB, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.) gefordert, den Termin in Frankfurt am Main abzusagen, da der terroristischen PKK eine Bühne geboten würde. In Bezug auf Kassel behauptete ein Anrufer gegenüber den Sicherheitsbehörden, dass türkische Nationalisten die Veranstaltung stören bzw. verhindern wollten. Zwei Tage nach der Veranstaltung im Café KOZ untersagte das Präsidium der Fachhochschule Frankfurt am Main – University of Applied Sciences eine von der YXK geplante Filmvorführung („Behind the Barricades – Reisebericht aus Kurdistan“) wegen deren Nähe zur PKK und da Übergriffe nationalistischer Türken nicht auszuschließen waren.
PKK-Guerilla getötet | Die PKK-nahe YÖP berichtete im November, dass zwei aus Deutschland stammende Kämpfer der HPG am 19. Oktober bei einem Luftangriff der türkischen Armee in Hakkari (Türkei) getötet worden seien. Neben einer Kurdin aus Baden-Württemberg benannte die YÖP eine Person aus Hessen, die als Angehörige der Ciwanên Azad Frankfurt im Jahr 2011 unter anderem an der Besetzung des Gebäudes des Europarats in Strasbourg (Frankreich) beteiligt und Mitglied des Ausländerbeirats in Offenbach am Main gewesen war. In einer Feierstunde wurde der Getöteten im Mesopotamischen Kulturzentrum e. V. in heroisierender Art und Weise gedacht.
„Europaweite Demo der Jungen Frauen“ | Veranstaltet von den PKK-nahen Frauenorganisationen JXK und JCA demonstrierten am 3. Dezember in Frankfurt am Main etwa 250 Personen „gegen Sexismus, Patriarchat und Angriffe auf unsere Selbstbestimmung“.Einige Personen trugen Banner der deutschen linksextremistischen Gruppierungen kritik&praxis – radikale Linke [f]rankfurt und der Linksjugend [’solid] Frankfurt am Main („Neoliberalismus angreifen[,] Kapitalismus überwinden[,] Sozialismus erkämpfen“). In einer von JXK und JCA verfassten Erklärung hieß es:
„Wir sehen eine ständige Überschneidung von Patriarchat, Kapitalismus und Nationalismus. […] Den Kampf den wir als kurdische junge Frauen führen ist der selbe, den die jungen Frauen auf der gesamten Welt führen. Wir haben den selben Feind, die kapitalistische Moderne und ihre Nationalstaaten“.
(Schreibweise wie im Original.)
Über Lautsprecher wurde unter anderem der Mord an drei PKK-Aktivistinnen im Jahr 2013 in Paris thematisiert, das „patriarchale, kapitalistische und nationalistische System“ kritisiert sowie „Freiheit für Abdullah Öcalan“ gefordert. Aus den Reihen der Teilnehmer riefen meist männliche Jugendliche Parolen wie „Biji Serok Apo“ („Es lebe der Führer Apo“), „Terrorist Erdogan“ und „PKK“. Ein Großteil der Teilnehmer trug Fahnen mit dem Abbild Öcalans und dem Logo der JXK.
Kurzeitig provozierten offensichtlich türkische Nationalisten die Demonstrationsteilnehmer, indem sie den Wolfsgruß zeigten. Ein als Reaktion darauf aus den Reihen der Demonstranten geworfener Gegenstand traf eine Polizistin am Kopf und verletzte sie nicht unerheblich.
Mahnwache in Frankreich | Die nach wie vor nicht aufgeklärten Morde an drei PKK-Aktivistinnen im Januar 2013 in Paris standen weiterhin im Fokus der PKK. Neben einer seit nunmehr drei Jahren in Strasbourg bestehenden Mahnwache organisierten Angehörige der PKK-Frauenverbände in Hessen regelmäßig stattfindende Kundgebungen vor dem französischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main. Mit beiden Aktionen sollte der Forderung nach einer „lückenlosen“ Aufklärung der Morde Nachdruck verliehen und das Andenken an die Toten aufrechterhalten werden. Der seit 2013 in Frankreich inhaftierte türkische Tatverdächtige verstarb im Dezember 2016.
Terror in der Türkei – Verurteilung Öcalans | 1978 als eine Partei mit marxistisch-leninistischer Ausrichtung gegründet, suchte die PKK mit ihren bewaffneten Einheiten seit dem 15. August 1984 die Auseinandersetzung mit dem türkischen Militär. Den Kampfhandlungen fielen seitdem mehrere zehntausend Menschen zum Opfer. 1998 entzog Syrien auf massiven Druck der Türkei dem PKK-Anführer Abdullah Öcalan die Unterstützung und veranlasste ihn, sein dortiges Exil aufzugeben. Nach verschiedenen Aufenthalten in Europa und Afrika wurde Öcalan am 15. Februar 1999 in Kenia festgenommen und in die Türkei gebracht. Am 29. Juni 1999 vom Staatssicherheitsgericht in Ankara zum Tode verurteilt – die Strafe mit Abschaffung der Todesstrafe am 3. Oktober 2002 in lebenslange Haft umgewandelt –, befindet sich Öcalan seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft. Für die PKK gilt der 15. Februar 1999 als „schwarzer Tag in der Geschichte des kurdischen Volkes“, sie spricht in diesem Zusammenhang von einem „internationalen Komplott“.
Umbenennungen der PKK | 2002 benannte sich die PKK in Kongreya Azadî û Demokrasiya Kurdistanê (KADEK, Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans) um. 2003 folgte die Umbenennung in Kongreya Gelê Kurdistanê (KONGRA GEL, Volkskongress Kurdistans). Damit versuchte die PKK, sich von der „Stigmatisierung“ als Terrororganisation zu befreien und sich als politisch neuausgerichtete Organisation zu präsentieren.
Die unterschiedlichen Bezeichnungen der letzten Jahre hinsichtlich der Struktur und der personellen Zusammensetzung führten zu keinen grundsätzlichen Umgestaltungen der PKK. Die Ursprungsorganisation bestand im Wesentlichen fort. 2005 gründete sich die Koma Civakên Kurdistan (KCK, Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans), die sich die Verwirklichung des „demokratischen Konföderalismus“ zum Ziel gesetzt hat. Darunter versteht die PKK einen nichtstaatlichen Verbund aller Kurden in der Türkei, in Syrien, im Iran und Irak, den sie mit eigenen Regierungsorganen und mit dem Anspruch einer eigenen Staatsbürgerschaft versieht. Die staatlichen Grenzen der Länder, in denen Kurden leben, sollen in diesem virtuellen Verbund unangetastet bleiben.
PKK und KCK sind im Wesentlichen strukturell identisch. In der Binnenkommunikation sprechen Funktionäre, Mitglieder und Anhänger – unbeschadet aller jeweils aktuellen Bezeichnungen der Organisation – seit jeher von PKK. Im Außenverkehr tituliert sich die PKK hingegen, wenn sie ihr organisatorisches Ganzes meint, als KCK. Der KONGRA GEL ist das höchste Entscheidungsgremium der PKK. Er nimmt für sich parlamentarische Funktionen in Anspruch und stellt sich als ein Organ interner Meinungsbildung und Beschlussfassung dar.
Siedlungsverbund – Autonomie in der Türkei | Ziel der terroristischen PKK war ursprünglich die staatliche Unabhängigkeit der auf mehrere Staaten im Nahen Osten zersplitterten kurdischen Siedlungsgebiete. Der kurdische Staat sollte in der Türkei aus Südostanatolien, Regionen im Nordosten Syriens (Rojava), Gebieten im Norden des Iraks und Gebieten im Westen des Irans bestehen. Die PKK behauptet, dieses Anliegen zugunsten eines einheitlichen länderübergreifenden Siedlungsverbunds aller Kurden aufgegeben zu haben, in dessen Rahmen die Grenzen der betroffenen Staaten Bestand haben sollen.
Was die in der Türkei lebenden Kurden betrifft, kämpft die PKK für die staatliche Anerkennung ihrer Identität, die in Südostanatolien mittels eines Autonomiestatus – ähnlich der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak – verwirklicht werden soll. Im Zuge des Bürgerkriegs in Syrien und der bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem IS streben die PKK und ihr syrischer Ableger PYD auch in Nordsyrien nach Autonomie. In den mittlerweile vom IS befreiten überwiegend von Kurden besiedelten syrischen Kantonen Efrîn im Westen, Kobanê und Cizîre an der Grenze zum Irak zeichneten sich Ansätze einer gewissen Autonomie ab. Diese Kantone, die im Nordosten Syriens an der Grenze zur Türkei Rojava bilden, waren allerdings noch weit von einer Eigenstaatlichkeit entfernt und existierten im Berichtsjahr nur aufgrund der politisch instabilen Lage im Bürgerkriegsland Syrien.
Die Autonome Region Kurdistan, die sich im Norden des Irak etabliert hat, soll komplett vom IS befreit werden. Gleichzeitig versuchte die Türkei mit militärischen Mitteln das Entstehen eines geschlossenen kurdischen Korridors entlang der syrisch-türkischen Grenze zu verhindern. In diesem Zusammenhang spielte es für die Türkei keine Rolle, ob die Kurden Teilautonomie oder tatsächliche Eigenstaatlichkeit auf dem Gebiet Syriens und des Iraks anstreben. So unterschied die Türkei auch nicht zwischen der PKK und den Hêzên Sûriya Demokratîk (Demokratische Streitkräfte Syriens). Diese Allianz, in der die PYD bzw. YPG als syrischer PKK-Ableger zusammen mit christlich-assyrischen und arabischen Milizen gegen den IS kämpften, wurde von westlichen und arabischen Staaten unterstützt.
Öcalan als ideologische Führungsfigur | Der in der Türkei inhaftierte Abdullah Öcalan fungierte weiterhin als ideologische Führungsfigur der Terrororganisation und machte aus der Haft in der Türkei heraus entsprechende Vorgaben, welche die PKK umsetzte.
Vor dem Hintergrund der Aufhebung der Immunität von türkischen Abgeordneten, die nahezu die komplette Fraktion der prokurdischen HDP betraf, dem gescheiterten Putsch, den sich daran anschließenden Verhaftungen sowie den Angriffen gegen Kurden in Nordsyrien und im Nordirak führten Jugendliche der Ciwanên Azad vermehrt gewalttätige „Aktionen“ gegen Türken bzw. türkische Einrichtungen als Repräsentanten des türkischen Nationalismus durch. Im Unterschied zu früher gab es darüber hinaus mehr nichtangemeldete Veranstaltungen. Angesichts der in beiden Lagern herrschenden, stark angespannten Stimmungslage reichte das Zeigen der türkischen Fahne bzw. des nationalistischen Wolfsgrußes aus, um die Situation beim Aufeinandertreffen von Türken und Kurden eskalieren zu lassen.
Vor allem unter PKK-nahen kurdischen Jugendlichen − besonders in Kassel − war ein merkliches Sinken der Gewaltschwelle festzustellen. Ciwanên-Azad-Anhänger aus dem Rhein-Main-Gebiet waren im März des Berichtsjahres in nicht unerheblicher Anzahl an den gewalttätigen Ausschreitungen gegen eine Demonstration türkischer Nationalisten in Aschaffenburg (Bayern) beteiligt. Nationalistische Türken wiederum provozierten die kurdische Gegenseite.
Sollte sich die Lage in der Türkei zuspitzen und die PKK-Anhängerschaft in diesem Zusammenhang Gesundheit und Leben ihres Anführers Abdullah Öcalan in Gefahr wähnen, sind weitere gewalttätige Auseinandersetzungen und entsprechende „Aktionen“ von Ciwanên-Azad-Anhängern wahrscheinlich. Unter Umständen können sich diese auch gegen türkische Einrichtungen und Repräsentanten des türkischen Staats richten.