Salafismus
Als Salafismus bezeichnet der Verfassungsschutzverbund eine extremistische Strömung innerhalb des Islamismus. Der Begriff geht auf die arabische Bezeichnung as-salaf as-salih (dt. die frommen Altvorderen) zurück, worunter die ersten drei Generationen von Muslimen (7. bis 9. Jahrhundert) zu verstehen sind. Diese nehmen innerhalb der Ideologie des Salafismus eine zentrale Stellung ein, da ihre Handlungen − neben denen des Propheten Mohammed − als die authentische Überführung der „wahren“ Glaubenslehre in die Praxis gelten und als solche zu imitieren sind.
Die „frommen Altvorderen“ dienen nicht nur als Vorbilder für die individuelle Lebensführung, sondern gelten auch in Bezug auf Glaubens- und Rechtsfragen als Autoritäten. Salafisten sehen sich durch ihren Rückbezug auf die „unverfälschte“ Glaubenslehre in der Nachfolge dieser Generationen als elitäre Vertreter des „wahren“ Islam. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die islamische Glaubensdoktrin und -praxis von unerlaubten Neuerungen und Verfälschungen zu reinigen und die im Frühislam geltenden Herrschafts- und Rechtsformen (Kalifat) in der Gegenwart anzuwenden.
Über die Frage, mit welchen Methoden dieses Ziel zu erreichen ist, gibt es innerhalb des Salafismus verschiedene Auffassungen. Das Spektrum umfasst sowohl diejenigen Salafisten, welche die Ideologie mit politischen Mitteln durchsetzen wollen (politischer Salafismus), als auch solche, die hierfür Gewalt als legitimes Mittel ansehen (jihadistischer Salafismus).
Koran und Prophetentradition (arab. sunna) als einzige legitime Glaubensquellen | Salafisten nehmen für sich in Anspruch, ihre Glaubensvorstellungen und Rechtsnormen direkt aus den islamischen Quellen abzuleiten. Dabei zeichnet sich die salafistische Auslegung durch ein streng wortgetreues Verständnis von Koran und Sunna aus, jegliche sinnbildhafte Interpretation wird abgelehnt. Dennoch greifen Salafisten zusätzlich auf ausgewählte islamische Gelehrte zurück, um ihre jeweiligen Positionen in Bezug auf islamgetreue Lebensführung bzw. Disziplinierungsmaßnahmen bei Zuwiderhandlungen zu legitimieren.
Dualistische Weltsicht | Die „Attraktivität“ der salafistischen Ideologie ist vor allem in ihrer dualistischen Weltsicht begründet. Sie propagiert einfach zu verstehende und umzusetzende Freund-Feind-Bilder. So teilen Salafisten Menschen und Handlungen entgegen jeglicher Lebensrealität ein in gut und böse, gläubig und ungläubig, islamisch und unislamisch sowie erlaubt und verboten. Dadurch wird vor allem jungen und beeinflussbaren Menschen ein vermeintlich allzeit gültiger Handlungskatalog angeboten, der Orientierungshilfe und feste Strukturen in einer als komplex wahrgenommenen Welt suggeriert. Außerdem vermittelt die salafistische Szene als jugendliche Subkultur mit einer bestimmten Art von Kleidung, Sprache und Symbolik, durch die sich Salafisten optisch von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen, ein hohes Maß an Zugehörigkeitsgefühl und identitätsstiftenden Charakteristika. So übt die salafistische Ideologie in Europa vor allem auf muslimische Migranten der zweiten und dritten Einwanderergenerationen sowie auf Konvertiten eine hohe Anziehungskraft aus.
Politischer und jihadistischer Salafismus | Obgleich Salafisten das Ziel vereint, die „frommen Altvorderen“ zu imitieren und die angeblich „wahre“ Glaubenslehre in die Praxis umzusetzen, ziehen sie unterschiedliche Schlüsse aus den religiösen Quellen und leiten daraus unterschiedliche Handlungsweisen ab. Der Verfassungsschutz unterscheidet daher − je nach Mittel, das gewählt wird, um die angestrebten gesellschaftlichen und politischen Veränderungen umzusetzen − zwischen politischem und jihadistischem Salafismus.
Während der politische Salafismus die Missionierungsarbeit in den Vordergrund stellt, sieht der jihadistische Salafismus die Anwendung von Gewalt und den bewaffneten Kampf (arab. jihad) als unabdingbar an. Auch wenn sich Anhänger beider Strömungen in der genauen Ausgestaltung der salafistischen Ideologie unterscheiden, sind die Übergänge aufgrund der gemeinsamen ideologischen Grundlagen fließend.
In Hessen war der Großteil der Salafisten dem politischen Spektrum zuzurechnen. Seit Beginn der Bürgerkriegswirren sind etwa 140 Personen von Hessen nach Syrien und in den Irak ausgereist (Stand Dezember 2016), um dort auf Seiten des sogenannten Islamischen Staates (IS) und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Dies verdeutlicht das Potenzial der Jihadisten, die bereit sind, den Kampf gegen ihre „Feinde“ mit Gewalt zu führen.
Mit etwa 1.650 Personen blieb in Hessen die Zahl der Salafisten im Vergleich zum Vorjahr konstant und damit weiterhin besorgniserregend hoch.
Mit dem Verbot der Vereinigung Die Wahre Religion (DWR) kamen die „LIES!“-Verteilaktionen, initiiert von dem Salafisten Ibrahim Abou-Nagie, endgültig zum Erliegen. Dagegen begannen Salafisten um den Prediger Pierre Vogel mit „We love Muhammad“ ein neues Projekt, um unter anderem mit der Verteilung von Mohammed-Biographien „Wissen über den Propheten“ zu verbreiten.
Rückgang und Ende der „LIES!“-Aktionen | Hessenweit gingen die „LIES!“-Verteilaktionen, die zuletzt nur noch in Frankfurt am Main stattfanden, zurück und endeten gänzlich im November mit dem Vollzug des Verbots der Vereinigung DWR. Zuvor durchgeführte „LIES!“-Aktionen hatten unregelmäßig und mit einer geringeren Teilnehmerzahl als im Jahr 2015 stattgefunden. Der Rückgang der Aktionen resultierte unter anderem aus bereits vor dem DWR-Verbot veranlassten behördlichen Maßnahmen. Darüber hinaus war der Hauptverantwortliche und Organisator der im bundesweiten Vergleich besonders aktiven „LIES!“-Kampagne in Frankfurt am Main, Bilal Gümüs, Ende März aus dem Projekt ausgeschieden. Hintergrund war ein Zerwürfnis mit Ibrahim Abou-Nagie, dem Initiator des bundesweiten „LIES!“-Projekts.
„We love Muhammad“ | Wenige Tage vor dem DWR-Verbot starteten Salafisten das Projekt „We love Muhammad“. Von dem salafistischen Prediger Pierre Vogel initiiert, lief „We love Muhammad“ am zweiten Novemberwochenende zeitgleich in Deutschland und in der Schweiz an. Seit Sommer war in sozialen Netzwerken für eine gleichnamige App geworben worden. Bei entsprechenden Verteilaktionen wurden Biographien Mohammeds (arab. sira), Hörbücher für Kinder und Visitenkarten als Kontaktadressen kostenlos angeboten und für die App geworben. Laut Pierre Vogel sollte mit dieser Aktion unter den Muslimen „Wissen über den Propheten“ verbreitet werden. In Hessen fand am 12. November eine erste Verteilaktion in Frankfurt am Main statt, zu einer weiteren kam es im Februar 2017. Unter den Teilnehmern befanden sich Akteure, die bereits bei „LIES!“ aktiv gewesen waren; auch Bilal Gümüs unterstützte öffentlich das „We-loveMuhammad“-Projekt. Derzeit wird geprüft, ob es sich bei „We love Muhammad“ um eine Nachfolgeorganisation von DWR handelt.
Am 25. Oktober verbot der Bundesminister des Innern die Vereinigung DWR alias LIES! Stiftung/Stiftung LIES einschließlich ihrer Teilorganisationen LIES! Verlag, ReadLiesLTD und Insamslingstiflesen Al Quaran Foundation (im Folgenden insgesamt als DWR bezeichnet). Das Verbot gründet sich auf die Tatsache, dass sich DWR gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Die Vereinigung vertrat eine Ideologie, die die verfassungsmäßige Ordnung ersatzlos verdrängen wollte und den bewaffneten Jihad befürwortete. Bundesweit stellte DWR ein hervorgehobenes Rekrutierungs- und Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für solche Personen dar, die aus jihadistischen Motiven nach Syrien bzw. in den Irak ausreisen wollten. Das Verbot wurde am 15. November vollzogen, die Vereinigung aufgelöst, ihre Kennzeichen und Internetauftritte verboten sowie ihr Vermögen beschlagnahmt und eingezogen. Das Verbotsverfahren war auch auf Initiative Hessens hin in Gang gesetzt und mit umfangreicher hessischer Unterstützung vorangetrieben worden.
Verbreitung salafistischer Ideologie | Seit 2011 hatten DWR-Aktivisten im Rahmen des „LIES!“-Projekts in Fußgängerzonen kostenlose Koran-Exemplare verteilt, um neue Anhänger für die salafistische Ideologie zu werben. Der Initiator der „LIES!“-Kampagne und bundesweit aktive Salafist Ibrahim Abou-Nagie hatte seinerzeit das Ziel formuliert, 25 Millionen deutschsprachige Koranübersetzungen zu verteilen und damit nahezu jedem Haushalt in Deutschland einen Koran zur Verfügung zu stellen. Bis zum Verbot des Vereins wurden nach eigener Angabe innerhalb von rund fünf Jahren etwa 3,5 Millionen Koranübersetzungen verteilt. Daneben bediente sich DWR eines Netzwerks aus Predigern, um die salafistische Ideologie im Rahmen von Seminaren und öffentlichen Veranstaltungen zu verbreiten.
Verbotsgründe | Die von DWR propagierte salafistische Ideologie richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, so vertrat sie ein Scharia-Verständnis, das im Widerspruch zum Grundgesetz steht. In zahlreichen im Internet veröffentlichten Videos positionierten sich wichtige DWR-Akteure unter Berufung auf „die Scharia“ gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, die Volkssouveränität, die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. DWR warb in kämpferisch-aggressiver Weise bei ihren überwiegend jungen − zum Teil minderjährigen − Anhängern dafür, dieses extremistische Islamverständnis in die Tat umzusetzen.
Darüber hinaus richtete sich DWR gegen den Gedanken der Völkerverständigung. So riefen Aktivisten in ihren Botschaften zum Beispiel zur Vernichtung von Juden und „Zionisten“ auf und befürworteten den bewaffneten Jihad. Indem DWR auch Sympathisanten der jihadistischen Ideologie anwarb, wurde sie zum Sammelbecken für bundesweit mindestens 140 „LIES!“-Aktivisten und -Unterstützer, die nach Syrien bzw. in den Irak ausreisten, um sich dort dem terroristischen Kampf anzuschließen.
Bundesweite Durchsuchungen | In zehn Ländern (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Bremen) fanden über 190 Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen statt, allein in Hessen mehr als 60, unter anderem in Frankfurt am Main, Kassel, Offenbach am Main, Darmstadt, Hanau, Dietzenbach und Mühlheim am Main.
Reaktionen der salafistischen Szene | Am 15. Dezember reichte Ibrahim Abou-Nagie fristgerecht Klage gegen die Vereinsverbotsverfügung beim Bundesverwaltungsgericht ein. Auf Facebook reagierte die salafistische Szene unterschiedlich auf diesen Schritt. Neben zustimmenden Kommentaren fanden sich Äußerungen, in denen Abou-Nagie vorgeworfen wurde, sich durch die Klage innerhalb des demokratischen Systems zu bewegen und sich zu dessen Teil zu machen, wogegen die Demokratie − nach salafistischer Auffassung − als unislamisch abzulehnen sei.
In seiner vierten (auf Deutsch) im Internet erschienenen Ausgabe warf das IS-Propagandamagazin Rumiyah den DWR-Verantwortlichen vor, ein „entstelltes und falsches Bild vom Islam zu präsentieren, mit dem die Kreuzzügler zufrieden sein würden“. In Bezug auf Abou-Nagie bemängelte das Magazin, dass es „keine Feindschaft und keinen Hass gegenüber den Feinden Allahs in seinem Herzen“ gebe. Der Artikel endete mit einem gegen die „Feinde“ des tauhid (arab. für Einzigkeit und Einzigartigkeit Allahs) gerichteten Aufruf:
„Öffnet die Tore des Dschihads in ihrem Land. Detoniert den Vulkan der Wut in ihren Gesichtern, füllt ihre Straßen mit Terror und vergießt ihr Blut zu Flüssen, denn die Rechnung ist wahrlich lang geworden und die Zeit der Vergeltung ist gekommen. […] Ihr wisst über die Teilnahme der deutschen Truppen an der Schlacht in Mossul […]. Und wenn manch einer von euch nicht dazu imstande ist einen Sprengsatz oder Munition zu beschaffen, so wird er nicht unfähig sein ein Messer oder Steine zu benutzen“.
(Schreibweise wie im Original.)
Auf die gegen ihn in Syrien und im Irak geführte Militäroffensive reagierte der IS, indem er Anschläge in Europa – auch in Deutschland – plante, diese anleitete und durchführte. Der IS bekannte sich im Berichtsjahr unter anderem zu Terrorakten in Belgien, Frankreich und Deutschland, die vielen Menschen das Leben kosteten und zahlreiche zum Teil sehr schwer verletzten.
Dass der IS im Jahr 2014 ein „Kalifat“ ausgerufen hatte, bildete innerhalb der Anhängerschaft des globalen Jihad nach wie vor einen schwerwiegenden Streitpunkt und sorgte weiterhin für eine Zersplitterung der verschiedenen jihadistischen Strömungen. Al-Qaida und mit ihr ideologisch verwandte Gruppierungen lehnten das „Kalifat“ des IS unverändert ab, da es aus ihrer Sicht keine religiöse Legitimation besitzt. Vor diesem Hintergrund kam es in den Konfliktregionen nicht nur zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den verfeindeten jihadistischen Lagern, sondern auch zu einem regelrechten Propagandakrieg im Internet bzw. in den sozialen Netzwerken.
Für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist es von entscheidender Bedeutung, Rückkehrer aus Syrien und dem Irak als solche zu erkennen. Von diesen Personen geht nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden derzeit die größte Gefahr für Leib und Leben der Menschen in Deutschland aus. Sind Rückkehrer als solche identifiziert, werden sie von den Sicherheitsbehörden im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten überwacht und bei ausreichender Beweislage festgenommen. Darüber hinaus wurde im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport Anfang 2017 − nach einer Pilotphase im vorangegangenen Jahr − ein Referat im Landespolizeipräsidium zur Umsetzung des Konzepts der beschleunigten Rückführung „besonders auf- und straffälliger Ausländer“ eingerichtet. Das Referat ist zuständig für aufenthaltsbeendende Maßnahmen, einschließlich der freiwilligen Rückkehr. Es erarbeitet die strategischen Leitlinien für eine wirkungsvolle Umsetzung der Rückführung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern. Dies gewährleistet eine bessere Verzahnung von Behörden in Bezug auf ausländische Intensiv- und Mehrfachtäter, wobei Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaft sowie Ausländer- und Sozialbehörden enger denn je kooperieren, um möglichst keine Reibungsverluste entstehen zu lassen.
IS auf dem Rückzug | Seit Anfang 2016 war der IS gezwungen, von ihm in Syrien und im Irak erobertes Territorium gegen die von den USA geführte Koalition, das russisch-syrische Militärbündnis und eigenständig aktive Gruppierungen zu verteidigen. Die Terrororganisation gab Gebiete auf, darunter den für ihre Propaganda wichtigen und symbolträchtigen Ort Dabiq (Syrien) an der Grenze zur Türkei. Laut einer islamischen Überlieferung soll in Dabiq am Ende aller Zeiten eine wichtige Schlacht zwischen Muslimen und „Ungläubigen“ stattfinden. Davon überzeugt, dass sich diese Prophezeiung erfüllen werde, hatten IS-Kämpfer den militärisch-strategisch bedeutungslosen Ort im Jahr 2014 besetzt. Dessen ideologisch-propagandistische Bedeutung wurde sichtbar, als der IS ein Propagandamagazin mit gleichem Namen herausgab.
Strategiewechsel des IS − jihadistische Propaganda | Während die Anti-IS-Koalition weiter auf die von der Terrororganisation besetzten Städte Raqqa (Syrien) und Mossul (Irak) vorrückte, verwickelte der IS die Koalitionskräfte in einen Guerilla-Kampf. Ungeachtet der erfolgreichen Militärschläge gegen den IS, die zum Tod einflussreicher und ranghoher Funktionäre wie des IS-Medienchefs und Leiters Externe Operationen, Abu Muhammad al-Adnani, führten, verbreiteten die Jihadisten Durchhalteparolen und versuchten vor allem mittels ihrer Propaganda Stärke zu demonstrieren. So reagierte der IS auf den anhaltenden militärischen Druck und die Gebietsverluste mit zwei Strategien: Zum einen verlagert er Kräfte in Gebiete außerhalb Syriens und des Iraks − zum Beispiel nach Libyen −, um sich dort sowohl militärisch als auch logistisch zu reorganisieren; zum anderen drohte er den „Ungläubigen“ vermehrt mit brutalen Vergeltungsmaßnahmen. In diese Drohungen mischten sich Aufrufe zu Anschlägen gegen Europa und teilweise explizit gegen Deutschland.
Vor diesem Hintergrund gewannen das Internet bzw. die sozialen Medien für den IS eine noch größere Bedeutung, als sie bereits in der Vergangenheit in Bezug auf die Legitimation und Verbreitung jihadistischer Ideologie besessen hatten: Propagandamaterial in Form von Texten und Audio-/Videobotschaften wurde hauptsächlich über offene Kanäle in den sozialen Netzwerken gestreut, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Zugleich wollte der IS auf diese Weise das Erkennen und Löschen jihadistischer Inhalte durch die Sicherheitsbehörden in Kooperation mit den verantwortlichen Netzbetreibern erschweren.
Seit einigen Jahren haben sich jihadistische Medienportale und Einzelakteure „professionalisiert“, indem sie Qualität und Quantität ihrer Propagandaveröffentlichungen sukzessive erhöhten. Neben gängigen Medienformaten verbreiteten die Jihadisten Online-Publikationen im modernen Design und im Hochglanzlook mit einer aussagekräftigen Bildersprache, mittels derer sie die Welt plakativ in „Gläubige“ und „Ungläubige“ sowie „Gut“ und „Böse“ unterteilten. Jihadistische Terrororganisationen wie der IS und al-Qaida veröffentlichten derartige Magazine in regelmäßigen Abständen im Internet.
DABIQ und Rumiyah | Zu den bekanntesten Magazinen zählte DABIQ, das zuletzt im Juli mitunter auch in deutscher Sprache erschien. DABIQ verherrlichte vor allem das „Kalifat“ und beschrieb entsprechend positiv die dortigen Verhältnisse, um Muslime aus aller Welt zum Verlassen des Westens sowie zum Leben im „Kalifat“ zu verlocken, wobei das „Kalifat“ tatsächlich lediglich eine realitätsferne Utopie ist. Im September verbreitete der IS ein weiteres Magazin mit dem Titel Rumiyah, was im Arabischen Rom bedeutet und sinnbildlich für den Untergang des Römischen Reiches nach dem Fall Konstantinopels im Jahr 1453 steht. Rumiyah erschien in verschiedenen Sprachen − unter anderem auf Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch und Türkisch − und rief sehr viel intensiver als DABIQ zum Töten von Nicht-Muslimen auf. Rumiyah bezeichnete dies als religiöse Pflicht der Muslime.
Terroranschläge in Europa | Die Ereignisse in Paris (Frankreich) im Januar 2015 − Angriff auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo, Mord an einer Polizistin und Ermordung von vier Geiseln in einem Supermarkt − markierten den Beginn einer Reihe europaweiter jihadistisch motivierter Anschläge mit hunderten von Toten und Verletzten. Im Berichtsjahr kam es unter anderem zu folgenden Anschlägen:
- Am 12. Januar sprengte sich ein Attentäter in unmittelbarer Nähe einer deutschen Reisegruppe auf dem Sultan-Ahmed-Platz in Istanbul (Türkei) in die Luft. Elf deutsche Staatsangehörige kamen ums Leben, 13 Personen wurden verletzt. Der syrische Attentäter soll dem IS angehört haben.
- Am 26. Februar stach eine 15-jährige deutsch-marokkanische Staatsangehörige mit einem Messer gezielt auf einen Beamten der Bundespolizei im Rahmen einer Kontrolle im Hauptbahnhof in Hannover (Niedersachsen) ein und verletzte ihn schwer. Die Angreiferin sympathisierte mit dem IS und hatte im Januar versucht, nach Syrien auszureisen. Im Januar 2017 verurteilte das Oberlandesgericht Celle die mittlerweile 16-Jährige zu sechs Jahren Freiheitsstrafe; ein Mitwisser der Tat erhielt zweieinhalb Jahre Haft. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
- Am 22. März verübten in Brüssel (Belgien) Selbstmordattentäter sowohl im Flughafen Zaventem als auch in der U-Bahnstation Maelbeek einen Sprengstoff- und Bombenanschlag. Dabei kamen 38 Menschen, darunter eine deutsche Staatsangehörige, ums Leben. Mehr als 340 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der IS bekannte sich zu den Anschlägen.
- Am 16. April verübten zwei 16- und 17-jährige türkische Staatsangehörige − mutmaßliche Sympathisanten des IS − einen Sprengstoffanschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft in einem Gemeindezentrum der Sikhs in Essen (Nordrhein-Westfalen). Durch die Explosion wurden ein Priester schwer und zwei weitere Männer leicht verletzt, zur Tatzeit hielten sich 100 bis 150 Personen im Gemeindezentrum auf.
- Am 13. Juni ermordete in Magnanville (Frankreich) ein marokkanischer Staatsangehöriger einen Polizeibeamten und dessen Lebensgefährtin. Der Täter wurde getötet, als die Polizei das Haus stürmte, der dreijährige Sohn des Paars blieb unverletzt. Während der vorherigen Verhandlungen mit der Polizei hatte der Täter geäußert, Muslim zu sein und den Treueeid auf Abu Bakr al-Baghdadi, den Anführer des IS, geschworen zu haben.
- Am 28. Juni verübten drei mutmaßliche IS-Sympathisanten einen Anschlag auf den internationalen Flughafen Atatürk in Istanbul (Türkei), indem sie getrennt voneinander in kurzer zeitlicher Abfolge mit Sturmgewehren und Sprengsätzen 45 Menschen töteten und mindestens 240 − darunter eine deutsche Staatsangehörige − zum Teil schwer verletzten. Die Attentäter sprengten sich schließlich in die Luft bzw. sie wurden von der Polizei getötet.
- Am 14. Juli überfuhr auf einer Strandpromenade in Nizza (Frankreich) ein Attentäter während einer Veranstaltung zum französischen Nationalfeiertag auf einer Strecke von etwa zwei Kilometern Länge Besucher mit einem Lastwagen. Dabei tötete der Attentäter 86 Menschen − darunter drei deutsche Staatsangehörige − und verletzte mehr als 70, unter ihnen ebenfalls eine Deutsche, zum Teil schwer. Die Polizei erschoss den Täter, einen tunesischen Staatsangehörigen, der in Frankreich zuvor wegen allgemeinkrimineller Delikte in Erscheinung getreten war. Der IS reklamierte die Tat für sich.
- Am 18. Juli fügte ein afghanischer Staatsangehöriger in einem Regionalzug bei Würzburg (Bayern) fünf Menschen mit einer Axt und einem Messer schwere Verletzungen zu. Im Zuge der polizeilichen Festnahme kam der Täter ums Leben. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Täter den Sicherheitsbehörden nicht aufgefallen. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag.
- Am 24. Juli verübte in der Nähe der Eingangskontrolle zu einem Musikfestival in Ansbach (Bayern) ein syrischer Staatsangehöriger ein Sprengstoffattentat, wobei er selbst ums Leben kam. 14 Personen wurden verletzt, vier davon schwer. Der Attentäter hatte zuvor versucht, auf das Veranstaltungsgelände, auf dem sich 2.000 bis 2.500 Menschen befanden, zu gelangen. Als er abgewiesen wurde, da er keine Eintrittskarte vorweisen konnte, zündete er den Sprengsatz vor einer Gaststätte. Der Täter war der Polizei wegen Drogen- und Nötigungsdelikten bekannt. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag.
- Am 19. Dezember steuerte in Berlin ein Attentäter einen Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt, dabei tötete er zwölf Menschen und verletzte 62, davon 14 schwer. Dem Täter, einem tunesischen Staatsangehörigen, gelang die Flucht; er wurde am 23. Dezember in einem Vorort von Mailand (Italien) in der Nähe des Bahnhofs von Polizeibeamten erschossen, als er versuchte, sich mit Waffengewalt einer Personenkontrolle zu entziehen.
Jihadistisch motivierte Ausreisen | Mit Stand Dezember lagen Erkenntnisse zu mehr als 890 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vor, die seit Beginn des Bürgerkriegs in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des IS und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Von den 890 Personen lagen Erkenntnisse zu etwa 140 Islamisten aus Hessen vor, die in Richtung Syrien/Irak reisten. Etwa ein Fünftel der bundesweit ausgereisten Personen war weiblich. Der überwiegende Teil der insgesamt ausgereisten Personen war jünger als 30 Jahre. Nicht in allen Fällen lagen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien bzw. im Irak aufhielten oder aufgehalten haben. Insgesamt zeichnete sich eine verringerte Ausreisedynamik in die Konfliktregion ab. Andererseits ist weiterhin damit zu rechnen, dass gerade Jihadisten aus Deutschland, die − trotz der Unabwägbarkeiten vor Ort − nach wie vor ausreisen möchten, zunehmend wegen der Maßnahmen der Behörden sensibilisiert sind. Daher ist von einer Dunkelziffer nicht registrierter Ausreisen auszugehen.
Etwa ein Drittel der 890 bundesweit ausgereisten Personen befand sich im Dezember wieder in Deutschland. Zu der Mehrzahl dieser Rückkehrer lagen keine belastbaren Informationen vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen in Syrien bzw. im Irak beteiligten.
Etwa ein Viertel der rund 140 aus Hessen ausgereisten Personen hielt sich im Dezember wieder in Hessen auf. Zu der Hälfte dieser Rückkehrer lagen keine belastbaren Informationen vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen in der Konfliktregion beteiligten.
Als Ergebnis der kontinuierlichen Aus- und Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen lagen den Sicherheitsbehörden im Dezember bundesweit zu über 70 Personen Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligten oder hierfür eine Ausbildung absolvierten. In Hessen lagen zu etwa 20 Personen entsprechende Erkenntnisse vor. Gegen sie wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Ferner lagen bundesweit zu etwa 140 (in Hessen zu rund 25) Personen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind.
Zudem wurden weitere Ausreiseplanungen bekannt. Die Sicherheitsbehörden sind bestrebt, möglichst viele dieser Ausreiseplanungen frühzeitig wahrzunehmen, um deren Verwirklichung zu unterbinden. Die Anzahl der behördlich verhängten Ausreiseverbotsverfügungen bewegte sich bundesweit im niedrigen dreistelligen − in Hessen im mittleren zweistelligen − Bereich.
Jihadistische Szene in Hessen | Innerhalb der salafistischen Szene in Hessen machten die Jihadisten einen geringen Anteil aus. Nicht jeder Jihadist plante eine vermeintlich islamisch legitimierte Gewalttat. Der Großteil des jihadistischen Personenspektrums nutzte in der Regel städtische Regionen, da gerade sie − wie zum Beispiel das Rhein-Main-Gebiet − für konspirative Zwecke geeignet sind, um die Gewaltideologie des Jihadismus unterstützend zu verwirklichen. Dazu zählten etwa Finanztransaktionen, Schleusungsaktivitäten und die Indoktrinierung von Personen.
Ähnlich wie die Szene des politischen Salafismus war die jihadistische in heterogene, mitunter ideologisch verfeindete Gruppierungen und Lager gespalten. Ungeachtet ihrer internen Konflikte registrierte die jihadistische Szene − insbesondere mit Bezug auf Syrien − jede Entwicklung innerhalb des globalen Jihad. Umgekehrt erreichte der IS in bislang unvergleichbarer Weise mit seinen „professionell“ gestalteten Propagandabotschaften Menschen, die unter bestimmten Bedingungen indoktriniert und radikalisiert werden können, so dass sie eventuell eine jihadistisch motivierte Gewalttat begehen.
Salafistische Veranstaltung in Kassel − Vereinsverbot | Ein seit Mitte April auf salafistischen Facebook-Profilen und über andere soziale Netzwerke für Kassel angekündigtes „Wochenendseminar“ fand dort vom 6. bis 8. Mai in der sogenannten Medina-Moschee statt. Als Referenten sollten die salafistischen Prediger „Scheikh Bassam, Scheikh Abu Walaa & Bruder Abu Khadijah“ auftreten. Bei Abu Walaa handelt es sich um Ahmad Abdulaziz Abdullah, Imam im Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim (DIK) in Niedersachsen. Er bekannte sich in der Vergangenheit offen zum IS und trat bei salafistischen Veranstaltungen als Redner auf. İie Polizei kontrollierte in Kassel mehr als 200 Teilnehmer und nahm Personalienfeststellungen vor. Unter den Besuchern befanden sich Abu Walaa und mehrere Angehörige der salafistischen Szene, die aus verschiedenen deutschen Städten und aus dem benachbarten europä-ischen Ausland angereist waren.
Am 8. November wurde Abu Walaa aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs in Untersuchungshaft genommen. Unter anderem soll er Personen für die salafistische Szene angeworben und sie zum Zweck des gewaltsamen Jihad für den IS in die Krisenregion Syrien/Irak geschleust haben. Hierfür soll Abu Walaa zusammen mit vier weiteren Personen ein Netzwerk gegründet und angeführt haben.
Nach Durchsuchungsmaßnahmen am 23. November in mehreren Objekten in Kassel verbot das Hessische Ministerium des Innern und für Sport im März 2017 den Almadinah Islamischen Kulturverein e. V. Der Trägerverein der Medina-Moschee richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung, förderte ein jihadistisch-salafistisches Netzwerk und bot in der Moschee eine Plattform für den Austausch und für den Aufruf zu Hass und Gewalt gegen andere Religionsgruppen, Staaten und Völker sowie allgemein anders denkende Menschen. Damit setzte der Verein letztendlich auf diese Art und Weise ggf. auch eine Ursache für Ausreisen in die Krisenregionen. Ebenso verbot im März 2017 das Niedersächsische Ministerium des Innern und für Sport den DIK.
Islamisten verurteilt | Am 4. Juli verurteilte die Staatsschutzkammer des Landgerichts Frankfurt am Main Halil D. wegen Urkundenfälschung und verbotenem Waffen- und Sprengstoffbesitz zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft. Das Urteil ist rechtskräftig. Im Keller von Halil D. hatte die Polizei im April 2015 neben verschiedenen Waffen eine funktionsfähige Rohrbombe entdeckt, auf einem Rechner hatten sich unter anderem Propagandavideos des IS und Ausgaben von DABIQ befunden. Das Radrennen „Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt“ war daraufhin wegen Terrorverdachts kurzfristig abgesagt worden. Aufgefallen war Halil D., als er gemeinsam mit seiner Frau unter falschem Namen große Mengen Wasserstoffperoxid gekauft hatte, das auch zum Bombenbau verwendet werden kann. Die Verkäuferin hatte die Polizei alarmiert. Der Anklagepunkt der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat konnte im Verlauf des Prozesses nicht bestätigt werden; die Anklage wurde diesbezüglich fallengelassen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte am 8. November einen deutsch-marokkanischen Staatsangehörigen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Kriegsverbrechen und Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Dem Verurteilten war vorgeworfen worden, gegen Ende 2013 mit seiner nach islamischem Recht angetrauten Ehefrau und deren zwei Kindern über die Türkei nach Syrien ausgereist zu sein, um sich dem IS anzuschließen. Dort ließ sich der Verurteilte im Umgang mit Waffen ausbilden und beteiligte sich am jihadistischen Kampf gegen das syrische Regime. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte zusammen mit anderen Personen die Leiche eines Gegners geschändet und davon mit seinem Handy Bildaufnahmen gefertigt hatte.
Begriffsentstehung | Mit dem arabischen Begriff salafiyya wurde erstmals im frühen 20. Jahrhundert eine islamische Reformbewegung beschrieben, die sich aus verschiedenen Erneuerungsbewegungen mit unterschiedlichen geographischen und politischen Umständen formierte und in den städtischen Zentren des Osmanischen Reichs wirkte.
Als Vertreter der „klassischen“ salafiyya gelten muslimische Intellektuelle und Gelehrte wie Jamal al-Din al-Afghani (1838 bis 1897), Muhammad Abduh (1849 bis 1905) und Rashid Rida (1865 bis 1935). Sie propagierten als Reaktion auf den europäischen Kolonialismus eine Rückbesinnung auf die islamischen Wurzeln und auf die „frommen Altvorderen“ (arab. as-salaf as-salih), um − in ihrer Sichtweise − die muslimische Gemeinschaft aus der politischen und intellektuellen Unmündigkeit zu führen. Als Ursache für die damals bestehenden politischen Verhältnisse betrachteten Jamal al-Din al-Afghani, Muhammad Abduh und Rashid Rida die islamischen Volkstraditionen, die im Laufe der Jahrhunderte den „wahren Islam“ verfälscht hätten. In der Zurückweisung dieser Traditionen und im eigenständigen Forschen in den islamischen Quellen (arab. ijtihad) sahen sie die Möglichkeit, Islam und Moderne in Einklang zu bringen.
Historische Vorbilder in der islamischen Frühzeit | Der Rückbezug auf die „frommen Altvorderen“ ist bereits in der Frühzeit der sunnitischen Geistesgeschichte erkennbar. Salafistische Akteure zitieren als ideologische Vorbilder häufig vormoderne islamische Gelehrte wie Ahmad Ibn Hanbal (780 bis 855), Taqi al-Din Ahmad Ibn Taymiyya (1263 bis 1328) und dessen Schüler Ibn Qayyim al-Jawziyya (1292 bis 1350). Es gab jedoch im vormodernen Islam keine Bewegung oder Strömung, die als salafiyya bezeichnet wurde oder sich selbst so nannte. Da es sich bei den „Altvorderen“ nicht um eine Bewegung oder ein klar definiertes Konzept handelt, gestaltet sich dieser Rückgriff auf sie − je nach historischen, politischen, gesellschaftlichen und intellektuellen Umständen − sehr unterschiedlich und führte in der Moderne zu stark divergierenden Interpretationen und verschiedenen, teils widersprüchlichen Strömungen innerhalb des Salafismus.
Wahhabismus als puristische Reformbewegung | Im aktuellen allgemeinen Sprachgebrauch wird mit dem Begriff Salafismus vor allem eine puristisch ausgerichtete Reformbewegung in Verbindung gebracht, die im späten 18. Jahrhundert von Muhammad Ibn Abd al-Wahhab (1703 bis 1792) auf der arabischen Halbinsel (im heutigen Saudi-Arabien) begründet wurde. Wahhabs Ziel war es, die islamische Glaubenslehre und deren Praktiken von unerlaubten Neuerungen (arab. bid’a) zu reinigen. Im Zentrum der theologischen Betrachtung Muhammad Ibn Abd al-Wahhabs stand die strenge Betonung des Monotheismus (arab. tauhid) und damit einhergehend die Zurückweisung von Heiligenverehrung und anderen von ihm als unislamisch gebrandmarkten Verhaltensweisen.
Abd al-Wahhab praktizierte eine stark am Text orientierte Auslegung des Koran und denunzierte andere Muslime, vor allem Schiiten, als „Ungläubige“. Anders als die „klassische“ salafiyya lehnte er jegliche moderne Errungenschaften in gesellschaftlichen, politischen und intellektuellen Belangen ab und forderte, gemäß der Verhaltensregeln und Tugenden der „frommen Altvorderen“ zu leben. Mit seinen gesellschaftlichen und religiösen Reformideen lieferte er dem Stammesführer Muhammad Ibn Sa‘ud (1710 bis 1765) die religiöse Legitimation für dessen territoriale Expansionsbestrebungen, die später zur Gründung des Königreichs Saudi-Arabien mit wahhabitischer Staatsreligion führten.
Salafismus in Deutschland | In Deutschland wurden salafistische Prediger etwa seit 2002 aktiv und begannen, überregionale Missionierungsnetzwerke aufzubauen. Einige Prediger dieser ersten Generation erhielten ihre religiöse Ausbildung an Universitäten in Saudi-Arabien, was sich in ihrer Interpretation der islamischen Glaubenslehre nach wahhabitischer Lesart widerspiegelt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sie die Loyalität gegenüber dem saudischen Königshaus teilen, die traditionelle wahhabitische Gelehrte auszeichnet. Da es auch innerhalb des Wahhabismus heterogene Lehrmeinungen gibt, berufen sich salafistische Akteure in Deutschland auf unterschiedliche Gelehrte und vertreten daher unterschiedliche Positionen, etwa in Bezug auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Anwendung von Gewalt erlaubt ist. Anders als die Prediger der ersten Generation hat die wachsende Anzahl der gegenwärtigen Unterstützer und Sympathisanten des Salafismus oftmals keine religiöse Ausbildung an Universitäten erhalten, sondern schöpft ihr „Wissen“ aus Islamseminaren in Deutschland, Internetpredigten und privaten Lerngruppen.
Strikter Monotheismus | Um ihre Vorstellungen zu propagieren, greifen Salafisten auf theologische und islamrechtliche Begriffe zurück, die sie ideologisch und extremistisch auslegen. Zentral ist dabei die Betonung des Monotheismus (arab. tauhid), den Salafisten auf Fotos gerne durch das Erheben des Zeigefingers symbolisieren. Unter tauhid wird im Allgemeinen die Eigenschaft Allahs als alleiniger Schöpfer und die sich daraus ergebende Konsequenz verstanden, dass allein er anbetungswürdig ist. Nach salafistischem Verständnis hat dieses Konzept eine politische Dimension: Allah wird die alleinige Herrschafts- und Gesetzgebungskompetenz zugesprochen, was zur Ablehnung demokratischer Regierungsformen führt, da diese auf menschlicher Logik und Rationalität beruhen. Diese Auslegung ermöglicht es Salafisten, ihren muslimischen Gegnern vorzuwerfen, sie würden durch die Akzeptanz demokratischer Prinzipien gegen das tauhid-Prinzip verstoßen und damit vom islamischen Glauben abfallen. Vermeintliche Verstöße gegen das zentrale Glaubenskonzept ziehen jihadistische Salafisten außerdem als Legitimation dafür heran, aus ihrer Sicht unislamische Regierungen oder andere Gegner gewaltsam zu bekämpfen (arab. jihad).
Forderung nach kompromissloser Einhaltung der islamischen Rechtsordnung (Scharia) | Wegen der alleinig Allah zugesprochenen absoluten Gewalt über die Gesetzgebung erkennen Salafisten nur göttliches Recht als gültig an. Sie fordern daher, nur Gesetze anzuwenden, die aus Koran und Sunna hervorgehen (Scharia). Obwohl es sich bei der Scharia nicht um einen kodifizierten Gesetzeskanon handelt, sondern − je nach angewandter Rechtsfindungsmethode − um teilweise sehr unterschiedliche Interpretationen der religiösen Quellen, stellen Salafisten die Scharia als die Gesamtheit der islamischen Gesetze als eindeutiges Rechtssystem dar. Zitate aus dem Koran und Aussprüche des Propheten − losgelöst aus ihrem jeweiligen historischen und koranischen Kontext − dienen als Antwort für jedes ethische, theologische, soziale und politische Alltagsproblem. Besonders die Anwendung der im Koran für bestimmte Vergehen vorgeschriebenen Körperstrafen (arab. hadd) stellt eine zentrale Forderung der Salafisten dar.
Kampf gegen die „Ungläubigen“ | Als „Kenner“ des einzig „wahren“ Weges zu Allah werfen Salafisten allen, die ihrer Ideologie nicht folgen, vor, den Islam durch unerlaubte Neuerung (arab. bid‘a) zu verfälschen. Dabei verurteilen sie das Anerkennen demokratischer Regierungsformen als „Vielgötterei“ oder „Götzendienst“ (arab. schirk oder taghut), die den Abfall vom islamischen Glauben zur Folge haben. „Ungläubig“ (arab. kafir, Mehrzahl kuffar) sind demnach nicht nur Anhänger anderer Religionen, sondern auch nicht-salafistische Muslime. Besonders rigoros fordern Salafisten die Bekämpfung von Schiiten und Sufis (Anhänger der islamischen Mystik), da deren Theologie und Religionspraktiken eine Abweichung vom Islam seien.
Gegen die „westliche“ Kultur | Im Einklang mit dem Kampf gegen die „Ungläubigen“ richten sich salafistische Propagandaaktivitäten gegen „westliche“ Normen, Werte und Institutionen, die diese repräsentieren. Salafisten legitimieren diese Ablehnung durch die Berufung auf das Konzept der „Loyalität und Lossagung“ (arab. al-wala’ wal-bara’). Auf zwischenmenschlicher Ebene besagt dieses Konzept, „Ungläubige“ zu meiden und sich nur mit Gleichgesinnten zusammenzutun, auf politischer Ebene verbietet es das Eingehen militärischer oder politischer Allianzen mit Nicht-Muslimen. Im europäischen Kontext rufen salafistische Prediger vor allem dazu auf, sich von der „ungläubigen“ Mehrheitsgesellschaft zu distanzieren und unter Umständen in muslimische Länder oder den im Sommer 2014 proklamierten sogenannten islamischen Staat auszuwandern (arab. hijra).
Antisemitismus | Im Rahmen der Diffamierung anderer Religionen ist die Ächtung der jüdischen Religion und des Staates Israel in der salafistischen Propaganda besonders ausgeprägt. Entsprechende Äußerungen reichen von klassischen antisemitischen Stereotypen über die Leugnung des Holocaust bis hin zu Warnungen vor einer „jüdischen Weltverschwörung“. Darüber hinaus erkennen Salafisten das Existenzrecht Israels nicht an und legen den Israel-Palästina-Konflikt als Folge einer historischen Feindschaft der Juden gegen Muslime aus.
Politischer Salafismus | Die Mehrheit der Salafisten in Hessen versucht ihre Forderung nach Durchsetzung der Scharia mit politischen Mitteln zu erreichen. Dafür wählen diese Aktivisten in erster Linie das Mittel der Missionierung (arab. da’wa), um in Form von Vorträgen, Islamseminaren, Publikationen und Internetauftritten Muslime und Nicht-Muslime von ihrer Sicht des „wahren“ Islam und der Notwendigkeit, sich aktiv für diesen einzusetzen, zu überzeugen. Charismatische Prediger rufen dazu auf, die islamischen Quellen zu studieren und die individuelle Lebensführung dem Vorbild der „Altvorderen“ anzupassen. Durch öffentlichkeitswirksame Aktionen wie zum Beispiel die bundesweite Koranverteilaktion „LIES!“ erreichen politische Salafisten ein zunehmend breiteres Spektrum in der Gesellschaft.
Auch wenn politische Salafisten nicht offen zur Gewaltanwendung aufrufen, ist der Jihad als legitimes Mittel des klassischen islamischen Kriegsrechts integraler Bestandteil ihrer Ideologie. Insofern unterscheiden sie sich von jihadistischen Salafisten in ihrer Beurteilung dessen, unter welchen Umständen der Kampf gegen welchen Feind islamisch gerechtfertigt werden kann. Obgleich auch politische Salafisten demokratische Institutionen, Prozesse und Prinzipien wie Volksherrschaft und Mehrparteiensystem ablehnen, sind sie deutlich zurückhaltender, wenn es darum geht, deswegen andere Muslime offen des Abfalls vom Islam zu bezichtigen (arab. takfir) bzw. zu „Ungläubigen“ zu erklären.
Jihadistischer Salafismus | Ausgehend von denselben religiösen Quellen schlussfolgern jihadistische Salafisten, dass die Umsetzung ihrer Bestrebung, den „wahren“ Islam anzuwenden, nur mit gewaltsamen Mitteln möglich ist. Für ihre Wahl der anzuwendenden Strategie und Vorgehensweise ist entscheidend, ob der zu bekämpfende „Feind“ lokal (unislamische Regierung) oder global („westlicher Imperialismus“) verortet wird und dementsprechend Kampfhandlungen oder Anschläge gegen eine bestimmte („unislamische“) Regierung oder gegen „westliche“ Länder im Vordergrund stehen. In beiden Fällen verläuft die islamrechtliche Legitimation der jihadistischen Salafisten entlang der Argumentation, dass sich der Islam in einer permanenten Verteidigungsposition befinde, da „Ungläubige“ ihn vernichten wollten. Die Pflicht, sich für den Islam in den Kampf zu begeben, fordern jihadistische Salafisten dabei entweder als individuell oder kollektiv wahrzunehmende Aufgabe der Muslime ein.
In ihrer Propaganda werben jihadistische Salafisten für den Jihad, indem sie die Vorzüge des „Märtyrertods“ in Aussicht stellen. Er garantiere dem Kämpfer oder Selbstmordattentäter eine erhöhte Stellung im Paradies. Die Bereitschaft, sich für Allah und den Islam zu opfern, sei der einzige Weg, um die Gesellschaft zum Guten zu verändern und führe zu Ruhm und Anerkennung. In Propagandavideos veröffentlichen jihadistische Salafisten Bilder von „Märtyrern“ und untermalen diese mit religiösen Gesängen, die den Jihad preisen (arab. naschid, Mehrzahl anaschid), wodurch potenzielle Jihadisten emotional angesprochen und in Kampfstimmung versetzt werden sollen. Dabei ist es das Ziel, entweder neue Unterstützer für unterschiedliche jihadistische Gruppierungen im syrisch-irakischen Kampfgebiet zu gewinnen oder zu Terroranschlägen in Europa zu motivieren. Der jihadistische Salafismus stellt daher innerhalb des internationalen islamistischen Terrorismus unverändert die größte Bedrohung für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Auch im Berichtsjahr ging eine besondere Gefahr von Personen aus, die aus dem Jihad-Kampfgebieten Syrien und Irak nach Deutschland zurückkehrten.
Salafismus als Gesamtphänomen | Die Anzahl der Salafisten in Hessen war mit 1.650 Personen im Berichtsjahr weiterhin besorgniserregend hoch, wobei der Großteil dem politischen Salafismus zuzuordnen ist. Aufgrund der Resonanz, welche die anschlussfähige und in weitem Rahmen interpretierbare salafistische Ideologie vor allem unter Jugendlichen erfährt, ist nicht mit einem Rückgang dieser Zahl zu rechnen.
Politischer Salafismus | Dabei bleiben die vom politischen Salafismus ausgehenden Gefahren − allen voran die mögliche Radikalisierung hin zum gewalttätigen Jihadismus − unvermindert hoch. Die Sicherheitsbehörden räumen der Bekämpfung dieser Gefahren höchste Priorität ein. Dies zeigt unter anderem das bundesweite Verbot von DWR, das bis dahin als größtes Sammelbecken von jihadistischen Islamisten in Deutschland fungierte und unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit salafistische Ideologie verbreitete. Das Verbot setzt insbesondere ein Signal in Bezug auf die dem politischen Salafismus eigene doppeldeutige Einstellung zur Gewalt und verdeutlicht, dass entsprechende Bestrebungen nicht toleriert werden.
Genau zu beobachten ist für die Zukunft, welche Rückschlüsse innerhalb der Szene des politischen Salafismus aus dem Verbot und seiner Begründung gezogen werden. Da es sich um eine heterogene Szene handelt, in der ständig um das „wahre“ Verständnis der salafistischen Ideologie und die richtigen Mittel der da‘wa-Arbeit gerungen wird, ist das Entstehen neuer Personenkoalitionen möglich. Dies kann mit einer Distanzierung von Gewalt befürwortender Ideologie und dem Ausschluss jihadistischer Akteure einhergehen und stärkt möglicherweise diejenigen Strömungen innerhalb des Salafismus, die nicht gewaltorientiert agieren. Gleichzeitig könnte eine solche (vordergründige) Distanzierung aber auch aus der strategischen Überlegung resultieren, sich sicherheitsbehördlichen Maßnahmen in Zukunft zu entziehen.
Die Gründung neuer Missionierungsvereinigungen, die sich ähnlichen Verteilaktionen wie „LIES!“ widmen, ist wahrscheinlich. Dies zeigt sich zum Beispiel anhand der Verteilung von Prophetenbiographien im Namen von „We love Muhammad“. Allerdings ist abzuwarten, ob sich dieses Projekt in Hessen etablieren wird, da Neugründungen dieser und ähnlicher Art durch das DWR-Verbot erschwert werden. Eine Vereinigung, die sich zu einem Großteil aus ehemaligen „LIES!“-Aktivisten zusammensetzt, kann als Nachfolgeorganisation ebenfalls verboten werden. Ob es sich vorliegend um Nachfolgebestrebungen handelt, prüfen die Sicherheitsbehörden sorgfältig.
Jihadistischer Salafismus | Von salafistischen Jihadisten geht weiterhin die größte Bedrohung für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. In diesem Kontext stellen Rückkehrer aus den Bürgerkriegsgebieten im Nahen Osten eine sehr ernstzunehmende Gefahr dar. Selbst wenn nicht in allen Fällen Erkenntnisse über eine aktive Teilnahme am jihadistisch motivierten Kampf nachzuweisen sind, ist es wahrscheinlich, dass die vor Ort gemachten Erfahrungen, begangene Taten und die terroristische Ausbildung etliche Rückkehrer verrohen ließen und sie in die Lage versetzen, Anschläge zu begehen.
Neben dieser Gefährdungslage, die − wie das Berichtsjahr leider zeigte − sehr schnell in Anschläge münden kann, avancierten das Internet und insbesondere die sozialen Medien zur wichtigsten Plattform für die seitens des IS stark intensivierte Verbreitung jihadistischer Propaganda. Die Auseinandersetzung mit solchen Inhalten kann zur Radikalisierung einer Person beitragen. Studien belegen, dass dabei auch das soziale Umfeld für eine salafistische bzw. jihadistische Radikalisierung eine Rolle spielt. Vielfach entsteht erst durch soziale Kontakte und Beeinflussung der Rahmen, in dem ein extremistisch verzerrtes Islamverständnis auf eine individuelle Lebenssituation trifft, die in diesem Zusammenspiel zu einer Radikalisierung bis hin zu einem Anschlag führen.
Obwohl sich die Dynamik der jihadistisch motivierten Ausreisen verringert hat, ist weiterhin mit konspirativen Reisen in die Kampfgebiete zu rechnen. Die Maßnahmen der Sicherheits- sowie der Verwaltungsbehörden (wie etwa Passentzug und Ausreiseverbotsverfügung) verringern die Wahrscheinlichkeit einer unentdeckten Ausreise von Jihadisten.
Auch wenn im Berichtsjahr vor allem die Aktivitäten des IS im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit standen, geht von anderen jihadistischen Terrororganisationen wie etwa al-Qaida weiterhin eine nicht zu unterschätzende Gefahr aus. Die jihadistische Szene in Deutschland hat den Rahmen, innerhalb dessen diese Terrororganisationen agieren, und die Entwicklungen in den Bürgerkriegsgebieten sehr genau im Blick und reagiert darauf, wenn etwa − so wie geschehen − der IS seine Strategie ändert und seine mörderische Propaganda im Internet intensiviert.
Vor diesem Hintergrund analysieren die Sicherheitsbehörden die vergangenen Terroranschläge, ziehen ihre Schlüsse daraus und nehmen die anhaltende Bedrohungslage weiterhin äußerst ernst. So wurden im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport ein Referat im Landespolizeipräsidium zur Umsetzung des Konzepts der beschleunigten Rückführung „besonders auf- und straffälliger Ausländer“ eingerichtet und im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Kassel verschiedene Objekte durchsucht und der Verein Almadinah Islamischer Kulturverein e. V. verboten, da sich hier ein Nährboden für IS-nahe salafistisch-jihadistische Bestrebungen gebildet hatte.
Die Anschläge im Berichtsjahr verdeutlichen, dass es keinen universellen, vorherbestimmbaren jihadistischen Tätertyp gibt. Die Wege, die zur Radikalisierung − gerade von Einzelpersonen − führten, sowie die Tatvorbereitung und der Tatmodus weichen stark voneinander ab. Daher verstärken und modifizieren die Sicherheitsbehörden laufend ihre Anstrengungen und ihre Methodik, um Einzelpersonen zu identifizieren, die möglicherweise in der Lage sind, Terroranschläge zu verüben.
Gelingt es Jihadisten auch in Zukunft, Konflikte in bestimmten Krisenregionen, die in ihrer Entstehung und in ihrem Verlauf kompliziert sind, stark vereinfachend auf angeblich religiös motivierte Spannungen zu reduzieren und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, werden sie nach wie vor Personen motivieren, terroristische Anschläge zu begehen. Daher ist es das Ziel der zuständigen staatlichen Behörden, der wachsenden Infrastruktur des Salafismus durch Vereinsverbote und andere geeignete Maßnahmen, hier insbesondere Präventionsmaßnahmen, den Boden für Extremismus und Gewalt zu entziehen.