Verfassungsschutz in Hessen

Bericht 2018

Extremismus mit Auslandsbezug

Merkmale

Der nichtreligiös motivierte Extremismus mit Auslandsbezug umfasst sicherheitsgefährdende extremistische und terroristische Bestrebungen in Deutschland, die im Zusammenhang mit politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen im Ausland stehen und überwiegend von Menschen mit Bezug zu den politischen Verhältnissen in einem anderen Staat getragen werden.

Auf einen Blick

  • Gegen Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben der Völker
  • Breites Spektrum von Bestrebungen mit Auslandsbezug

Gegen Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben der Völker | Extremistische Bestrebungen mit Auslandsbezug richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung bzw. das friedliche Zusammenleben der Völker. Diese Bestrebungen gefährden die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, indem ihre Urheber Gewalt anwenden oder darauf ausgerichtete Handlungen vorbereiten. Obwohl diese Bestrebungen nicht in erster Linie auf die Abschaffung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen, können sie die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden.

Breites Spektrum von Bestrebungen mit Auslandsbezug | Die Art der politischen Agitation zur Umsetzung dieser extremistischen Aktivitäten ist vielfältig. Sie reicht von Demonstrationen und Kundgebungen mit zum Teil gewalttätigem Verlauf bis hin zu „Spendensammelaktionen“ und zur logistischen Unterstützung von Konfliktparteien im Herkunftsland. Das schließt die Unterstützung ausländischer terroristischer Gruppierungen ein. Die unterschiedlichen Zielrichtungen von Organisationen mit Auslandsbezug lassen sich im Wesent­lichen unterteilen in

  • nationalistische, rechtsextremistische Bestrebungen,
  • linksextremistische Bestrebungen sowie
  • ethnisch motivierte Autonomie- bzw. Unabhängigkeitsbestrebungen.

Die Übergänge sind dabei oft fließend.

Extremistisches Personenpotenzial mit Auslandsbezug1

Die Zahl der Extremisten mit Auslandsbezug ist seit mehreren Jahren relativ konstant. Dies liegt unter anderem daran, dass bei extremistischen Gruppierungen kurdischen und türkischen Ursprungs sehr stabile legalistische Strukturen bestehen, die sich seit Jahren kaum verändern. Trotz der für diese beiden Bereiche wichtigen Bezüge zur Türkei haben sich diese Strukturen kaum verändert.

Bei Organisationen, die dem Bereich „Sonstige“ zuzurechnen sind, machte sich die Selbstauflösung bzw. die zunehmende Inaktivität einzelner separatistischer Gruppierungen – etwa der baskischen Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) und der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) auf Sri Lanka – bemerkbar, sodass das entsprechende Personenpotenzial seit 2014 insgesamt rückläufig war.

2018 2017 2016 2015 2014
Kurdischer Ursprung
Hessen 1.500 1.500 1.500 1.500 1.500
Bund 14.500 14.500 14.000 14.000 14.000
Türkischer Ursprung
Hessen 2.700 2.725 2.725 2.725 2.725
Bund 13.550 13.550 13.550 12.550 12.550
Sonstige
Hessen 130 250 300 400 350
Bund 1.000 2.500 2.500 2.500 2.780
Gesamtzahl der Extremisten mit Auslandsbezug
Hessen 4.330 4.475 4.525 4.625 4.575
Bund1 30.350 30.550 30.050 29.050 29.330

1 Die Zahlen sind teilweise geschätzt und gerundet.

Partiya Karkerên Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans)

Definition/Kerndaten

Ursprüngliches Ziel der PKK war es, einen sozialistisch geprägten Staat („Kurdistan“) zu schaffen. Nachdem die strikt hierarchisch aufgebaute Kaderpartei 1984 zur Erreichung dieses Ziels einen blutigen Guerillakrieg gegen die Türkei begonnen hatte, rückte sie seit 1999 zunehmend davon ab. Inzwischen fordert die PKK die Anerkennung der kurdischen Identität und Autonomie. Laut eigenen Aussagen will die PKK dies vor allem auf politischem Wege erreichen. Der PKK-Anführer Abdullah Öcalan befindet sich seit dem 15. Februar 1999 in türkischer Isolationshaft. Seit November 1993 (bestandskräftig seit März 1994) ist die PKK in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt, die EU stuft die PKK seit 2002 als terroristische Organisation ein.

Führung: Abdullah Öcalan (seit 1999 in der Türkei inhaftiert)
Anhänger/Mitglieder: In Hessen etwa 1.500, bundesweit etwa 14.500
Bewaffnete Gruppen: Hêzên Parastina Gel (HPG, Volksverteidigungskräfte), Teyrêbazên Azadîya Kurdistan (TAK, Freiheitsfalken Kurdistans)
Syrischer Ableger: Partiya Yekitîya Demokrat (PYD, Partei der demokratischen Union) und deren militärischer Arm Yekîneyên Parastina Gel (YPG, Volksverteidigungseinheiten) und der Yekîneyên Parastina Jin (YPJ, Frauenverteidigungseinheiten)
Medien (Auswahl): Yeni Özgür Politika (YÖP, Neue Freie Politik) als Sprachrohr der PKK, Serxwebûn (Unabhängigkeit), Stêrk-TV, Med NUCE-TV
Abgebildet ist das Logo der Arbeiterpartei Kurdistans: auf rechteckigem rotem Untergrund befindet sich in gelber Farbe eine Sonne mit einem Strahlenkranz, der aus kürzeren und längeren Strahlen besteht. In der Mitte der gelben Sonne befindet sich ein roter fünfzackiger Stern.

Ereignisse/Entwicklungen

Beherrschendes Thema für die kurdische PKK-nahe Diaspora in Hessen waren im Berichtsjahr die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Region Afrin. Hintergrund war die im Januar begonnene türkische Militäroffensive Operation Olivenzweig gegen mutmaßliche Stützpunkte der YPG/YPJ im Nordwesten Syriens (Grenzregion zur Türkei). Bereits im Juli 2017 soll die Türkei kurz vor dem Einmarsch in die Region Afrin, die von einer Koalition um die PYD kontrolliert wurde, gestanden haben. Europaweit hatten damals PKK-nahe Gruppierungen gegen den angeblich drohenden Einmarsch türkischer Soldaten in Afrin demonstriert.

Auf einen Blick

  • Proteste gegen die türkische Operation Olivenzweig
  • Im Kontext Afrin verübte Straftaten
  • Zusammenarbeit der PKK mit deutschen Linksextremisten
  • Personenkult um Adullah Öcalan
  • Finanzierung – organisationsinterne „Spenden“-­Sammlung

Proteste gegen die türkische Operation Olivenzweig | Das Vorgehen der Türkei gegen den syrischen Ableger der PKK in der Region Afrin begann offiziell am 20. Januar 2018 unter dem Namen Operation Olivenzweig (türk. Zeytin Dalı Harekâtı). Das Ziel der mit der Verlegung von Panzerverbänden an die türkisch-syrische Grenze am 14. Januar vorbereiteten Offensive bestand für die türkische Regierung darin, kurdische Milizen im Norden Syriens zu zerschlagen und insbesondere die der PKK zuzurechnenden militärischen YPG und YPJ aus dem Grenzgebiet zu vertreiben. Die Operation Olivenzweig zog europaweit unmittelbar seit dem 20. Januar eine Vielzahl sowohl friedlicher Proteste als auch gewalttätiger Aktionen nach sich. Das Navenda Civaka Demokratîk ya Kurdên li Almanyayê (NAV-DEM, Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.), das heißt der Dachverband kurdischer Vereine in Deutschland, schrieb hierzu unter der Überschrift „Lasst uns die Stimme erheben – Gegen die türkische Kriegspolitik – Für die Solidarität mit Afrin!“:

„Wir rufen […] euch, also die Öffentlichkeit in Deutschland, dazu auf, eure Solidarität mit Afrin zu zeigen und euch mit uns gemeinsam gegen die Kriegspolitik der AKP im Mittleren Osten zu stellen!“

Die Co-Vorsitzende des NAV-DEM, Ayten Kaplan, kritisierte in einer Stellungnahme die angebliche „Repression gegen die kurdische Bevölkerung in Deutschland“ durch die Bundesregierung:

„Auch bei unseren Demonstrationen am gestrigen Tag ist es mancher­orts dazu gekommen, dass die Polizei Fahnen eingesammelt hat oder Demonstranten gefilmt und festgenommen hat. Das ist völlig unakzeptabel. Wenn die Bundesregierung gerade jetzt meint, die Repressionen gegen Kurdinnen und Kurden in Deutschland anziehen zu müssen, steht sie unserer Meinung nach hinter der Kriegserklärung der AKP gegen die kurdische Bevölkerung. Wenn die Bundesregierung gar von Panzer- und anderen Waffendeals an die Türkei spricht, so ist sie nach unserer Ansicht für die Folgen der Kriegspolitik der AKP in Afrin und anderswo mitverantwortlich“.

Laut einem Aufruf des NAV-DEM appellierte Kaplan an die Öffentlichkeit, den Protest in Deutschland solange fortzusetzen, bis die Bundesregierung ihre Unterstützung für den „Kriegskurs der AKP“ einstelle und sich die internationale Staatengemeinschaft gegen den Angriff auf Afrin wende.

Die teilweise – auch in hessischen Städten – nicht angemeldeten Aktionen standen in Zusammenhang mit Aufrufen der PKK-Führung. In einer Nachricht vom 22. Februar auf der PKK-nahen Ajansa Nûçeyan a Firatê (ANF, Firatnews Agency) hieß es: „Der türkische Besatzerstaat kennt keine Grenzen. Auf barbarische Weise werden Zivilistinnen bombardiert und getötet. Stehen wir auf, gehen wir auf die Straßen!“ In Kassel wurde ein Farbanschlag auf ein Gebäude verübt, in dem sich sowohl eine türkische Moschee als auch ein Verein befanden, welcher der türkischen rechtsextremistischen Ülkücü-Bewegung zugerechnet wird. In einem auf der Internetseite der PKK-Jugend­organisation Ciwanên Azad (Freie Jugend) veröffentlichten Tatbekenntnis hieß es, es habe sich um einen Angriff auf einen „Verein der Grauen Wölfe“ – die Anhänger der Ülkücü-Bewegung werden umgangssprachlich als Graue Wölfe bezeichnet – gehandelt:

„In der Nacht vom 20. auf den 21. Januar hat das Racheteam Çekdar Botan aus Wut über die Angriffe des faschistischen türkischen Staates den Ülkü Ocaği (Verein der Grauen Wölfe) gestürmt“.

Bei Çekdar Botan handelt es sich um den Tarnnamen eines deut­schen PKK-Angehörigen, der 2016 im Kampf für die Terrororganisation ums Leben gekommen war. An anderer Stelle wurde im Internet zu weiteren Aktionen aufgerufen:

„DITIB sind die direkten Vertreter des AKP-Regimes in Deutschland und damit unser Angriffsziel. […] Wir rufen alle RevolutionärInnen und aufrechten InternationalistInnen dazu auf selbst Aktionen durchzuführen und die Institutionen des türkischen Faschismus und seiner deutschen Komplizen hier zum Ziel zu nehmen“.
(Schreibweise wie im Original.)

Bis Mitte März, dem Ende der Operation Olivenzweig, kam es bundesweit zu mehr als 1.000 Kundgebungen im Kontext Afrin, in Hessen waren es etwa 160. Die erste zentrale Kundgebung für Deutschland fand am 27. Januar in Köln (Nordrhein-Westfalen) unter dem Motto „Solidarität mit Afrin“ statt, wozu das NAV-DEM etwa 13.000 Demonstranten mobilisiert hatte. Darunter waren etwa 100 Personen aus dem linksextremistischen Spektrum, die sich als schwarzer Block präsentierten. Wegen zahlreicher Verstöße gegen das Vereinsgesetz (Zeigen von Öcalan-Fahnen) löste die Polizei die Demonstration vorzeitig auf. Beim Einziehen verbotener Fahnen kam es vereinzelt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Das Zeigen von PYD-/YPG-Fahnen war während der Kundgebung in Absprache mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ausdrücklich erlaubt.

Am 3. März nahmen mehr als 7.000 Personen an einer bundesweiten Demonstration in Berlin („Gemeinsam gegen die türkischen Angriffe auf Afrin!“) teil. Von dem Bündnis für Demokratie und Frieden in Afrin organisiert, das unter anderem von der IL und weiteren linksextremistischen Gruppierungen unterstützt wurde, beteiligten sich sowohl linksextremistische Akteure als auch PKK-Anhänger an den Protesten. Zahlreiche Spruchbänder und Fahnen der YPG/YPJ sowie Öcalan-Abbildungen wurden gezeigt und verbotene PKK-Parolen skandiert. Auch pyrotechnische Gegenstände wurden vereinzelt gezündet. Die Polizei forderte die Versammlungsteilnehmer mehrfach auf, das Zeigen von Fahnen mit verbotenen Symbolen zu unterlassen, und stellte bei einer Fahrzeugüberprüfung über 1.000 Pappschilder mit PKK-Bezug sowie 15 Öcalan-Bilder sicher. Insgesamt kam es zu 38 Festnahmen und 41 Strafverfahren (unter anderem wegen zahlreicher Verstöße gegen das Vereinsgesetz). Bei einer Festnahme wurden sechs Polizisten leicht verletzt.

In Frankfurt am Main kamen am 3. Februar etwa 1.800 Personen zu einer Demonstration, wobei der Veranstalter, das Mesopotamische Kulturzentrum e. V., lediglich mit 500 gerechnet hatte. In den Wochen nach dem türkischen Einmarsch in Afrin verringerten sich die Teilnehmerzahlen schließlich erheblich und stagnierten zuletzt im zwei- bis unteren dreistelligen Bereich.

Auch die zentrale Großveranstaltung anlässlich des traditionellen kurdischen Neujahrsfests am 17. März in Hannover (Niedersachsen) thematisierte unter dem Motto „Newroz heißt Widerstand – der Widerstand heißt Afrin“ die Lage im Nordwesten Syriens. Dass das Treffen – im Vergleich zu der entsprechenden Vorjahresveranstaltung in Frankfurt am Main (30.000 Teilnehmer) – mit rund 11.000 Personen deutlich geringer besucht war, wies auf die zunehmende Demon­s­trationsmüdigkeit der Kurden in Deutschland hin.

Im Kontext Afrin verübte Straftaten | Bei den im Zusammenhang mit den Protesten verübten Straftaten handelte es sich vorrangig um Brandstiftungen, Sachbeschädigungen durch Graffiti und Farbbeutelattacken. Die Straftaten richteten sich nicht nur gegen türkische Einrichtungen, sondern auch gegen – aus Sicht der PKK – mutmaßliche Unterstützer der Türkei wie etwa Parteibüros der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Rüstungsbetriebe, Bankfilialen und staatliche Einrichtungen.

Für Hessen sind folgende Beispiele hervorzuheben:

  • Offensichtlich kurdische Jugendliche aus Wiesbaden begingen am 15. Februar mehrere Sachbeschädigungen durch Graffiti­schmierereien an türkischen Vereinsgebäuden in Mainz (Rheinland-Pfalz).
  • Am frühen Morgen des 13. März kam es an einem türkischen ­Lebensmittelmarkt in Darmstadt zu einer Sachbeschädigung durch Graffitischmierereien, als unbekannte Täter die Parolen „Boycot Turkey“ und „Rache für Afrin“ an die Wände sprühten.
  • In der Nacht vom 13. auf den 14. März wurden die Scheiben einer Filiale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main zerstört. Die Bekenner warfen der Bank auf der Internetseite
    fight4afrin.noblogs.org vor, in den Rüstungsbetrieb Rheinmetall AG zu investieren.
  • Am 13. und 14. März besprühten unbekannte Täter die Geschäftsstellen der CDU und SPD in Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) mit den Aufschriften „PYJ“, „#Fight4Afrin“, „Biji Rojava“ und „YPG statt SPD“.
  • In Kassel entzündeten unbekannte Täter am frühen Morgen des 21. März das Fahrzeug einer türkischen Staatsbürgerin. Auf dem Fahrzeug klebten Werbefolien einer türkischen Zeitschrift. Das „Racheteam Sehîd Kawa“ bekannte sich zu der Tat.

Zusammenarbeit der PKK mit deutschen Linksextremisten | Mit Beginn der türkischen Offensive arbeiteten in Hessen verstärkt PKK-Angehörige und deutsche Linksextremisten sowohl aus dem autonomen als auch aus dem dogmatischen Bereich zusammen. So veröffentlichte die IL am 21. Januar eine Erklärung, in der sie dazu aufrief, sich an den Protesten gegen den Angriff der türkischen Armee auf Afrin zu beteiligen. Die IL kritisierte die Treffen zwischen dem deutschen und türkischen Außenminister sowie deutsche Waffenlieferungen an die Türkei. Dem Protest schloss sich die linksextremistische Gruppierung Young Struggle mit einer eigenen Erklärung an.

Darüber hinaus kam es zu folgenden weiteren Kooperationen:

  • In Kassel zogen am 3. Februar etwa 50 kurdische Jugendliche, Aktivisten der örtlichen autonomen Szene und des „strömungsübergreifenden Zusammenschlusses anarchistischer Gruppen, Föderationen, Projekten und Einzelpersonen“, der Föderation Deutschsprachiger Anarchisten (FdA), durch die Innenstadt. Teilweise vermummt, zündeten sie Bengalos und führten Fahnen mit PKK-Bezug mit sich. Ähnliche Aktionen gab es in Frankfurt am Main und Wiesbaden.
  • An einem Bündnistreffen in Kassel am 6. Februar im dortigen PKK-nahen Verein beteiligten sich der Yekîtiya Xwendekarên Kurdistan (YXK, Verband der Studierenden aus Kurdistan), die Ciwanên Azad sowie die deutsche linksextremistische Gruppierung Revolution (REVO) Hessen.
  • In Gießen (Landkreis Gießen) meldete das Bündnis für Frieden in Afrin für den 9. und 16. Februar Demonstrationen an. In einer Erklärung forderte das Bündnis ein Ende des Kriegs im Nahen Osten, eine politische Lösung für Syrien und die Aufhebung des Verbots, Symbole von kurdischen Parteien und Organisationen sowie Porträts von Abdullah Öcalan zu zeigen. Unter den 20 Bündnispartnern befanden sich der PKK-nahe Verein in Gießen sowie folgende Gruppierungen bzw. Parteien: die A.R.A.G., die DKP, die Internationale Marxistische Tendenz Gießen, das Internationalistische Bündnis Gießen, der Jugendverband REBELL Gießen der MLPD und die linksjugend [‘solid].

Darüber hinaus rief laut einer Erklärung der von Linksextremisten benutzten Internetseite de.indymedia.org am 12. März die Apoistische Jugendinitiative, die ihren Namen von Apo (türk. Bezeichnung für Onkel, zugleich Koseform für Abdullah) ableitete, dazu auf, Gewaltaktionen europäischer Linksextremisten zu unterstützen:

„Wenn uns niemand zuhören will werden wir jede Innenstadt Europas in Schutt und Asche legen. Egal wie und egal was an diesem Tag brennt, Europa muss verstehen das wir nicht zulassen werden, dass Efrin fällt. Am Montag werden wir als kurdische Jugend die mörderische Stille beenden und den Krieg auf Europas Straßen tragen! Informiert euch auf fight4afrin.noblogs.org über geplante Aktionen, sprecht euch ab und bereitet euch vor!“
(Schreibweise wie im Original.)

Ebenso wurden auf den Internetseiten fight4afrin.noblogs.org und de.indymedia.org Bekennerschreiben in Bezug auf Angriffe, die vermehrt nicht nur türkische Einrichtungen, sondern auch Rüstungsbetriebe, Banken, Parteibüros und staatliche Einrichtungen zum Ziel hatten, veröffentlicht.

Personenkult um Adullah Öcalan | Nachdem sich der unumstrittene PKK-Anführer jahrelang in Syrien aufgehalten hatte, wies ihn die syrische Regierung im Oktober 1998 aus, woraufhin er versuchte, in einem europäischen Staat politisches Asyl zu erhalten. Im Februar 1999 wurde Öcalan von türkischen Beamten beim Verlassen der Botschaft eines EU-Mitglieds in Kenia sistiert, in die Türkei gebracht und dort inhaftiert. Als Mitbegründer der PKK ist Öcalan für deren Anhänger die absolute Leitfigur und eine lebende Ikone und wurde schon früh Apo genannt. In Anlehnung daran verwenden PKK-Strukturen – wie etwa die Apoistische Jugendinitiative – in Selbstbezeichnungen diesen Begriff.

Die anhaltende Sorge um Öcalans Gesundheitszustand und dessen fortwährende Isolationshaft trieb die kurdische Diaspora weiter um. Demonstrationsserien und verschiedene Kampagnen spiegelten dies in Hessen im Berichtsjahr wider. Wie seit mehreren Jahren demonstrierten PKK-Anhänger europaweit gegen die Inhaftierung Öcalans und thematisierten sowohl dessen angeblich kritischen Gesundheitszustand als auch dessen mögliches Ableben. Dabei wurde das Verbot, das Bildnis Öcalans auf Fahnen usw. öffentlich zu zeigen, nahezu durchgängig missachtet. So organisierte in Frankfurt am Main der Vorsitzende des Mesopotamischen Kulturzentrums e. V. am 13. Oktober eine Kundgebung zum Thema „Freiheit für Öcalan, ein Status für Kurdistan“. Etwa 30 Personen zeigten verschiedene Fahnen und Banner mit dem Abbild Öcalans und ignorierten dabei den Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat hinsichtlich verbotener PKK-Symbole.

Folgende weitere Ereignisse waren relevant:

  • Am Frankfurter Flughafen kam es am 24. Oktober zu einer nicht angemeldeten, störungsfrei verlaufenen Versammlung mit dem Thema „Freiheit für Öcalan“, an der sich elf Personen beteiligten.
  • Am 27. Oktober fanden drei weitere Demonstrationen in diesem Kontext statt: In der Darmstädter Innenstadt demonstrierten etwa 100 Teilnehmer friedlich unter dem Motto „Freiheit für Öcalan“. In Frankfurt am Main zogen rund 150 Anhänger Öcalans durch die Innenstadt, wobei vereinzelt verbotene „Biji-serok-Apo“-Rufe (dt. „hoch lebe Apo“) skandiert wurden. In Kassel wurden vier Polizeibeamte leicht verletzt, als sie versuchten, während einer Kundgebung („Der gesundheitliche Zustand von Abdullah Öcalan“) mit rund 80 Demonstranten eine verbotene Öcalan-Fahne einzuziehen. Im weiteren Verlauf blockierten Demonstranten kurzzeitig Bahngleise. Videos mit angeblicher Polizeigewalt wurden anschließend auf mehreren Internetplattformen veröffentlicht, wobei deren Duktus auf eine Beteiligung deutscher Linksextremisten schließen lässt.
  • Am 9. November instrumentalisierten PKK-nahe Aktivisten in Kassel eine vom deutschen linksextremistischen Spektrum angemeldete Kundgebung („Rechtsruck Aufhalten“) für eigene Zwecke, wobei die Kurden den Großteil der insgesamt 185 Teilnehmer stellten. Pyrotechnische Gegenstände wurden entzündet, verbotene PKK-Symbole gezeigt sowie verbotene PKK-Parolen und die Parole ACAB (Abkürzung für engl. all cops are bastards) skandiert. Nachdem mehrfache Einwirkungsversuche des Versammlungsleiters ergebnislos blieben, erklärte der Veranstalter die Kundgebung nach Rücksprache mit der Polizei für beendet. Beim Versuch, eine Polizeikette zu durchbrechen, setzten Demonstranten Fahnenstangen und Pfefferspray gegen die Einsatzkräfte ein und warfen zu einem späteren Zeitpunkt auch Steine auf die Polizisten.
  • In Frankfurt am Main protestierten am 11. November etwa 15 kurdische Jugendliche aus Frankfurt am Main und Mainz (Rheinland-Pfalz) gegen die Isolationshaft Öcalans, indem sie in einer Parkanlage Bengalos entzündeten und mit Bildnissen Öcalans posierten. Ein Video über die Aktion wurde auf der PKK-nahen Plattform www.nuceciwan8.com veröffentlicht.
  • Im Dezember führten PKK-nahe Kurden in Frankfurt am Main und Darmstadt einen knapp dreiwöchigen symbolischen „Hungerstreik“ durch, um auf die Haftbedingungen Öcalans, speziell seine Isolationshaft, aufmerksam zu machen, worüber kurdische Printmedien und Internetplattformen regelmäßig berichteten. Die zu Informationszwecken aufgestellten Pavillons waren mit zahlreichen Bildnissen Öcalans versehen.

Finanzierung – organisationsinterne „Spenden“-Sammlung | Wie in den Vorjahren finanzierte die PKK ihren Kampf in den kurdischen ­Gebieten vor allem über „Spenden“, wozu in Europa jährlich Kampagnen stattfanden. Die jährliche „Spenden“-Sammlung stellte erneut einen wesentlichen Schwerpunkt der PKK-Aktivitäten in Deutschland dar und diente der logistischen und finanziellen Unterstützung der Gesamtorganisation. Seit der Befreiung Kobanês (einer mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt an der türkisch-syrischen Grenze in Syrien) vom IS im Jahr 2014 durch kurdische Peschmerga hatte sich die „Spenden“-Bereitschaft allerdings merklich gesteigert.

Mit der „Jahresspendenkampagne“ unterstützt die kurdische PKK-nahe Diaspora in der Bundesrepublik die Aktivitäten einer Terrorvereinigung im Ausland. Die PKK-Führung gibt die Ziele für die einzelnen PKK-Gebiete in Deutschland vor, wobei diese in der Regel utopisch hoch angesetzt sind, sodass sie nur selten erreicht werden. Neben der Rekrutierung von Kämpfern und den vergangenen gewalttätigen Ausschreitungen bei Demonstrationen liegt darin einer der Hauptgründe für das Fortbestehen des PKK-Betätigungsverbots in Deutschland.

Die „Spenden“ variieren im Regelfall zwischen mehreren hundert Euro bei Einzelspendern und bis zu mehreren zehntausend Euro insbesondere bei Geschäftsleuten. Erfahrungsgemäß wird von Kurden jeweils eine „Spende“ in Höhe von bis zu einem Monatseinkommen eingefordert, wobei die Summen mittlerweile „verhandelbar“ sind.

Hinweise auf Gewaltanwendungen im Rahmen der „Spenden“-Sammlung wurden in Hessen nicht bekannt. Allerdings gab es Fälle, bei denen psychischer Druck auf potenzielle, aber nicht zahlungswillige „Spender“ ausgeübt wurde: Dabei ging es um soziale Ächtung oder Isolation innerhalb der örtlichen kurdischen Community oder um Aufforderungen, bei zahlungsunwilligen Geschäftsleuten nicht mehr einzukaufen. Bis in die späten neunziger Jahre gab es in Deutschland Fälle von körperlicher Gewalt im Rahmen der „Spenden“-Sammlungen.

Wie in jedem Jahr nahmen die „Spenden“-Sammelaktivitäten nach dem Internationalen Kurdischen Kulturfestival – im Berichtsjahr fand eine Ersatzveranstaltung für das verbotene 26. Internationale Kurdische Kulturfestival am 8. September in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) statt – an Intensität zu. Der Ablauf glich demjenigen früherer Jahre: Bei Hausbesuchen wird der von der PKK erwartete „Spenden“-Beitrag mitgeteilt und eventuell sofort eingesammelt. Das Geld wird bundesweit bei „Spenden“-Sammlern bzw. in „Depots“ zwischengelagert und schließlich auf dem Landweg ins europäische Ausland transportiert. Als Finanzzentrale der PKK in Europa gilt Brüssel (Belgien). Von dort wird das Geld über Western Union in den Nord-Irak überwiesen oder direkt verschifft bzw. verschickt.

Ciwanên Azad (Freie Jugend)

Im Jugendbereich unterhielt die PKK an örtliche PKK-nahe Vereine angegliederte Gruppen der Ciwanên Azad, die in Hessen vor allem in Frankfurt am Main und Kassel aktiv waren. Schwerpunkte ihrer Aktivitäten bildeten die Mobilisierung zu Demonstrationen und die Durchführung anlassbezogener Aktionen. Angehörige der ­Ciwanên Azad agierten sowohl anlassbezogen als auch eigenständig für ihren Anführer Öcalan sowie für die Gesamtinteressen der Terrororganisation. Die angebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands Öcalans bzw. der nicht vorhandene Kontakt zu ihm konnte ebenso ein Auslöser für Aktivitäten der Ciwanên Azad sein wie Aktionen des türkischen Militärs in den kurdischen Regionen im Norden Syriens.

Auf einen Blick

  • Einsatz von Gewalt befürwortet
  • Rekrutierungsaktivitäten

Einsatz von Gewalt befürwortet | Eine Erklärung der Apoistischen Jugendinitiative vom 12. März, die eine der Reaktionen auf den Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien bildete, verdeutlicht die Einstellung der PKK-Jugend zur Gewalt:

„Wenn uns niemand zuhören will werden wir jede Innenstadt Europas in Schutt und Asche legen. Egal wie und egal was an diesem Tag brennt, Europa muss verstehen das wir nicht zulassen werden, dass Efrin fällt. Am Montag werden wir als kurdische Jugend die mörderische Stille beenden und den Krieg auf Europas Straßen tragen! Informiert euch auf fight4afrin.noblogs.org über geplante Aktionen, sprecht euch ab und bereitet euch vor!“
(Schreibweise wie im Original.)

Vor diesem Hintergrund führten am 11. Mai kurdische Jugendliche in Frankfurt am Main eine nicht angemeldete Demonstration durch, zündeten pyrotechnische Gegenstände, zeigten Fahnen des PKK-Anführers Öcalans und riefen PKK-Parolen. Am 29. Oktober zeigten jugendliche PKK-Anhänger in Kassel während eines Volksfests eine Abbildung Öcalans aus der Gondel eines Riesenrads heraus und veröffentlichten anschließend einen entsprechenden Beitrag in den sozialen Netzwerken.

Am 21. Oktober gründete sich im Zuge einer Umbenennung der Ciwanên Azad in Bergisch-Gladbach (Nordrhein-Westfalen) die Tevgera Ciwanên Şoreşger (TCS, Bewegung der revolutionären ­Jugend), die sich als europaweiter Dachverband der kurdischen Jugend versteht. Im November präsentierte die neue Organisation im Internet eine eigens in diesem Kontext gestaltete Fahne und gab Beschlüsse bekannt, in denen sie sich inhaltlich auf den PKK-Anführer Öcalan und PKK-Märtyrer bezog. In Hessen folgten der Umbenennung bislang nur die PKK-nahen Vereine in Frankfurt am Main.

Rekrutierungsaktivitäten | Nach wie vor rekrutierte die PKK auch in Deutschland zumeist jugendliche Anhänger für den bewaffneten Kampf. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Ciwanên Azad. Jugendliche wurden in Appellen, die über den Medienapparat der PKK verbreitet wurden, dazu aufgefordert, sich den bewaffneten Einheiten anzuschließen. Anlässlich des Jahrestags der Wiederaufnahme des „bewaffneten Kampfs“ zitierte die PKK-nahe Zeitung YÖP in ihrer Ausgabe vom 14. August den Befehlshaber der PKK-Guerillaeinheiten wie folgt:

„Am 34. Jahrestag der Offensive vom 15. Augst 1984 wenden wir uns an alle kurdischen Jugendlichen. Wir wenden uns an die Jugendlichen aller Völker, die in diesen Gebieten leben: Kommt und tretet den Reihen bei! Kommt und nehmt am Tanz des Sieges teil! […] Wenn jeder dieser Phase mit Verantwortung begegnet, die erforderlichen Aufgaben übernimmt und die Verteidigungskräfte Kurdistans auf professionelle Art in allen Teilen Kurdistans vertritt, gebührt der Sieg unserem Volk“.

Mit ihren Bemühungen, junge Menschen für einen Kampfeinsatz im syrisch-türkischen Grenzgebiet zu gewinnen, wendete sich die PKK nicht nur an eigene Anhänger, sondern auch an Deutsche, die sich den Zielen der PKK solidarisch verbunden fühlten. Entsprechende Hinweise über die Anwesenheit rekrutierter Personen in der syrisch-türkischen Grenzregion fanden die Sicherbehörden in sozialen Medien. Allerdings lagen in der Regel keine Erkenntnisse über tatsächliche Aktivitäten auf Seiten oder zu Gunsten der PKK vor. Einzelne rekrutierte Personen wurden vor Ort im Kampf getötet, worüber im Internet berichtet wurde: Sie gelten unter der PKK-Anhängerschaft als Märtyrer im Kampf für kurdische Interessen. Personen aus Hessen waren bislang nicht darunter.

Entstehung/Geschichte

1978 als eine Partei mit marxistisch-leninistischer Ausrichtung gegründet, suchte die PKK mit ihren bewaffneten Einheiten seit dem 15. August 1984 die Auseinandersetzung mit dem türkischen Militär. Den Kampfhandlungen fielen seitdem mehrere zehntausend Menschen zum Opfer.

Auf einen Blick

  • Wandlungen der PKK
  • Verurteilung Öcalans
  • Umbenennungen
  • Umfeld der PKK

Wandlungen der PKK | Die ursprünglich marxistisch-leninistisch orientierte Organisation wurde am 27. November 1978 gegründet und strebte danach, durch einen Guerillakrieg einen revolutionären Umbruch zu erreichen und anschließend einen eigenen kurdischen Staat zu gründen. Im Laufe der Jahre veränderte sich diese Forderung hin zu einer konföderalen Vorstellung, die den Kurden in ihren Gebieten weitgehende kulturelle und politische Autonomie und Selbstbestimmung bringen soll. Hierzu sollen zum Beispiel ein eigenes Parlament, eigene Wirtschafts- und Finanzstrukturen, eine anerkannte eigene Sprache und eine eigene Fahne gehören. Vor allem die beiden letzten Punkte sind für die PKK besonders symbolträchtig.

Von Beginn an sah die PKK Gewalt als ein wichtiges Mittel im revolutionären Kampf an. Gewalt wurde innerhalb der Organisation – zum Beispiel gegen Abweichler – ebenso angewendet wie im Rahmen bewaffneter Aktionen und Anschläge insbesondere in der Türkei. Dabei gab es, abhängig von der jeweiligen innenpolitischen Entwicklung, immer wieder Phasen eines von der PKK verkündeten „Waffenstillstands“ gegenüber der türkischen Regierung. In Europa und Deutschland versuchte die PKK seit Jahren – zumindest nach außen hin – den Eindruck einer politischen Neuorientierung zu erwecken und sich vor allem durch ihren Kampf gegen den IS in Syrien als zuverlässigen Partner europäischer Staaten darzustellen. Dies geschah auch, um eine Streichung von der EU-Terrorliste bzw. die Aufhebung des Betätigungsverbots in Deutschland zu erreichen.

Verurteilung Öcalans | Im Herbst 1998 entzog Syrien auf massiven Druck der Türkei dem PKK-Anführer Abdullah Öcalan die Unterstützung und veranlasste ihn, sein dortiges Exil aufzugeben. Nach verschiedenen Aufenthalten in Europa und Afrika wurde Öcalan am 15. Februar 1999 in Kenia festgenommen und in die Türkei gebracht. Am 29. Juni 1999 vom Staatssicherheitsgericht in Ankara zum Tode verurteilt (die Strafe wurde mit Abschaffung der Todesstrafe am 3. Oktober 2002 in lebenslange Haft umgewandelt), befindet sich Öcalan seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft. Für die PKK gilt der 15. Februar als „schwarzer Tag in der Geschichte des kurdischen Volkes“. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einem „internationalen Komplott“.

Umbenennungen | 2002 benannte sich die PKK in Kongreya Azadî û Demokrasiya Kurdistanê (KADEK, Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans) um. 2003 folgte die Umbenennung in Kongreya Gelê Kurdistanê (KONGRA GEL, Volkskongress Kurdistans). Damit versuchte die PKK, sich von der „Stigmatisierung“ als Terrororganisation zu befreien und sich als politisch neuausgerichtete Organisation zu präsentieren.

Die unterschiedlichen Bezeichnungen der letzten Jahre hinsichtlich der Struktur und personellen Zusammensetzung führten zu keinen grundsätzlichen Umgestaltungen der PKK. Die Ursprungsorganisation bestand im Wesentlichen fort. 2005 gründete sich die Koma Civakên Kurdistan (KCK, Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans), die sich die Verwirklichung des „demokratischen Konföderalismus“ zum Ziel gesetzt hat. Darunter versteht die PKK einen nichtstaatlichen Verbund aller Kurden in der Türkei, in Syrien, im Iran und Irak, den sie mit eigenen Regierungsorganen und mit dem Anspruch einer eigenen Staatsbürgerschaft versieht. Die staatlichen Grenzen der Länder, in denen Kurden leben, sollen in diesem virtuellen Verbund unangetastet bleiben.

PKK und KCK sind im Wesentlichen strukturell identisch. In der Binnenkommunikation sprechen Funktionäre, Mitglieder und Anhänger – unbeschadet aller jeweils aktuellen Bezeichnungen der Organisation – seit jeher von PKK. Im Außenverkehr tituliert sich die PKK hingegen, wenn sie ihr organisatorisches Ganzes meint, als KCK.

Umfeld der PKK | Mit der PKK verbunden sind die PYD in Syrien sowie die Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (PJAK, Partei für ein freies Leben in Kurdistan) und die Partiya Çareseriya Demokratik a Kurdistanê (PÇDK, Partei für eine politische Lösung in Kurdistan) im Irak. Als Schwesterparteien wollen auch sie die Interessen von Kurden vertreten.

Die Umsetzung von PKK-Positionen erfolgt insbesondere über eigene Medienstrukturen. Neben einem PKK-Fernsehsender (Stêrk-TV, Med NUCE-TV) gibt es eine eigene PKK-nahe Nachrichtenagentur (ANF, Sitz in den Niederlanden) sowie verschiedene Zeitungen und Zeitschriften (unter anderem die vom Betätigungsverbot nicht betroffene YÖP, die in Neu-Isenburg im Landkreis Offenbach erscheint, sowie Serxwebun und Ciwanên Azad).

Ideologie/Ziele

Ziel der terroristischen PKK war ursprünglich die staatliche Unabhängigkeit der auf mehrere Staaten im Nahen Osten zersplitterten kurdischen Siedlungsgebiete. Der kurdische Staat sollte in der Türkei aus Südostanatolien, Regionen im Nordosten Syriens („Rojava“), Gebieten im Norden des Iraks und Gebieten Westirans bestehen.

Auf einen Blick

  • Autonomie in der Türkei
  • Öcalan als ideologische Führungsfigur

Autonomie in der Türkei | Die PKK behauptet, ihr Ziel der staatlichen kurdischen Unabhängigkeit zugunsten eines einheitlichen länderübergreifenden Siedlungsverbunds aller Kurden aufgegeben zu haben, in dessen Rahmen die Grenzen der betroffenen Staaten Bestand haben sollen.

Was die in der Türkei lebenden Kurden betrifft, kämpft die PKK für die staatliche Anerkennung ihrer kulturellen und politischen Identität, die in Südostanatolien mittels eines Autonomiestatus – ähnlich der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak – verwirklicht werden soll. Zugleich fordern die PKK und ihre Schwesterorganisationen einen ähnlichen Autonomiestatus für von Kurden bewohnte Regionen im Norden Syriens, im Irak und im Iran. Dabei beansprucht die PKK, die Interessen aller Kurden zu vertreten.

Öcalan als ideologische Führungsfigur | Der in der Türkei inhaftierte Abdullah Öcalan fungiert weiterhin als ideologische Führungsfigur der Terrororganisation. Dies ist zum einen darin begründet, dass er einer der Gründer der PKK war und damals sogleich zum Vorsitzenden gewählt wurde. Öcalan verfasste Schriften, die noch heute als Material bei der Kaderschulung dienen. Auch nach seiner Inhaftierung hatte Öcalan jahrelang wichtige Entscheidungen der PKK inhaltlich mitgeprägt, so etwa die Zielsetzung der kulturellen und politischen Autonomie, die an die Stelle der Etablierung eines eigenen „Kurdenstaats“ trat. Seit mehreren Jahren ist allerdings nicht mehr bekannt, dass Öcalan die inhaltliche Ausrichtung der PKK mitbestimmte.

Innerhalb der Terrororganisation hat Öcalan weiterhin eine absolut herausgehobene Stellung inne. Im Laufe der Zeit wurde er immer stärker verklärt, sowohl seine Verhaftung 1999 als auch seine Einzelhaft auf der Gefängnisinsel Imrali wurden im Sinne der PKK historisiert. Insgesamt wird Öcalan schon heute als lebender Märtyrer verehrt, der wegen seines Engagements für eine „richtige und gute Sache“ zu Unrecht verfolgt, inhaftiert und isoliert werde. Angesichts fehlender Informationen über Öcalan und seine Situation wird bei PKK-Veranstaltungen immer wieder die Forderung erhoben, dass über seinen Gesundheitszustand und seine Haftbedingungen berichtet und ein glaubhaftes Lebenszeichen von ihm gegeben wird. Bei Gerüchten über eine Verschlechterung seines Lebensumfelds oder seines Tods organisieren PKK-Anhänger sofort Solidaritätsaktionen.

Strukturen

Zahlreiche Teilorganisationen trugen die Aktivitäten der PKK:

  • Propaganda- bzw. Frontorganisation (politischer Arm): Koordînasyona Civaka Demokratîk a Kurdistan (CDK, Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft), Sitz unbekannt.
  • Dachorganisation für Europa: Kongreya Civakên Demokratîk a Kurdistaniyên Ewropa (KCDK-E, Kurdischer Demokratischer Gesellschaftskongress in Europa).
  • Dachorganisation für Deutschland: NAV-DEM, Sitz in Düsseldorf, mit – nach eigenen Angaben – bundesweit 45 Vereinen, davon zehn in Hessen: Darmstadt, Frankfurt am Main, Gießen (Landkreis Gießen), Limburg (Landkreis Limburg-Weilburg), Wiesbaden, Hanau (Main-Kinzig-Kreis), Offenbach am Main, Rüsselsheim (Kreis Groß-Gerau), Bensheim (Kreis Bergstraße) und Kassel.

Für bestimmte Zielgruppen unterhielt die PKK sogenannte Massenorganisationen, zum Beispiel:

  • Ciwanên Azad (Freie Jugend), im Berichtsjahr in Tevgera Ciwanên Şoreşger (TCS, Bewegung der revolutionären Jugend) umbenannt.
  • Jinên Ciwanên Azad (Bewegung junger Frauen).
  • Yekîtiya Xwendekarên Kurdistan (YXK, Verband der Studierenden aus Kurdistan).
  • Jinên Xwendekar ên Kurdistan (JXK, Studierende Frauen aus Kurdistan).
  • Heyva Sor a Kurdistanê (HSK, Kurdischer Roter Halbmond).

Bewertung/Ausblick

Die PKK ist weiterhin die aktivste Gruppierung im Bereich des Extremismus mit Auslandsbezug. Wie ihre Demonstrationen und Aktionen zeigen, ist die Organisation jederzeit in der Lage, kurzfristige Proteste außerhalb der Türkei zu initiieren und zu organisieren. Dabei spielen nicht nur längerfristig planbare Veranstaltungen eine Rolle, auch Aktionen des türkischen Militärs und Handlungen der türkischen Regierung werden in der Regel noch am gleichen Tag, spätestens aber am Folgetag, deutschland- und europaweit mit Protesten beantwortet. Kurzfristig organisierte Kundgebungen zeigten, dass die PKK auch in Hessen jederzeit in der Lage ist, innerhalb weniger Stunden mehrere hundert Personen zu mobilisieren.

Umgehend reagierte die PKK auch auf Gerüchte über eine Verschlechterung des Gesundheitszustands oder gar den angeblichen Tod ihres Anführers Abdullah Öcalan. Die grundsätzlich bei allen Demonstrationen gezeigten Fahnen und Öcalan-Abbildungen verdeutlichen, wie sehr er von den PKK-Anhängern verehrt wird. Selbst für in Deutschland geborene Jugendliche mit kurdischem Migrationshintergrund steht Öcalan als absoluter Kristallisationspunkt im Zentrum ihres politischen Handelns.

Besonders in Kassel spiegelte sich diese hochemotionale Stimmung bei Veranstaltungen wider, wobei die Gefahr bestand, dass sie jederzeit in Gewalt ausuferten. Auch die sich bundesweit häufenden Aktionen vor allem der Ciwanên Azad gegen türkische Vereine bzw. Einrichtungen verdeutlichten, dass friedlicher politischer Protest fließend in Eskalation und Gewaltausbrüche übergehen konnte. Hierzu kam es ebenfalls in Hessen, sodass auch in Zukunft mit einer Spirale der Gewalt bei ursprünglich friedlichen Geschehnissen gerechnet werden muss.

Die der PKK zuzurechnenden Jugendlichen agierten im Sinne der Vorgaben der Führung, was sich zum Beispiel im Rahmen der Umbenennung der Ciwanên Azad zeigte. Es ist davon auszugehen, dass – wie in früheren vergleichbaren Fällen – sich die alten Ortsgruppen nach und nach in TCS umbenennen werden. Inwieweit aber örtliche Vereinsverantwortliche auf aktionsorientierte Ciwanên-Azad-Anhänger mäßigend einwirken und sie von gewaltorientiertem Auftreten abhalten können, bleibt fraglich bzw. ist in Hessen regional unterschiedlich zu bewerten.

Grundsätzlich hält die PKK aber weiterhin an der seit Jahren von ihr praktizierten Doppelstrategie fest: Militanz in der Türkei, Gewaltverzicht in Europa. Auch wenn generell das hiesige ruhige Agieren dominiert, hält die PKK an dem Einsatz von Gewalt als legitimem Mittel im Kampf für ihre politischen Ziele fest. Das zeigen unter anderem ihre anhaltenden Bemühungen, junge Menschen für einen Einsatz in der türkisch-syrischen Krisenregion zu rekrutieren.

Wesentlich für die PKK ist nicht nur die breite politische Unter­stützung für den aus ihrer Sicht „berechtigten Kampf“ gegen die Türkei, sondern auch das Vorhandensein von Kampfausrüstung und die Sicherung der Logistik für die vor Ort kämpfende Guerilla. Daher ist zu erwarten, dass die PKK jedes Vorgehen des türkischen Militärs in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei nutzten wird, um von ihren Anhängern oder Unterstützern höhere „Spenden“ als bislang einzufordern. Bisherige Erfahrungen demonstrieren, dass gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK die „Spendenbereitschaft“ stets förderten. In diesem Zusammenhang spielt auch die andauernde Sorge um den angeblich verschlechterten Gesundheitszustand ihres in der Türkei inhaftierten Anführers Öcalan eine maßgebliche Rolle.

Problematisch bleibt, dass es neben den mit Betätigungsverbot belegten PKK-Strukturen legalistische Gruppierungen wie die NAV-DEM und die YÖP gibt, welche vordergründig folkloristisch geprägte Kulturveranstaltungen durchführen, tatsächlich aber die Ziele der Terrororganisation mittragen. Um eine extremistische Agitation zu unterbinden, überarbeitete und erweiterte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Berichtsjahr – nach der Aktualisierung 2017 – erneut das PKK-Kennzeichenverbot. Die praxisbezogene Umsetzung dieses Verbots steht daher weiter im Fokus sowohl der PKK-Anhänger als auch der Sicherheitsbehörden.

Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi (DHKP-C, Revolutionäre Volks­befreiungspartei-Front)

Definition/Kerndaten

In der Türkei warb die DHKP-C weiterhin für den bewaffneten „Volkskampf“, während sie in Deutschland nach wie vor gewaltfrei agierte. Die Gewaltverzichtserklärung aus dem Jahr 1999 hatte Bestand. Darin heißt es: „Die DHKP-C wird ihren Kampf gegen die unrechtmäßige Verbotsmaßnahme in Deutschland fortsetzen – offen, demokratisch und gewaltfrei. Insbesondere wird in Deutschland keine Gewalt gegen türkische Institutionen ausgeübt“. Die sogenannte Rückfront in Westeuropa diente der Terrororganisation vor allem dazu, Gelder für ihre Aktivitäten in der Türkei zu beschaffen. Seit 2002 steht die DHKP-C auf der EU-Liste terroristischer Organisationen.

Führung: Funktionärsgruppe (nach dem Tod von Dursun Karataş wurde kein neuer Generalsekretär benannt)
Anhänger/Mitglieder: In Hessen etwa 60, bundesweit etwa 650
Medien (Auswahl): Devrimci Sol (Dev Sol, Revolutionäre Linke), Yürüyüş (Marsch)
EuropäischerDachverband: Avrupa Türk Konfederasyon (ATK, Türkische Konföderation in Europa), Sitz in Frankfurt am Main
Abgebildet ist das Logo der Anatolischen Föderation. Auf rechteckigem rotem Untergrund befindet sich in gelber Farbe eine halbe Sonne mit einem Strahlenkranz, der aus kürzeren und längeren Strahlen besteht. In der nur zur Hälfte abgebildeten Sonne befinden sich Ornamente. Abgebildet ist das Logo der Volksbefreiungsfront. Auf rechteckigem rotem Untergrund befindet sich in gelber Farbe ein fünfzackiger Stern, in dem sich wiederum in roter Farbe ebenfalls ein fünfzackiger Stern befindet. Abgebildet ist das Logo der Volksbefreiungspartei. Auf rechteckigem rotem Untergrund befindet sich in gelber Farbe ein Kreis. Darin befindet sich in roter Farbe ein fünfzackiger Stern, in dem sich wiederum in gelber Farbe Hammer und Sichel befinden.

Ereignisse/Entwicklungen

Obwohl die Anhänger der DHKP-C in Hessen kaum organisiert waren, kam es in Frankfurt am Main und in Darmstadt zu Veranstaltungen, die der Terrororganisation zuzurechnen sind. Besondere Aufmerksamkeit fanden hierbei Auftritte des der DHKP-C zuzurechnenden Musikerkollektivs Grup Yorum.

Auf einen Blick

  • „Gefangenensolidarität“
  • Grup-Yorum-Konzert in Frankfurt am Main

„Gefangenensolidarität“ | Nachdem 2016 der mutmaßliche Europaleiter der DHKP-C in Hamburg festgenommen worden war und im Dezember 2017 vor dem Hanseatischen OLG der Prozess wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung begonnen hatte, kam es in Deutschland im Berichtsjahr immer wieder zu Solidaritätsveranstaltungen. Dabei besuchten Aktivisten der DHKP-C aus dem gesamten Bundesgebiet den Prozess.

Auch in Frankfurt am Main und in Darmstadt fanden mehrere Solidaritätskundgebungen und Informationsstände statt. Es kam zu Veranstaltungen, bei denen die Freilassung des DHKP-C-Funktionärs sowie von in der Türkei inhaftierten und verfolgten Personen (darunter auch Journalisten und symbolträchtige Sympathieträger der Terrororganisation) gefordert wurde. Bei verschiedenen Veranstaltungen hingen Plakate aus. Bundesweit gab es mehrere Solidaritätshungerstreiks, die in der Regel zeitlich begrenzt waren.

Grup-Yorum-Konzert in Frankfurt am Main | Die zum Propagandanetzwerk der DHKP-C gehörende türkische Musikgruppe Grup Yorum trat am 29. September im Rebstockpark in Frankfurt am Main auf, wobei während der Kundgebung „Gegen Rassismus und Degeneration“ weitere Musiker und Bands spielten. Mit etwa 500 Teilnehmern war die Veranstaltung im Vergleich zu Konzerten in den Vorjahren in Nordrhein-Westfalen sowie in Fulda (Landkreis Fulda) und Frankfurt am Main deutlich schlechter besucht.

Nachdem bekannt geworden war, dass unter anderem die DHKP-C-nahe Band Grup Yorum auftreten sollte, hatte die Stadt Frankfurt am Main den Auftritt des Musikerkollektivs verboten und Auflagen für die Durchführung der Veranstaltung erlassen. Das Verwaltungs­gericht Frankfurt am Main wiederum erlaubte unter Auflagen den Auftritt von Grup Yorum, was der Verwaltungsgerichtshof Kassel in letzter Instanz bestätigte.

Während des Verfahrens kam es bundesweit zu mehreren Protestveranstaltungen von DHKP-C-Anhängern, darunter auch Kundgebungen in der Frankfurter Innenstadt, die teilweise von musizieren­den Grup-Yorum-Mitgliedern begleitet wurden. Gleichzeitig wurde für den Auftritt der Band geworben und zur Teilnahme am Konzert aufgerufen.

Beim Konzert selbst hatten die Veranstalter festgelegte Auflagen einzuhalten. Unter anderem durften bestimmte Lieder nicht gespielt und eindeutig der DHKP-C zuzurechnende Symbole nicht verwendet werden. Allerdings kam es zu mehreren Auflagenverstößen. So „integrierte“ das Musikerkollektiv ein verbotenes Lied in ein anderes Lied und zeigte typische DHKP-C-Symbole mittels Armbändern.

Entstehung/Geschichte

Die DHKP-C wurde 1994 als Nachfolgeorganisation der seit 1983 in Deutschland verbotenen Dev Sol gegründet. Auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus spricht sich die DHKP-C nach wie vor für einen revolutionären Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei aus und strebt die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft an. In Deutschland unterliegt die DHKP-C seit 1998 einem Organisationsverbot.

Auf einen Blick

  • Abspaltung von der Dev Sol
  • Grup Yorum als integraler Bestandteil der DHKP-C

Abspaltung von der Dev Sol | Die 1978 gegründete Dev Sol war eine politisch-militärische Organisation, die seit diesem Zeitpunkt in der Türkei Terroranschläge verübte. Anfang der 1990er Jahre kam es zu internen Streitigkeiten, die zu einer Spaltung der Organisation – trotz weiterhin gleicher ideologischer Grundlagen und politischer Ziele – führten. Auf einem Kongress im März 1994 spaltete sich einer der beiden Flügel auch formal von der Dev Sol ab und nennt sich seitdem DHKP-C.

1998 wurde die DHKP-C als Ersatzorganisation der bereits 1983 in Deutschland verbotenen Dev Sol eingestuft und in das damalige Verbot einbezogen. Nach einer Klage ist diese Entscheidung seit Februar 2000 bestandskräftig. In Deutschland und Europa agiert die DHKP-C seit 1999 gewaltfrei.

Grup Yorum als integraler Bestandteil der DHKP-C | Von der EU ist die DHKP-C seit 2002 als terroristische Organisation eingestuft. Ähnlich wie Yürüyüş, das vom Verbot seit 2015 mit umfasste Publikations­organ der DHKP-C, wird das Musikerkollektiv Grup Yorum von deutschen Behörden als integraler Bestandteil der Organisation bewertet. Allerdings wurden Auftritte im kulturellen Zusammenhang und ohne eindeutigen DHKP-C-Bezug gerichtlich in den letzten Jahren immer wieder durchgesetzt.

Grup Yorum wurde 1985 in der Türkei gegründet. Die Band vermischt folkloristische Musik mit politischen Texten, die sie in türkisch, kurdisch, aber auch speziellen Dialekten singt. Sie hat im türkischen Spektrum viele Fans, und ihre Auftritte waren in der Türkei Großereignisse. Allerdings hat Grup Yorum in der Türkei mittlerweile ein Auftrittsverbot. Einzelne Mitglieder wurden dort festgenommen und vor Gericht gestellt. Alben der Band wurden in der Türkei verboten.

Grup Yorum gibt auch Konzerte in Europa, unter anderem in Deutschland. Allerdings besteht gegen einzelne Mitglieder des Kollektivs ein Einreiseverbot, weswegen sie bei Auftritten durch andere Personen ersetzt werden. Die Auftritte des Musikerkollektivs stehen in der Regel unter einem Motto (zum Beispiel „Herz und Stimmen gegen den Rassismus“). In der Regel wird für Konzerte von Grup Yorum eigens geworben und es wird selbst bei Auftritten im Rahmen eines Festivals mit Auftritten mehrerer Bands ein Eintrittsgeld für das Musikerkollektiv erhoben. Außerdem werden die Auftritte grundsätzlich mit politischen Reden insbesondere von DHKP-C-Funktionären oder Ansprachen befreundeter politischer Organisationen verbunden.

Ideologie/Ziele

Die DHKP-C ist marxistisch-leninistisch ausgerichtet und strebt die Schaffung einer revolutionären Situation an, mit deren Hilfe die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei überwunden werden soll. Gemäß ihrer linksextremistischen politischen Orientierung will die Organisation in der Türkei eine sozialistische Gesellschaft errichten.

Auf einen Blick

  • „Bewaffneter Kampf“ gegen die „faschistische“ Türkei
  • Agitation zugunsten „politischer Gefangener“

„Bewaffneter Kampf“ gegen die „faschistische“ Türkei | Von Beginn an sah die DHKP-C den „bewaffneten Kampf“ als unersetzliches Mittel für die Schaffung einer revolutionären Situation sowie für den Kampf gegen die „faschistische“ Türkei an und versuchte dies entsprechend umzusetzen. Dabei gehen die Verantwortlichen der Terrororganisation davon aus, dass durch den Einsatz von Guerilla­kräften ihr „Krieg“ gegen die Türkei zur Sache des Volks und damit erfolgreich umsetzbar würde.

Agitation zugunsten „politischer Gefangener“ | In Deutschland tritt die DHKP-C grundsätzlich gewaltfrei und wenig öffentlichkeitswirksam auf. Neben dem Sammeln von „Spenden“ und der Umsetzung ihrer Ziele agitiert die DHKP-C vor allem für die Freilassung der von ihr als „politische Gefangene“ bezeichneten Mitglieder, wie zum Beispiel den 2016 festgenommenen und vom Hanseatischen OLG in Hamburg im Februar 2019 verurteilten ehemaligen Europaleiter der Organisation. Aber auch Solidaritätsaktionen und Hungerstreiks für in der Türkei inhaftierte Personen stehen mittlerweile regelmäßig im Aktionsspektrum der DHKP-C. Zugleich versucht die Organisation, sich die Unterstützung auch deutscher marxistisch-leninistisch ausgerichteter Gruppierungen und Personen zu sichern.

Bewertung/Ausblick

Deutschland ist innerhalb der EU ein wichtiger finanzieller und logistischer Rückzugsraum der DHKP-C. Dabei ist besonders auffällig, dass es ihr trotz des Verbots immer wieder gelingt, finanzielle Ressourcen aufzubauen, die der Organisation in der Türkei zur Ver­fügung gestellt werden.

Neben jährlichen „Spenden“-Kampagnen spielen insbesondere der illegale Verkauf der verbotenen Zeitschrift Yürüyüş und in der Regel kostenpflichtige Auftritte des der DHKP-C zuzurechnenden Musikerkollektivs Grup Yorum eine besondere Rolle. Insofern sehen hessische Behörden eine besondere Aufgabe darin, solche Konzerte und Festveranstaltungen durch Auflagen massiv einzudämmen oder ganz zu verhindern.

Unabhängig davon agiert die DHKP-C bei internen Veranstaltungen für ihre Anhänger auch weiterhin politisch-propagandistisch. Außerdem bemüht sie sich weiterhin um eine solidarische Unterstützung durch oder gar Zusammenarbeit mit marxistisch-leninistischen Strukturen in Deutschland.

Extremistische Straf- und Gewalttaten mit Auslandsbezug

Die im Jahr 2017 erhöhte Zahl der Straf- und Gewalttaten resultierte vor allem aus der deutlich gestiegenen Anzahl der Propagandadelikte, die sich als Reaktion hiesiger Extremisten auf Entwicklungen in der Türkei bzw. auf in Hessen ansässige politische Gegner mit Türkeibezug erklären ließ. Auch im Berichtsjahr bewegten sich nunmehr Brandstiftungen und Widerstandsdelikte in diesem Zusammenhang, wobei sich die Gesamtzahl der Straf- und Gewalttaten dem Niveau des Berichtsjahrs 2016 annäherte. (Siehe im Glossar unter dem Stichwort Politisch motivierte Kriminalität zur Erfassung politisch motivierter Straf- und Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund.)

2018 2017 2016 2015 2014
Deliktart
Tötung
Versuchte Tötung
Körperverletzung 5 1 6 6 2
Brandstiftung/Sprengstoffdelikte 3 3
Landfriedensbruch 1 1 1
Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr
Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte 3 1
Gewalttaten insgesamt 12 1 10 8 2
Sonstige Straftaten
Sachbeschädigung 25 8 13 17 3
Nötigung/Bedrohung 2 2
Andere Straftaten (insbesondere Propagandadelikte) 47 107 48 34 36
Straf- und Gewalttaten insgesamt 84 118 71 61 41
Impressum