Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
Die NPD vertritt nationalistische, völkische und revisionistische Positionen. Insgesamt weist ihre Programmatik eine ideologische und sprachliche Nähe zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) im „Dritten Reich“ auf. Den verfassungsfeindlichen Charakter der NPD stellte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 fest.
Während die NPD in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in bis zu sieben westdeutschen Landesparlamenten vertreten war, verlor sie in den folgenden Jahren an Bedeutung. Seit der Wiedervereinigung 1989/90 nahm ihre lokale und regionale Verankerung, vor allem in damals wirtschaftlich schlechter gestellten Gebieten im Osten Deutschlands, teilweise wieder zu. Nachdem sie seit 2004 bzw. 2006 in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern vertreten war, ist sie inzwischen in keinem Landesparlament mehr präsent.
Landesvorsitzender: |
Daniel Lachmann |
Bundesvorsitzender: |
Frank Franz (Saarland) |
Mitglieder: |
In Hessen etwa 260, bundesweit etwa 4.000 |
Jugendorganisation: |
Junge Nationaldemokraten (JN) |
Medien (Auswahl): |
Deutsche Stimme (DS), Internetpräsenzen |

Mit dem im Berichtsjahr neu gewählten Landesvorstand war der NPD-Landesverband Hessen ebenso wenig handlungsfähig wie in den Vorjahren. Lediglich einige Kreisverbände waren aktiv und traten – wie etwa die Kreisverbände Lahn-Dill und Wetterau – öffentlich in Erscheinung. Agitationsschwerpunkte waren wie in der Vergangenheit die Themen „Asylmissbrauch“, „Flüchtlinge“ und „Innere Sicherheit“, mit denen die NPD bevorzugt im Internet und in sozialen Medien ihre rechtsextremistische Ideologie verbreitete und vor allem bei Wahlen versuchte, Erfolge zu erzielen. Dabei erreichte die NPD bei der hessischen Landtagswahl lediglich 0,2% der abgegebenen Zweitstimmen.
Auf einen Blick
- Gegen die „Überfremdungsparteien“
- Auftaktveranstaltung für den Wahlkampf zur hessischen Landtagswahl
- Landesparteitag
- Wahlkampf – Wahlergebnisse
- Kampagne „Schafft Schutzzonen!“
- Bundesparteitag in Hessen
Gegen die „Überfremdungsparteien“ | Bei der Direktwahl für das Amt des Bürgermeisters in Altenstadt (Wetteraukreis) am 4. März erreichte der Vorsitzende des NPD-Bezirksverbands Wetterau-Kinzig, Stefan Jagsch, ein Ergebnis von 6,0% (= 249 Stimmen). Das beste Resultat erzielte er mit 10,7% (= 57 Stimmen) im Ortsteil Waldsiedlung, wo er für die NPD ein Mandat im Ortsbeirat innehatte. In einer Stellungnahme bewertete Jagsch, den die NPD als „(r)echte Alternative zu den Vertretern der Überfremdungsparteien“ dargestellt hatte, das Ergebnis als „,erfreulich und als Bestätigung unserer Arbeit‘“. Dies gelte es „,in den nächsten Monaten fortzuführen, damit zur Landtagswahl das Ergebnis ausgebaut werden‘“ könne.
Auftaktveranstaltung für den Wahlkampf zur hessischen Landtagswahl | Mit einer unter dem Motto „Familie – Heimat – Nation“ stehenden Veranstaltung wollte die NPD am 24. März in den Wahlkampf zur hessischen Landtagswahl starten. Während der in der Stadthalle in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) geplanten Veranstaltung sollten verschiedene Redner sprechen sowie in der rechtsextremistischen Szene bekannte Bands und Liedermacher auftreten. Nachdem die Veranstaltung nicht in der Stadthalle Wetzlar stattfand, wichen die Rechtsextremisten in das Szeneobjekt Teutonicus in Leun (Lahn-Dill-Kreis) aus, wo im Verlauf des Abends einige jener rechtsextremistischen Bands und Liedermacher auftraten, die für die Veranstaltung in Wetzlar vorgesehen waren. An der Veranstaltung nahmen bis zu 150 Rechtsextremisten teil.
Landesparteitag | Auf einem ordentlichen Parteitag des NPD-Landesverbands Hessen am 8. April in Leun (Lahn-Dill-Kreis) mit dem Motto „Mit uns gegen die Asyl-Mafia“ wurden Daniel Lachmann zum neuen Landesvorsitzenden sowie Stefan Jagsch und Ingo Helge zu dessen „gleichberechtigten Stellvertretern“ gewählt. In seiner Antrittsrede hob Lachmann die Wichtigkeit der Landtagswahl am 28. Oktober hervor. Er werde mit ernsthaftem Willen und einer arbeitsfähigen und zuverlässigen Mannschaft den Wahlkampf führen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Jeder Deutsche, der auch künftig in einem deutschen Deutschland leben wolle, müsse die NPD wählen und unterstützen.
Wahlkampf – Wahlergebnisse | Ihren Wahlkampf beschränkte die NPD überwiegend auf die Regionen Lahn-Dill, Wetterau und Bergstraße und wurde von Bundesvorstandsmitgliedern und Funktionären anderer Landesverbände unterstützt. Dabei errichtete die NPD Informationsstände und führte Kundgebungen und Flugblattverteilungen durch. Ihr vorrangiges Ziel, mit einem Stimmenanteil von mindestens 1,0% die weitere Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung des Landes Hessen zu erhalten, verfehlte die NPD, da sie bei der Wahl lediglich 0,2% der Zweitstimmen (= 6.190 Stimmen) erreichte. Bei der Landtagswahl im Jahr 2013 hatte die NPD dagegen 1,1% (= 33.433 Zweitstimmen) erzielt.
In einer Stellungnahme bezeichnete der Landesvorsitzende Lachmann den Wahlausgang als „nach diesem beachtenswerten Wahlkampf nicht zufriedenstellend“ und kündigte an, dass die NPD „gemeinsam mit anderen nationalen Organisationen und Parteien, in Hessen neue Wege für anstehende ,Schlachten‘ suchen“ werde, da nur Einigkeit stark mache.
Wahlkreis |
Zweitstimmen-Anzahl |
Zweitstimmen in % |
Differenz zu 2013 in %-Punkten |
Bergstraße I |
195 |
0,3 |
-0,9 |
Bergstraße II |
131 |
0,2 |
-0,7 |
Darmstadt-Dieburg I |
87 |
0,1 |
-0,7 |
Darmstadt-Dieburg II |
89 |
0,1 |
-1,0 |
Darmstadt-Stadt I |
33 |
0,1 |
-0,4 |
Darmstadt-Stadt II |
45 |
0,1 |
-0,5 |
Eschwege-Witzenhausen |
48 |
0,1 |
-0,8 |
Frankfurt am Main I |
62 |
0,2 |
-1,1 |
Frankfurt am Main II |
50 |
0,1 |
-0,5 |
Frankfurt am Main III |
39 |
0,1 |
-0,4 |
Frankfurt am Main IV |
44 |
0,1 |
-0,5 |
Frankfurt am Main V |
18 |
0,0 |
-0,3 |
Frankfurt am Main VI |
65 |
0,1 |
-0,7 |
Fulda I |
101 |
0,2 |
-1,0 |
Fulda II |
159 |
0,3 |
-1,2 |
Gießen I |
113 |
0,2 |
-0,8 |
Gießen II |
174 |
0,3 |
-1,1 |
Groß-Gerau I |
103 |
0,2 |
-1,2 |
Groß-Gerau II |
89 |
0,1 |
-1,0 |
Hersfeld |
145 |
0,4 |
-1,7 |
Hochtaunus I |
80 |
0,1 |
-0,4 |
Hochtaunus II |
64 |
0,1 |
-0,4 |
Kassel-Land I |
86 |
0,1 |
-0,9 |
Kassel-Land II |
64 |
0,1 |
-0,7 |
Kassel-Stadt I |
36 |
0,1 |
-0,4 |
Kassel-Stadt II |
51 |
0,1 |
-0,9 |
Lahn-Dill I |
243 |
0,5 |
-1,3 |
Lahn-Dill II |
219 |
0,4 |
-1,1 |
Limburg-Weilburg I |
82 |
0,2 |
-1,0 |
Limburg-Weilburg II |
87 |
0,2 |
-1,0 |
Main-Kinzig I |
255 |
0,4 |
-1,3 |
Main-Kinzig II |
167 |
0,3 |
-1,1 |
Main-Kinzig III |
244 |
0,4 |
-1,2 |
Main-Taunus I |
53 |
0,1 |
-0,5 |
Main-Taunus II |
120 |
0,2 |
-0,6 |
Marburg-Biedenkopf I |
86 |
0,2 |
-0,9 |
Marburg-Biedenkopf II |
103 |
0,2 |
-0,4 |
Odenwald |
119 |
0,3 |
-1,0 |
Offenbach Land I |
59 |
0,1 |
-0,6 |
Offenbach Land II |
50 |
0,1 |
-0,9 |
Offenbach Land III |
88 |
0,1 |
-1,0 |
Offenbach Stadt |
61 |
0,2 |
-1,3 |
Rheingau-Taunus I |
52 |
0,1 |
-0,7 |
Rheingau-Taunus II |
54 |
0,1 |
-0,7 |
Rotenburg |
108 |
0,3 |
-1,3 |
Schwalm-Eder I |
77 |
0,2 |
-0,8 |
Schwalm-Eder II |
128 |
0,3 |
-0,9 |
Vogelsberg |
270 |
0,4 |
-1,2 |
Waldeck-Frankenberg I |
49 |
0,1 |
-0,7 |
Waldeck-Frankenberg II |
67 |
0,2 |
-0,8 |
Wetterau I |
139 |
0,2 |
-1,0 |
Wetterau II |
681 |
1,5 |
-1,4 |
Wetterau III |
190 |
0,4 |
-1,2 |
Wiesbaden I |
65 |
0,1 |
-0,5 |
Wiesbaden II |
86 |
0,2 |
-0,5 |
Kampagne „Schafft Schutzzonen!“ | Seit Juni mobilisierte die NPD für die Kampagne „Schafft Schutzzonen!“, womit sie in der Bevölkerung mit dem Thema „Sicherheit von Deutschen vor Ausländerkriminalität“ zu emotionalisieren suchte. Die Kampagne hatte einen eigenen Internetauftritt, wobei auf den ersten Blick keine Verbindung zur NPD erkennbar war. Neben Anleitungen und Hilfestellungen zur Schaffung einer „Schutzzone“ wurden im Internet rechtliche Hinweise gegeben. Zudem konnten Utensilien wie Westen, Mützen, Abwehrspray, Flugblätter und Aufkleber mit dem Emblem der Kampagne erworben werden. Eine „Schutzzone“ definierte die NPD als einen nach außen abgegrenzten Bereich, in dem angeblich „Sicherheit“ gewährleistet werden könne. So könnten zum Beispiel ein Gebäude, ein Fahrzeug, eine Telefonkette oder eine Personengruppe eine „Schutzzone“ sein.
Seit Anfang September führten in Hessen Aktivisten der NPD und der JN „Schutzzonen“-Aktionen – zum Beispiel in Form von „Streifengängen“ – durch, so etwa in Hanau (Main-Kinzig-Kreis), Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis), Fulda (Landkreis Fulda), Friedberg (Wetteraukreis) und Wiesbaden. Dabei wurden auch Flyer und Abwehrspray an Frauen verteilt. Bis zum Ende des Berichtsjahrs kam es immer wieder zu „Schutzzonen“-Aktionen.
Bundesparteitag in Hessen | Unter dem Motto „Festung Europa – Schutzzone Deutschland“ fand in Büdingen (Wetteraukreis) am 17. November der Bundesparteitag mit der Wahl der Listenkandidaten für die Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 statt. An dem „Europaparteitag“ nahmen nach Angaben der NPD etwa 250 Delegierte und Gäste, darunter Gastredner europäischer rechtsextremistischer Parteien, teil.
In einer Kampfabstimmung um den ersten Listenplatz setzte sich Udo Voigt, der in der siebten Legislaturperiode (2014 bis 2019) einzige Abgeordnete der NPD im Europäischen Parlament, gegen den mehrfach wegen Volksverhetzung und Leugnung des Holocaust vorbestraften ehemaligen Parteivorsitzenden Günter Deckert durch. Der NPD-Landesverband Hessen war auf der zehn Personen umfassenden Kandidatenliste nicht vertreten. In seiner Rede zur „Lage der Partei“ sprach der Bundesvorsitzende Frank Franz von einer „schwierigen Phase“ der Partei bei einer stagnierenden bis leicht fallenden Mitgliederzahl und betonte die „weitgehende Geschlossenheit“ der NPD seit dem letzten Bundesparteitag“. Am 15. März 2019 ließ der Bundeswahlausschuss des Deutschen Bundestags in öffentlicher Sitzung den Wahlvorschlag der NPD zur Europawahl zu. Bei der Wahl erhielt die NPD 0,2 Prozent der Stimmen und ist somit nicht mehr im Europäischen Parlament vertreten.
Auf dem Bundeskongress der NPD-Jugendorganisation wurden am 13. Januar in Riesa (Sachsen) ein neuer Bundesvorstand gewählt und die Umbenennung der Jungen Nationaldemokraten in Junge Nationalisten beschlossen. Maßgeblicher Grund für den Namenswechsel war, den JN vor dem Hintergrund langjähriger personell-struktureller Probleme einen Neustart zu ermöglichen. Ihre nur marginale Mitgliederzahl vermochten die JN in Hessen unter der Leitung ihres Landesvorsitzenden Thassilo Hantusch nur leicht zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund wurden die JN in ihren Aktionen von bisher noch nicht in Erscheinung getretenen Aktivisten unterstützt. Um ihre insgesamt niedrige Mitgliederzahl zu kompensieren, bemühten sich die JN in Hessen auch im Berichtsjahr als Bindeglied zum aktionsorientierten neonazistischen Spektrum zu fungieren, was ihnen nur bedingt gelang.
Auf einen Blick
- Demonstrationen in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) und Wiesbaden
- Reaktion auf Löschung des JN-Facebook-Profils
- Schüler im Fokus der JN
- Kampagne „Tatort Multikulti“
Demonstrationen in Wetzlar und Wiesbaden | Nachdem eine Wahlkampfveranstaltung der NPD nicht in der Stadthalle Wetzlar stattgefunden hatte, führten Rechtsextremisten als Protest eine nicht angemeldete Demonstration vor dem Polizeipräsidium Mittelhessen in Gießen (Landkreis Gießen) durch. Neben Aktivisten der JN beteiligten sich Personen, die sowohl dem bundesweiten Neonazi-Spektrum als auch der rechtsextremistischen Szene in Hessen zuzurechnen waren.
Vor dem Europa-Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Wiesbaden demonstrierten am 15. April Rechtsextremisten unter dem Motto „US-Kriegstreiber stoppen – für freie souveräne Völker“. Das Motto bezog sich auf die am Vortag von den USA, Großbritannien und Frankreich geführten Militärschläge gegen Ziele in Syrien, womit die Verbündeten auf einen dem Assad-Regime zugeschriebenen Giftgasangriff auf die Stadt Duma reagiert hatten. Verantwortlich für die Demonstration zeichnete ein Zusammenschluss rechtsextremistischer Organisationen namens Bündnis gegen Krieg und Imperialismus. Ein JN-Aktivist hatte die Demonstration zuvor kurzfristig angemeldet.
Reaktion auf Löschung des JN-Facebook-Profils | Ebenso wie bei der IB sperrte im Mai der Plattformbetreiber das Facebook-Profil der JN und entzog ihnen damit einen wesentlichen Kommunikationskanal für ihre Propagandatätigkeit. Als Reaktion wichen die JN Hessen auf das Facebook-Profil der NPD in Hessen aus. Darüber hinaus warb nun die NPD auf ihren Internetseiten für Aktionen der JN. Auf Twitter hieß es:
„Die beiden hessischen JN[-] Seiten wurden auf Facebook gelöscht. Die Seiten würden ,Hassreden‘ verbreiten. Natürlich ist das völlig absurd und nur vorgeschoben. Die Arbeit der JN wird unbeirrt fortgesetzt und auch der Kampf für die Meinungsfreiheit geht weiter“.
Schüler im Fokus der JN | Den Landtagswahlkampf der NPD in Hessen unterstützten die JN, indem sie sich an Informationsständen beteiligten und „Schutzzonen“-Aktionen durchführten. Unter dem Motto „Lieber ungezogen, statt umerzogen“ initiierte der JN-Bundesverband eine gezielt auf den Wahlkampf in Hessen ausgerichtete Kampagne namens schuelersprecher.info. Mittels der für die JN typischen fremden- und islamfeindlichen sowie antidemokratischen Narrative richtete sich die Kampagne sowohl an volljährige als auch an noch nicht wahlberechtigte Schüler und versuchte vor allem letztere zu einer aktiven Beteiligung bei den JN zu ermuntern. Hierfür wurden das Facebook-Profil schuelersprecher.info sowie eine entsprechende Homepage ins Leben gerufen. So hieß es zum Beispiel auf der Homepage:
„Wir wählen deutsch! Was sonst?
Wenn du durch die Straßen deiner Stadt gehst, siehst du die Veränderung deiner Heimat hin zu einer neuen Gesellschaft in der du als Deutscher keinen Platz mehr hast. Fühlst du dich in deiner Freiheit und Unabhängigkeit immer mehr eingeschränkt? […] Willst du, dass dieser Zustand endlich ein Ende hat und wir in einem Land leben könne, in dem unsere Arbeits- und Ausbildungsplätze gesichert sind? […] Statt Freizeitangebote für Jugendliche bieten die Multikultivertreter in Wiesbaden heute ,Demokratie- und Toleranzunterricht‘ an. Statt junge deutsche Familien zu unterstützen, holen sie sich Millionen von ,Fachkräften‘ in unser Land, die dich deinen Platz einnehmen sollen. […] Wir, die Jungen Nationalisten, haben eine Alternative für dich. Die NPD wird auch am 28.10. zur Landtagswahl antreten“.
(Schreibweise wie im Original.)
„Du darfst noch nicht wählen?
Der Kampf um deine Zukunft beginnt nicht mit dem Wahlalter und endet nicht an einer Wahlurne. […] Wir wollen unser Land nachhaltig verändern! Um Teil des Widerstandes gegen dieses System zu werden, kannst du bereits jetzt aktiv werden, indem du dich bei uns meldest“.
Im Rahmen der Kampagne verteilten JN-Aktivisten Flyer an hessischen Schulen und brachten Plakate an. Außerdem wurde eine eigens für die Kampagne zusammengestellte neue Version der früheren „Schulhof-CD“ als im Internet herunterladbare Datei angeboten. Neben der Musik rechtsextremistischer bzw. rechtsextremistisch beeinflusster Bands und Liedermacher enthielt die Datei verschiedene Imagevideos der JN. In einem Facebook-Beitrag wurde zum Beispiel geäußert, dass sich die Schüler einer hessischen Berufsschule über die Anwesenheit der Aktivisten angeblich gefreut hätten. Es hieß weiter: „Selbst die Jungs mit Migrationshintergrund mussten zugeben das unsere Musik rockt“ (Schreibweise wie im Original).
Kampagne „Tatort Multikulti“ | Darüber hinaus fanden im Berichtsjahr wie auch im Jahr zuvor vereinzelt Aktionen im Rahmen der JN-Kampagne „Tatort Multikulti“ statt. In Wiesbaden, Limburg (Landkreis Limburg-Weilburg) und in Rabenau (Landkreis Gießen) wurden tatorttypische Leichenskizzen bzw. Umrisse auf den Boden gezeichnet und mit roter Farbe als Blutsymbol überzogen. Auf Flyern und Transparenten hieß es: „Tatort Multikulti! Bitte weitergehen und brav SPD und CDU wählen“.
Mit der Gründung der NPD 1964 in Hannover (Niedersachsen) sollten die zersplitterten Kräfte des rechtsextremistischen Lagers in der Bundesrepublik in einer Partei gebündelt werden. Der Großteil des Führungskaders der NPD bestand zunächst aus ehemaligen Mitgliedern der NSDAP.
Auf einen Blick
- Anschein von Legalität
- Krise der NPD
- „Drei-Säulen-Konzept“ – Erfolge in Ostdeutschland
- Konzept der „seriösen Radikalität“
- Politische Bedeutungslosigkeit
Anschein von Legalität | Aus dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) 1952 durch das Bundesverfassungsgericht zog die NPD den Schluss, sich um den Anschein von Legalität zu bemühen und eine öffentliche Verherrlichung des Nationalsozialismus weitgehend zu unterlassen. Diese Strategie trug dazu bei, dass die NPD bei der Bundestagswahl 1965 zwei Prozent (= 664.193 der Zweitstimmen) erreichte. Zwischen 1966 und 1968 zog die NPD in die Landtage von Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ein. Die Mitgliederanzahl stieg, wobei auf sämtlichen Parteiebenen etwa 20 Prozent der Mitglieder eine NSDAP-Vergangenheit aufwiesen. Ursache für den damaligen Auftrieb für die NPD waren zum Beispiel das Bestehen einer nur kleinen Opposition gegenüber der ersten Großen Koalition (1966 bis 1969), die konjunkturelle Schwäche in Deutschland und damit verbundene Verlustängste in der Bevölkerung.
Krise der NPD | Bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte die NPD mit 4,3 Prozent (= 1.422.010 der Zweitstimmen) relativ knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. In der Folge führten unter anderem die innere Zerstrittenheit der Partei, eine sich allmählich bessernde wirtschaftliche Lage sowie die kritische Berichterstattung in den Medien über Ausschreitungen im Zusammenhang mit NPD-Mitgliedern zu einer langjährigen Krise der Partei. Weitere interne Streitigkeiten über die programmatische Ausrichtung, der starke Rückgang der Mitgliederzahlen, der öffentliche Skandal um die Leugnung des Holocausts durch den damaligen NPD-Vorsitzenden Günter Deckert (1991 bis 1995) und das Auftauchen konkurrierender rechtsextremistischer Parteien zementierten die Krise der NPD bis in die 1990er Jahre hinein.
„Drei-Säulen-Konzept“ – Erfolge in Ostdeutschland | Mit der Wahl Udo Voigts zum Bundesvorsitzenden im Jahr 1996 steigerte die NPD vor allem in den neuen Ländern ihre Mitgliederzahl und erneuerte neben Organisation und Strategie ihre Programmatik. Das neue „Drei-Säulen-Konzept“ enthielt folgende Punkte: „Kampf um die Köpfe“, „Kampf um die Straße“ und „Kampf um die Parlamente“. 2004 kam der „Kampf um den organisierten Willen“ hinzu.
Im Zuge ihres „Kampfs um die Straße“ öffnete sich die NPD vor allem gegenüber rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis. Umgekehrt näherten sich diese der NPD an. Nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens 2003 setzte die Partei ihre Politik der Annäherung an die Neonazi-Szene fort und konzentrierte ihre Aktivitäten zunehmend auf Ostdeutschland. 2004 und 2006 zog die NPD in die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ein, in denen sie inzwischen nicht mehr vertreten ist.
Konzept der „seriösen Radikalität“ | Holger Apfel, der 2011 gewählte Nachfolger Udo Voigts als Bundesvorsitzender, wollte mit seinem Konzept der „seriösen Radikalität“ die NPD aus der Krise führen, in die sie unter anderem durch eine Reihe von Niederlagen bei Landtagswahlen sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands geraten war. Offensichtlich aus persönlichen Gründen legte Apfel 2013 sein Amt als Bundesvorsitzender nieder und trat aus der Partei aus. Vorübergehend übernahm sein Stellvertreter Udo Pastörs die Führung, bis im November 2014 Frank Franz, vorher Pressesprecher der Partei, zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Zuvor war die NPD 2014 bei den Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Mit dem Verlust der staatlichen Teilfinanzierung nach dem Ausscheiden aus dem Sächsischen Landtag und der damit verbundenen Einbuße von Mitarbeitern verlor die NPD eine wesentliche Grundlage ihrer bundesweiten politischen Arbeit.
Politische Bedeutungslosigkeit | Seit der Landtagswahl in Sachsen verlor die NPD bei weiteren Wahlen auf Landes- und Bundesebene kontinuierlich Stimmen. 2017 erhielt sie bei den Landtagswahlen im Saarland 0,7 Prozent, was einem Minus von 0,5 Prozentpunkten entspricht, sowie in Nordrhein-Westfalen 0,3 Prozent (= minus 0,3 Prozentpunkte). In Hessen erreichte die NPD bei der Landtagswahl 2018 0,2 Prozent der Stimmen (= minus 0,9 Prozentpunkte).
Die NPD steht für Antiparlamentarismus und Antipluralismus. Mit ihrer fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Programmatik wendet sie sich offen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Auf einen Blick
- Überwindung des „Systems“
- „Solidargemeinschaft aller Deutschen“ – Islamfeindlichkeit – Antisemitismus
Überwindung des „Systems“ | Die NPD will die parlamentarische Demokratie von innen heraus, das heißt mittels Parteiarbeit, abschaffen. Die NPD will die politische und gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, von ihr in Anlehnung an die Sprache des Nationalsozialismus als rein machtorientierte Herrschaft der „Systemparteien“ diffamiert, durch eine ethnisch homogene „Volksgemeinschaft“ ersetzen. Solidarität soll nur „ethnischen Deutschen“ zuteilwerden. So heißt es im Parteiprogramm:
„Der ethnischen Überfremdung Deutschlands durch Einwanderung ist genauso entschieden entgegenzutreten wie der kulturellen Überfremdung durch Amerikanisierung und Islamisierung“.
Diejenigen, die in den Augen der NPD „Fremde“ sind, grenzt sie aus. So seien
„Ausländer […] aus dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern und einer gesonderten Ausländersozialgesetzgebung zuzuordnen. In ihrer Ausgestaltung von Pflichten und Ansprüchen hat sie auch dem Rückführungsgedanken Rechnung zu tragen. […] Asylbewerber haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen“.
„Solidargemeinschaft aller Deutschen“ – Islamfeindlichkeit – Antisemitismus | Der Globalisierung will die NPD begegnen, indem sie das bestehende „System“ durch eine „Solidargemeinschaft aller Deutschen“ ersetzt. Darüber hinaus werden Muslime diffamiert. Auch antisemitische Positionen sind in der NPD verbreitet. Die Partei vertritt zwar keine offen antisemitische Programmatik, sie streut aber entsprechende Vorurteile.
Die 2010 vorgenommene Neugliederung des Landesverbands in zwei Unterbezirks- und elf Kreisverbände erforderte bereits 2015 eine erneute Modifizierung. Es erfolgte eine Umgestaltung zu sechs Bezirksverbänden (Nordhessen, Osthessen, Mittelhessen, Wetterau-Kinzig, Rhein-Main und Südhessen).
Auf den ersten Blick scheint die NPD flächendeckend in Hessen vertreten zu sein. Die Umstrukturierung in größere Bezirksverbände macht jedoch deutlich, dass für feingliederige Strukturen das notwendige Personal fehlte. Die tatsächlich vorhandenen Strukturen waren in weiten Teilen Hessens nur schwach ausgeprägt.
Dass das Ergebnis der NPD bei der Bundestagswahl 2017 (0,4% der Zweitstimmen) im Berichtsjahr bei der Landtagswahl in Hessen mit 0,2% der Zweitstimmen noch einmal untertroffen wurde, verdeutlicht die politische Bedeutungslosigkeit der Partei sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene in Hessen.
Die als Auftakt für den Landtagswahlkampf in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) geplante Veranstaltung mit Rednern und in der rechtsextremistischen Szene bekannten Bands und Liedermachern wäre in diesem Ausmaß ein hessenweites Novum für rechtsextremistische Parteiveranstaltungen in öffentlich genutzten Räumen gewesen. Offensichtlich versuchte die NPD mit dieser Kombination politische Inhalte und Unterhaltung miteinander zu verknüpfen, um größtmögliche Aufmerksamkeit inner- und außerhalb der Szene zu gewinnen. Ähnliche Präsentationsformen gab es in den letzten Jahren im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Konzert- und Rednerveranstaltungen außerhalb Hessens. Der mit dem Landtagswahlergebnis einhergehende Verlust der Berechtigung zur Teilhabe an der Parteienfinanzierung und die damit verbundene finanzielle Schwächung wird für die NPD nur schwer zu kompensieren sein.
Mit Daniel Lachmann, Stefan Jagsch und Ingo Helge verfügte die NPD in Hessen über ein Vorstandsgremium, das Verbindungen in die bundesweite rechtsextremistische Szene und zum Bundesvorstand der Partei pflegte. Aber auch unter dem bis zur Wahl Lachmanns amtierenden Landesvorsitzenden Jean-Christoph Fiedler war der NPD in Hessen der von ihr seit Jahren erhoffte Neuaufbau des Landesverbands nicht gelungen. Ein nachhaltiger und hessenweiter Neuaufbau ist auch unter dem neuen Landesvorsitzenden Lachmann nicht zu erwarten.
Der Schwerpunkt der NPD-Aktivitäten lag weiterhin und nahezu ausschließlich in den Regionen Lahn-Dill und Wetterau und somit in denjenigen Landkreisen und Gemeinden, in denen die NPD bei den hessischen Kommunalwahlen 2016 mit 23 von hessenweit insgesamt 24 erzielten Mandaten Gewinne erzielt hatte. Mit den Aktionen im Rahmen ihrer „Schutzzonen“-Kampagne versuchte die NPD, ihre Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit zu erhöhen und die Fähigkeit und den Willen des Staats zum Schutz und zur Sicherheit der Bürger in Frage zu stellen und daraus die Legitimation abzuleiten, dass Bürger hierfür selbst die Initiative ergreifen dürfen.
Die JN erfuhren in Hessen unter der Leitung ihres Landesvorsitzenden Thassilo Hantusch einen leichten Mitgliederzuwachs. Dabei wurden sie in ihren Aktionen auch von bisher noch nicht offen in Erscheinung getretenen Aktivisten unterstützt. Um ihre insgesamt niedrige Mitgliederzahl zu kompensieren, bemühten sich die JN in Hessen auch im Berichtsjahr als Bindeglied zum aktionsorientierten neonazistischen Spektrum zu fungieren. Das gelang den JN allerdings nur bedingt. Es ist anzunehmen, dass die JN in Hessen auch in Zukunft mit zunächst verschleierten Aktionen, wie etwa der schuelersprecher.info- und der „Schutzzonen“-Kampagne, versuchen werden, weitere Aktivisten und Mitglieder zu gewinnen.