Glossar
Anhang

Verfassungsschutz in Hessen

Bericht 2016

Extremisten im Kommunalwahlkampf

Extremisten im Kommunalwahlkampf

Bei der Kommunalwahl am 6. März erreichte die NPD landesweit 6.004 gewichtete Stimmen (= 0,3 %), 2011 hatte die Partei 8.492 gewichtete Stimmen(= 0,4 %) erhalten. Die NPD war zur Wahl für die Kreistage Main-Kinzig-Kreis, Wetteraukreis und Lahn-Dill-Kreis angetreten. Ferner hatten NPD-Anhänger zu den Wahlen in fünf Stadtverordnetenversammlungen und drei Ortsbeiräten kandidiert. Insgesamt kam es zu sechs Mehrfachkandidaturen, aus NPD-Listen wurden 18 Personen mit 23 Mandaten in neun Kommunalvertretungen gewählt.

Wahlkampf der NPD | Im Wetteraukreis und im Lahn-Dill-Kreis führte die NPD einen – an ihrem geringen Potenzial in Hessen gemessen – intensiven und auf das Thema „Asylmissbrauch“ reduzierten Wahlkampf mit Infoständen und Flugblattaktionen. Stärker als bisher nutzte die Partei – neben dem Straßenwahlkampf – das Internet und soziale Netzwerke. Als Wahlkampfauftakt führte der NPD-Landesverband am 23. Januar in Büdingen (Wetteraukreis) eine Rednerveranstaltung unter anderem mit dem Landesvorsitzenden in Hessen, Jean-Christoph Fiedler, sowie dessen Stellvertreter Daniel Lachmann mit (nach eigenen Angaben) 70 Teilnehmern durch. Seit dem Bundestagswahlkampf 2013 war innerhalb der NPD das Thema „Asylmissbrauch“ als Schwerpunkt an die Stelle des Themas „Islamisierung“ getreten.

NPD in drei Wahlkreisen | In den Kreistagen Main-Kinzig-Kreis, Wetteraukreis und Lahn-Dill-Kreis behielt die NPD die Anzahl ihrer Mandate im Vergleich zur letzten Kommunalwahl, obwohl die Anzahl der für die Partei abgegebenen Stimmen sank. Im Main-Kinzig-Kreis erzielte die NPD 107.740 Stimmen (= 0,9 %), 2011 waren es 151.906 Stimmen (= 1,4 %) gewesen. Im Wetteraukreis wurden 192.778 Stimmen (= 2,2 %) für die NPD abgegeben (2011: 209.457 = 2,5 %). Im Lahn-Dill-Kreis errang die NPD 121.563 Stimmen (= 2,0 %). 2011 waren es 142.737 Stimmen (= 2,4 %) gewesen. Die auf den ersten Blick hohen Zahlen der abgegebenen Stimmen beruhen auf der Besonderheit im hessischen Kommunalwahlrecht (Kumulieren und Panaschieren).

Ergebnisse bei den Gemeindewahlen | In Frankfurt am Main verlor die NPD ihren Sitz und schied mit 46.047 Stimmen (= 0,3 %) aus der Stadtverordnetenversammlung aus (2011: 186.577 Stimmen = 1,1 %).

In Altenstadt (Wetteraukreis) erreichte die NPD 15.173 Stimmen (= 10,0 %) und ist mit vier Mandatsträgern neu im Stadtparlament vertreten. Einen Sitz errang die NPD auch im Ortsbeirat Altenstadt-Waldsiedlung.

In Büdingen (Wetteraukreis) gewann die NPD zu einem bereits bestehenden Mandat drei Sitze hinzu, indem sie 28.705 Stimmen (= 10,2 %) erzielte (2011: 5.587 Stimmen = 2,2 %). Gewählt wurde unter anderem ein ortsansässiger und langjähriger NPD-Funktionär. Für die Wahl zum Ortsbeirat in Büdingen-Wolf war der Funktionär als einziger NPD-Kandidat angetreten und erhielt 151 Stimmen (= 8,46 %), womit er nicht in den Ortsbeirat gewählt wurde.

In Leun (Lahn-Dill-Kreis) steigerte die NPD mit 5.380 Stimmen (= 11,2 %) die Anzahl ihrer Sitze von einem auf drei (2011: 2.296 Stimmen = 5,2 %). Im Ortsbeirat in Leun-Stockhausen ist die NPD mit einem Sitz vertreten.

Den größten Erfolg verzeichnete die NPD in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis), wo sie bei der letzten Kommunalwahl nicht kandidiert hatte. Jetzt errang sie aus dem Stand heraus mit 63.980 Stimmen (= 7,7 %) fünf Sitze in der Stadtverordnetenversammlung.

Abgebildet ist ein Wahlkampfplakat der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands. Darauf steht: Büdingen braucht Sicherheit und Heimatliebe. Es ist eine Ansicht des Büdinger mittelalterlichen Untertors, auch Jerusalemer Tor oder Kreuztor genannt, abgebildet. Auf der unteren Bildhälfte befinden sich die Internetadresse der Büdinger Nationaldemokratische Partei Deutschlands und das Logo der Partei.

Bewertung der NPD-Ergebnisse | Bei den Wahlen zu den Landkreisen, Gemeinden und Ortsbeiräten, zu denen die NPD angetreten war, nutzte sie – aus ihrer Sicht – optimal ihre beschränkten personellen Ressourcen. In den drei Kreistagen von Main-Kinzig-, Wetterau- und Lahn-Dill-Kreis hielt die NPD ihre Sitzanzahl. In den Gemeindevertretungen in Altenstadt (Wetteraukreis), Büdingen (Wetteraukreis) und Leun (Lahn-Dill-Kreis) verbesserte die NPD ihre Ergebnisse von 2011 bzw. zog in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) neu in die Gemeindevertretung ein. Hierbei ist auffällig, dass die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) in Altenstadt, Büdingen, Leun und Wetzlar nicht zur Wahl angetreten war. In Frankfurt am Main, wo die AfD kandidiert hatte, verfehlte die NPD ihr Wahlziel und ist nicht mehr in der Stadtverordnetenversammlung vertreten. Nach wie vor bestand im mittelhessischen Raum eine hohe Anziehungskraft der NPD auf die Wähler.

Im Phänomenbereich Linksextremismus erzielten die DKP und die Ökologische Linke (ÖkoLinX) Gewinne. Die DKP/Linke Liste (DKP/LL) gewann in Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) zwei Sitze hinzu und verfügt nunmehr über sechs Mandate in der Stadtverordnetenversammlung. In Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg) blieb die Anzahl der Sitze für die DKP gegenüber 2011 trotz Stimmengewinnen mit vier Sitzen unverändert. Die ÖkoLinX-Antirassistische Liste (ÖkoLinX-ARL) erhöhte in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung die Zahl ihrer Sitze von einem auf zwei. Landesweit (ohne Berücksichtigung von Sitzen in Ortsbeiräten) erhielten Linksextremisten insgesamt 26 Sitze.

Wahlkampf der DKP | Die DKP beteiligte sich in unterschiedlichen Formen an der Kommunalwahl. DKP-Mitglieder kandidierten auf offenen Listen der Partei DIE LINKE. In Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) und in Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg) stellte die DKP eigene offene Listen auf, die auch „Bündnispartnern und FreundInnen der DKP offenstanden“. In einigen Städten gab es andere Bündnislisten mit Beteiligung von DKP-Mitgliedern, so zum Beispiel in Hanau (Main-Kinzig-Kreis) und in Maintal (Main-Kinzig-Kreis).

Den Wahlkampf führte die DKP in erster Linie über Plakate und ihre Kleinzeitungen, den blickpunkt in Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) und die Zeitung Unser Weg in Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg). Darüber hinaus verteilten DKP-Kandidaten Nachbarschafts- und Kandidatenbriefe in mehreren Sprachen. Ferner führte die DKP den Wahlkampf über Infostände und Internetauftritte wie etwa Video-Clips und Facebook. Inhaltlich beleuchtete die DKP neben regional bedeutsamen Themen – aus linksextremistischer Sicht – die Flüchtlingsfrage und die „Fluchtursachen“, speziell den angeblichen Zusammenhang zwischen Waffenexporten, „imperialistischen“ Kriegen und Flucht.

Ergebnisse der DKP | Nach Angaben des hessischen DKP-Vorsitzenden Axel Koppey gewannen die beiden Listen der DKP sowie DKP-Kandidaten auf anderen Listen 24 Mandate. In Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) erhöhte die DKP/LL ihr Ergebnis mit 60.810 Stimmen (= 13,8 %) gegenüber 2011 um 5,1 Prozentpunkte (2011: 35.617 Stimmen = 8,7 %) und gewann zwei Sitze hinzu, sodass sie mit sechs Sitzen (von insgesamt 45) in der Stadtverordnetenversammlung vertreten ist.

In Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg) gewann die DKP 26.158 Stimmen (= 11,1 %), sodass sie weiterhin über vier von 37 Sitzen in der Stadtverordnetenversammlung verfügt (2011: 23.196 Stimmen = 10,1 %). In Ueberau, einem Ortsteil von Reinheim, wurde die DKP mit 39 % stärkste Partei im Ortsbeirat.

Wahlkampf der ÖkoLinX-ARL | Mit einer 52 Kandidaten umfassenden offenen Liste – darunter auch Aktivisten der autonomen Szene in Frankfurt am Main – kandidierte die ÖkoLinX-ARL für den Einzug in den Römer. Ferner kandidierte die ÖkoLinX-ARL für die Ortsbeiräte 1 (Altstadt, Bahnhof, Europaviertel, Gallus, Gutleut, Innenstadt), 3 (Nordend) und 4 (Bornheim, Ostend) in Frankfurt am Main.

Die „soziale Frage: Kampf gegen Armut und Verelendung sowie die Unsichtbarmachung der Armen“, das Thema „Gegen Gentrifizierung und für eine Stadtplanung, die weder Mieter*innen vertreibt noch Frischluftschneisen zubetoniert“ und der „Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und völkische Querfronten“ bildeten die Schwerpunkte der ÖkoLinX-ARL. Den Wahlkampf führte die Partei unter anderem über ihre Homepage, Facebook und Twitter sowie über sporadisch in Frankfurt am Main aufgehängte Wahlplakate. Ziel von ÖkoLinX-ARL war es, mit sechs Stadtverordneten in den Römer einzuziehen.

Ergebnisse der ÖkoLinX-ARL | Mit 359.529 Stimmen (= 2,1 %) verbesserte die ÖkoLinX-ARL ihr Ergebnis in Frankfurt am Main um 0,9 Prozentpunkte (2011: 197.329 Stimmen = 1,2 %) und verfügt nunmehr statt einem über zwei Vertreter (von insgesamt 93 Sitzen) im Römer.

Wahlkampf der MLPD | Das von der MLPD dominierte Wahlbündnis AUF-Kassel kandidierte nicht zur Kasseler Stadtverordnetenversammlung (2011: 33.184 Stimmen = 0,8 %), sondern nur zum Ortsbeirat im Kasseler Stadtteil Rothenditmold. In der politischen Hochburg der MLPD in Hessen verdoppelte das Wahlbündnis AUF-Kassel dabei mit 28,75 % (= 2.658 Stimmen) seinen Stimmenanteil und gewann zwei Sitze hinzu. Das Wahlbündnis ist nun mit drei von insgesamt neun Sitzen im Ortsbeirat vertreten.

Bewertung der Ergebnisse von DKP/LL, ÖkoLinX-ARL und MLPD | Dass die DKP in ihren Hochburgen Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) und Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg) ihre Ergebnisse verbesserte, dürfte auf zwei wesentlichen Aspekten beruhen: Viele der DKP-Kandidaten sind seit Jahren in ihren Gemeinden fest verankerte, sozial engagierte Mitbürger, die weniger eine abstrakte linksextremistische Ideologie propagieren, als vielmehr dem Bürger konkrete kommunalpolitische Problemlösungen anbieten. Außerdem steht die DKP in der sich aufgrund der Flüchtlingsthematik immer stärker abzeichnenden Polarisierung in der Gesellschaft für eine – aus ihrer Sicht – linke, humane und offene „Willkommenskultur“ als Alternative zur angeblichen bürgerlichen Abschottung gegenüber Flüchtlingen.

Obwohl die ÖkoLinX-ARL ihr Ergebnis gegenüber 2011 fast verdoppelte, verfehlte sie ihr Ziel, mit sechs Stadtverordneten in den Frankfurter Römer einzuziehen und Fraktionsstatus zu erlangen. Die MLPD positionierte sich mit ihrer Kandidatur im Wahlbündnis AUF-Kassel im Stadtteil Rothenditmold zwar öffentlich wahrnehmbar, doch ist ihr anhaltender politischer Niedergang in Hessen unverkennbar. Dies wird allein durch die Nichtkandidatur zur Stadtverordnetenversammlung in Kassel deutlich.

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