Verfassungsschutz in Hessen

Bericht 2018

Extremismus in Hessen

Wesentliche Eckpunkte

Extremistisches Personenpotenzial in Hessen | In sämtlichen extremistischen Phänomenbereichen – Rechts- und Linksextremismus, Islamismus sowie Extremismus mit Auslandsbezug – blieb das Personenpotenzial in Hessen weitgehend konstant.

Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das gesamte extremistische Personenpotenzial in dem Fünf-Jahres-Zeitraum 2014 bis 2018 von 12.190 auf 13.400 Personen anwuchs, was einem Zuwachs von etwa zehn Prozent entspricht. Augenscheinlich besitzt der Extremismus in all seinen unterschiedlichen Ausprägungen und Schattierungen eine zunehmende Anziehungskraft.

Erhöhung der Zahl der Gewalttaten | Diese Entwicklung gilt es ebenso wachsam zu beobachten und zu analysieren, wie die zeitlich analoge Entwicklung der Straf- und Gewalttaten in Hessen. Zwar nahm ihre Gesamtzahl über alle Phänomenbereiche hinweg seit 2015 kontinuierlich ab, doch erhöhte sich im Berichtsjahr die Zahl der Gewalttaten von 23 (2017) auf 51, was mehr als einer Verdoppelung entsprach.

„Legitimität“ von Gewalt – Strafverfolgung und Prävention als Kontrapunkte | Die im Rechts- und Linksextremismus sowie im Extremismus mit Auslandsbezug gegenüber 2017 erhöhten Gewalttaten zeigen, dass – unbeeindruckt von den Vorkommnissen um den rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), der Aufdeckung weiterer entsprechender Strukturen und von den polizeilichen Ermittlungen im Kontext der Ausschreitungen im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg – Gewalt für etliche Extremisten unverändert ein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist. Dass Autonome einem Rechtsextremisten einen gewalttätigen „antifaschistischen Hausbesuch“ abstatten, verdeutlicht dies ebenso wie der Aufruf einer neonazistischen Partei, Kampfsport zu betreiben, um „einmal das ganze Volk wieder wehrhaft zu machen“.

Die Gefahr eines jihadistisch motivierten Terroranschlags war unvermindert hoch. Solange es etwa dem Islamischen Staat (IS) gelingt, seine Ideologie und Botschaften – insbesondere über die sozialen Netzwerke – zu verbreiten, ist nicht mit einer Abnahme dieser Gefahr zu rechnen. Eine maßgebliche Aufgabe des LfV ist es, Anschlagsgefahren, die sowohl von Gruppen als auch von Einzelpersonen ausgehen, zu erkennen, in Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden zu beseitigen und Tatbeteiligte der Strafverfolgung zuzuführen. Darüber hinaus ist es das Ziel des LfV, mittels seiner Präventionsarbeit phänomenübergreifend der Verbreitung extremistischen Gedankenguts entgegenzuwirken.

Rechtsextremismus

Personenpotenzial | Gegenüber dem Berichtsjahr 2017 stieg das rechtsextremistische Personenpotenzial in Hessen mit einer Zunahme von zehn Personen nur marginal an. Die temporäre Steigerung des Personenpotenzials von 2016 (1.335 Personen) bis 2017 (1.465 Personen) kam damit nahezu zum Erliegen.

Rechtsextremistische Musik | Im Berichtsjahr fand in Hessen lediglich ein rechtsextremistisches Konzert statt, das im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) ursprünglich in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) durchgeführt werden sollte. Nachdem die Stadt die Nutzung der Veranstaltungshalle untersagt hatte, verlagerten die Rechtsextremisten das Konzert in den Szenetreffpunkt Teutonicus in Leun (Lahn-Dill-Kreis). Darüber hinaus fanden in Hessen – im internen Kreis – drei weitere rechtsextremistische Musikveranstaltungen statt. Außerdem spielte beim Neujahrsempfang der NPD in Leun ein Liedermacher, der Mitglied einer rechtsextremistischen Band aus Nordrhein-Westfalen war.

Soweit rechtlich möglich, unterbinden die Sicherheitsbehörden rechtsextremistische Konzerte in Hessen. Die mit entsprechenden Inhalten verknüpfte Musik wirkt – neben der im Internet und in den sozialen Medien verbreiteten aktionsorientierten Bildersprache von Rechtsextremisten – wie ein Magnet, durch den sich Jugendliche und junge Erwachsene unter Umständen in die Szene ziehen lassen. Ist dies geschehen, haben sowohl die Bildersprache als auch die Musik eine für Rechtsextremisten identitätsstiftende Wirkung und dienen der szeneinternen Kommunikation.

Nachdem aufgrund der Geldzuwendung eines NPD-Mitglieds die Zwangsversteigerung des Szenetreffpunkts Teutonicus nicht zustande kam, verkündeten dessen Betreiber in einer rechtsextremistischen Zeitschrift, dass sie unter der Bezeichnung „Club H5“ eine Neuausrichtung des Treffs anstrebten. Damit sei künftig auch eine „Veranstaltungsreihe“ in Mittel- und Südhessen sowie im Raum Süddeutschland verknüpft.

Im November durchsuchte die Polizei den Szenetreff im Rahmen verschiedener Ermittlungsverfahren. Fünf Personen wurden festgenommen sowie Waffen, Munition, Betäubungsmittel und nationalsozialistische Devotionalien beschlagnahmt. Außerdem fand die Polizei auf dem Dachboden des Anwesens einen provisorischen Schießstand. Zum Ende des Berichtsjahrs dauerten die Ermittlungen an.

Identitäre Bewegung Deutschland e. V. (IBD)/Identitäre Bewegung Hessen (IBH) | Hessenweit gingen die Aktivitäten der Identitären Bewegung (IB) im Berichtsjahr zurück, obwohl sie sich vor allem im Internet und in den sozialen Medien unverändert „modern“ und „intellektuell“ präsentierte und versuchte, mittels ihrer Bildersprache größtmögliche mediale bzw. öffentliche Aufmerksamkeit zu erringen. Nach wie vor konzentrierte sich die IB im Rahmen ihres „Ethnopluralismus“-Konzepts auf den Protest gegen die Migrations- und Asylpolitik, das heißt sie protestierte – so ihre Diktion – gegen den „großen Austausch“. IB-Angehörige filmten zum Beispiel am Frankfurter Hauptbahnhof und an der Philosophischen Fakultät der Philipps-Universität in Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) Aktionen und stellten entsprechende „spektakuläre“ Videos und Bilder im Internet bzw. in den sozialen Medien ein. Nachdem Facebook zahlreiche Accounts von Aktivisten und Regional- bzw. Ortsgruppen der IB gesperrt hatte, verbreiteten die IBD und die IBH ihre Beiträge hauptsächlich über die eigene Homepage und Twitter.

Die Gefahr, die von der IB für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgeht, besteht darin, dass sie sich als elitär-intellektuelle Impulsgeberin geriert. In dieser Rolle versucht sie, Jugendliche und junge Erwachsene über die Grenzscheide, die Demokratie und Extremismus voneinander trennt, zu locken, indem sie rechtsextremistische Inhalte und Begriffe verwischte. Diese Strategie ist umso bedenklicher, als die IB ihre Anhängerschaft vor allem in einem jungen akademisch geprägten Spektrum verortet, das später einmal zu den Entscheidungsträgern in Politik, Staat, Gesellschaft, Wissenschaft, Bildung und Kultur gehören kann.

Neonazis | Die in Hessen mehrheitlich durch regional lose strukturierte Gruppierungen geprägte Neonazi-Szene konzentrierte sich auf öffentlichkeitswirksame propagandistische Aktionen: Das betraf vor allem die Teilnahme an Demonstrationen und das Verteilen von Aufklebern und Flugblättern. Dagegen war die Kameradschaft Aryans überregional bzw. länderübergreifend strukturiert. Zwei ihr zuzurechnende Neonazis, die aus Hessen stammten, wurden zu Freiheitsstrafen jeweils ohne und mit Bewährung verurteilt. Hintergrund waren Ausschreitungen während der rechtsextremistischen 1. Mai-Demonstration der Partei DIE RECHTE in Sachsen-Anhalt im Jahr 2017. Im Berichtsjahr beteiligte sich die Kameradschaft erneut am 1. Mai an einer rechtsextremistischen Demonstration in Thüringen. In Hessen gab es keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Aryans.

Die im Verhältnis zum Jahr 2017 gestiegene Anzahl der Gewalttaten verdeutlicht, dass in der Neonazi-Szene eine hohe Gewaltbereitschaft besteht. Um Radikalisierungstendenzen und Gewalttaten rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig zu unterbinden, wird das LfV die neonazistische Szene in Hessen auch in Zukunft intensiv beobachten.

NPD | Auch mit dem im Berichtsjahr neu gewählten Landesvorstand war die Partei in Hessen ebenso wenig handlungsfähig wie in der Vergangenheit. Lediglich einige Kreisverbände waren aktiv und traten öffentlich in Erscheinung. Ihre Agitationsschwerpunkte legte die NPD bevorzugt im Internet und in sozialen Netzwerken auf die Themen „Asylmissbrauch“, „Flüchtlinge“ und „Innere Sicherheit“. Letztlich war diese Agitation nicht erfolgreich, da die NPD bei der hessischen Landtagswahl lediglich 0,2% (= 6.190 Zweitstimmen) erreichte. Darüber hinaus ist fraglich, ob es der NPD gelingen wird, den aus diesem Ergebnis resultierenden Verlust der Berechtigung zur Teilhabe an der Parteienfinanzierung und die damit einhergehende finanzielle Schwächung zu kompensieren.

Neben ihrem Wahlkampf mobilisierte die NPD für die Kampagne „Schafft Schutzzonen!“, um angeblich „Sicherheit von Deutschen vor Ausländerkriminalität“ zu schaffen. Hierzu veröffentlichte sie im Internet Anleitungen und bot Utensilien wie Westen, Mützen und Abwehrspray an. Entsprechende „Schutzzonen“-Aktionen führten die NPD und ihre Jugendorganisation in Gestalt von „Streifengängen“ in verschiedenen hessischen Städten durch.

Mit ihrer Umbenennung in Junge Nationalisten (JN) versuchte die NPD-Jugendorganisation (ehemals Junge Nationaldemokraten) einen Neustart zur Lösung ihrer langjährigen personell-strukturellen Probleme einzuleiten. Tatsächlich vermochten die JN in Hessen ihre marginale Mitgliederzahl minimal zu erhöhen. Nachdem – ebenso wie bei der IB – das Facebook-Profil der JN gesperrt worden war, wichen sie in Hessen auf das Facebook-Profil der NPD aus.

Unter dem Motto „Lieber ungezogen, statt umerzogen“ versuchten die JN den Landtagswahlkampf der NPD zu unterstützen und richteten die Homepage schuelersprecher.info ein. An Schulen verteilten JN-Aktivisten Flyer und brachten Plakate an. Außerdem wurde eine neue Version der früheren „Schulhof-CD“ als im Internet herunterladbare Datei angeboten. Sie enthielt Musik rechtsextremistischer bzw. rechtsextremistisch beeinflusster Bands und Liedermacher sowie verschiedene Imagevideos der JN.

Der Dritte Weg/Der III. Weg | Vergleichbar zu der NPD und den JN bildete die vor allem gegen Flüchtlinge gerichtete Fremdenfeindlichkeit einen maßgeblichen Agitationspunkt bei der Partei Der Dritte Weg. Mittels Flugblattverteilungen thematisierte Der Dritte Weg – in seiner Wortwahl wesentlich prononcierter als die IB („großer Austausch“) – den angeblich „drohenden Volkstod durch Überfremdung“. Die Tötung einer 14-jährigen Schülerin in Wiesbaden (ein Asylbewerber wurde als Täter ermittelt) versuchte Der Dritte Weg für seine Zwecke zu instrumentalisieren und die Bevölkerung in fremdenfeindlicher Weise zu emotionalisieren. Außerdem agitierte Der Dritte Weg gegen den „Kapitalismus“ und veranstaltete am 1. Mai in Sachsen einen „Arbeiterkampftag“, dem in verschiedenen hessischen Gemeinden eine „antikapitalistische“ Kampagne vorausgegangen war.

Darüber hinaus wies der stellvertretende Vorsitzende des Dritten Wegs im Internet auf die Notwendigkeit hin, sich mit Kampfsport zu beschäftigen: Noch sei man nicht in der Lage, die „Kultur der Verweichlichung und des Pazifismus gesamtgesellschaftlich abzulösen, aber wir können bereits heute uns selber wehrhaft machen und damit dazu beitragen, einmal das ganze Volk wieder wehrhaft zu machen“. Mit seiner Betonung der Relevanz von Kampfsport griff Der Dritte Weg offensichtlich auf den im Jahr 2013 etablierten rechtsextremistischen „Kampf der Nibelungen“ zurück. Mit dem Kampfsport-„Event“ wollten die damaligen Veranstalter dem „faulenden politischen System […] der Versager, der Heuchler und der Schwächlinge“ eine wehrhafte „Alternative zum vorherrschenden ehr- und wertelosen Zeitgeist“ entgegensetzen, was – ebenso wie beim Dritten Weg – auf die Vermittlung von „Gewaltkompetenz“ hinausläuft.

Ähnlich offensiv erklärte Der Dritte Weg im Internet im Kontext der in Politik und Öffentlichkeit vielfach erörterten Demonstration am 27. August in Chemnitz (Sachsen) anlässlich der Tötung eines 35-Jährigen: „Der Kampf wird sich auf absehbare Zeit noch verschärfen, und zwar in dem Maße, je mehr die Politisierung der Massen zunimmt und sich immer mehr von der bürgerlichen Mitte in die radikalen Richtungen entwickeln“. Dabei betonte die Partei, als antidemokratische avantgardistische „Kampfgemeinschaft“ wirken zu wollen: „Stets haben entschlossene Minderheiten über den Verlauf von großen Ereignissen entschieden, die Masse folgt“. Die nächsten Jahre gelte es zu nutzen: „Schaffung von Infrastrukturen, Kaderbildung, Vernetzung“. Bereits der nationalsozialistische Agitator Joseph Goebbels hatte 1927 von der „verantwortlichen Minderheit“ gesprochen, deren Aufgabe es sei, den Staat umzugestalten (s. oben das Kapitel Verfassungsschutz in Hessen).

Virulente Gefahr eines Rechtsterrorismus | Dass sowohl vor als auch nach der Urteilsverkündung des Oberlandesgerichts (OLG) München im Juli im sogenannten NSU-Prozess die Verbrechen der Terrorgruppe in der rechtsextremistischen Szene mehrheitlich keine „positive“ Resonanz erfuhren, schließt eine eventuelle „Vorbildfunktion“ des NSU für andere Rechtsextremisten nicht aus. Rechtsextremistische Gewaltpotenziale stellen – wie oben dargelegt – weiterhin eine hohe Gefahr für Leib und Leben dar.

Daher setzen die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die intensive Beobachtung der neonazistischen und grundsätzlich gewaltbereiten sowie waffenaffinen Szene fort, um mögliche Radikalisierungstendenzen bis hin zum Rechtsterrorismus frühzeitig zu erkennen und die hierfür zuständigen Behörden rechtzeitig zum Zweck der Strafverfolgung zu informieren.

Flüchtlinge im Visier von Rechtsextremisten | Insgesamt nahm in Hessen die Zahl der Straftaten (38) im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik gegenüber dem Vorjahr (2017: 54) deutlich ab. Im Unterschied zu den Vorjahren waren sämtliche Straftaten dem Bereich Politisch motivierte Kriminalität (PMK) – rechts – zuzuordnen. Damit bestätigt sich die Einschätzung, dass Fremdenfeindlichkeit ein unabdingbarer Bestandteil des Rechtsextremismus ist, aber auch – wie vor 2018 – in Teilen der nichtextremistischen Bevölkerung grassieren kann, wenn (etwa in der Wahrnehmung der Täter) die sozialökonomischen und politischen Verhältnisse massiven Änderungen unterworfen sind.

Reichsbürger und Selbstverwalter

Angebliches Fortbestehen des Deutschen Reichs – Fantasiestaaten | Die Zahl der Reichsbürger und Selbstverwalter blieb im Berichtsjahr in Hessen mit etwa 1.000 Personen unverändert hoch. Sie lehnen unter anderem die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem, die Staatsorgane und die demokratisch gewählten Repräsentanten ab. Reichsbürger behaupten, dass – in verschiedenen Varianten – ein Deutsches Reich fortbesteht; Selbstverwalter erfinden Fantasiestaaten und beanspruchen für sich ein von der Bundesrepublik Deutschland unabhängiges Territorium. Die Szene bestand aus einer Vielzahl verschiedener Gruppierungen und Einzelpersonen, war somit vielschichtig und unübersichtlich und umfasste Verschwörungstheoretiker und Rechtsextremisten ebenso wie Leichtgläubige und finanziell Gescheiterte.

Affinität zu Waffen – Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse | Die Szene war außergewöhnlich waffenaffin, sodass die Gefahr bestand, dass sich ihre Angehörigen staatlichen Maßnahmen, die sie als „Plünderung“ und „Raub“ betrachten, mit Gewalt widersetzen. Die Anzahl der Reichsbürger und Selbstverwalter, die in Hessen über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten, lag im hohen zweistelligen Bereich. Das Ziel der Sicherheitsbehörden in Hessen bleibt es daher, dass kein ihnen bekannter Reichsbürger bzw. Selbstverwalter waffenrechtliche Erlaubnisse oder Legalwaffen besitzt bzw. diese im Fall des Besitzes entzogen werden. In enger Zusammenarbeit zwischen den Sicherheits- und Waffenbehörden wurden bereits zahlreichen Reichsbürgern und Selbstverwaltern die waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen und Schusswaffen sichergestellt.

Linksextremismus

Personenpotenzial | Das Personenpotenzial im Phänomenbereich Linksextremismus war im Berichtszeitraum im Vergleich zu den Vorjahren konstant. Dabei bildete Frankfurt am Main – wie in der Vergangenheit – sowohl personell als auch strukturell den Schwerpunkt der autonomen Szene in Hessen.

Autonome | Von anderen Szenen in Hessen – etwa in den Universitätsstädten Kassel, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und Gießen (Landkreis Gießen) – hob sich der „harte Kern“ der Autonomen in Frankfurt am Main vor allem durch seine bundesweite Vernetzung und seine hohe Gewaltbereitschaft ab. Mit dem Klapperfeld verfügte die Szene – neben dem Café ExZess, dem Café KoZ und dem Centro – über den bedeutendsten autonomen Treffpunkt in Hessen.

„Antifaschistische“ Aktionen und Demonstrationen standen zusammen mit den Themen „Antirepression“, „selbstverwaltete Freiräume“, „Antigentrifizierung“ und „Antirassismus“ im Fokus der Autonomen, etwa im März gegen die NPD in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) und im August in Darmstadt gegen die Alternative für Deutschland (AfD). Dabei war das „Antifaschismus“-Verständnis der Autonomen von strikter Demokratiefeindlichkeit geprägt. Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ist in ihrer Wahrnehmung ebenso „faschistisch“ wie Personen und Strukturen, die sie so definieren. Der Betroffene kann dann – unabhängig von seinen tatsächlichen Überzeugungen und Handlungen – zur „legitimen“ Zielscheibe von Diffamierungen und Gewalttaten werden. Für dieses „Brandmarken“ bedienten sich Autonome vor allem des Mittels des Outings: Den gewalttätigen Übergriff auf die Wohnung eines – in diesem Fall tatsächlichen – Rechtsextremisten bezeichneten Linksextremisten im Internet als „längst überfälligen antifaschistischen Hausbesuch“ und bedauerten, dass der Bewohner zum Zeitpunkt ihres „Besuchs“ abwesend gewesen sei.

Auch eine Reihe von Brandstiftungen zum Nachteil „linker“ Treff- und Wohnobjekte im Rhein-Main-Gebiet sah die linksextremistische Szene als rechtsextremistisch motiviert an. Diejenigen politischen Parteien, die in den Monaten zuvor – vor dem Hintergrund der massiven gewalttätigen Ausschreitungen in Hamburg anlässlich des G20-Gipfels 2017 – die Schließung verschiedener Treffpunkte in Frankfurt am Main gefordert hatten, bezeichnete die Szene als „geistige Brandstifter“. Obwohl die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren, outeten Linksextremisten einen im Dezember festgenommenen Tatverdächtigen als „rechten Brandstifter“, veröffentlichten dessen Personalien im Internet, bewarfen sein Wohnhaus mit Steinen und beschmierten es mit Farbe.

Straf- und Gewalttaten | Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten erhöhte sich in Hessen auf 13 (2017: fünf), wobei die Anzahl der Delikte in ihrer Gesamtheit im Berichtsjahr auf dem niedrigsten Niveau seit 2015 lag. Die seit den Ausschreitungen in Hamburg anhaltende öffentliche Diskussion über Autonome, ihre Trefflokalitäten und ihr Verhalten, dürfte – zumindest in Hessen – zu einem defensiveren Agieren der Szene und somit zu dem Rückgang beigetragen haben. Allerdings gilt es seitens der Sicherheitsbehörden den Anstieg der Gewalttaten und die damit eventuell verbundenen Entwicklungen ebenso wie in Bezug auf den Rechtsextremismus genau im Blick zu haben und zu analysieren.

„Anti-Repression“ – „Anti-Gentrifizierung“ – „Anti-Rassismus“ | Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen anlässlich der Ausschreitungen während des G20-Gipfels wurden bundesweit, auch in Hessen, Wohnungen durchsucht. Linksextremisten reagierten darauf sofort, so warnte die Rote Hilfe e. V. (RH) vor weiteren Exekutivmaßnahmen. Weitere Solidaritätsbekundungen – auch aus dem Phänomenbereich des Extremismus mit Auslandsbezug – folgten. Darüber hinaus protestierten Linksextremisten gegen die vor allem in Frankfurt am Main zunehmende Gentrifizierung sowie den in ihrer Perspektive „staatlich organisierten Rassismus“ in Form der Abschiebung von Flüchtlingen. Im Kontext des Themas „Rassismus“ riefen autonome Gruppierungen im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Kein Schlussstrich – Tag X“ zur Teilnahme an einer Demonstration am Tag der Urteilsverkündung im NSU-Prozess in München auf.

Deutsche Kommunistische Partei (DKP) | Die Aktivitäten der DKP beschränkten sich überwiegend auf kommunalpolitische Aspekte. Die Partei führte nur wenige öffentlichkeitswirksame Aktionen durch, interne Veranstaltungen dominierten. Die internen Richtungskämpfe zwischen einer Gruppe, welche die traditionelle Rolle der Arbeiterklasse favorisierte, und dem Teil, der sich für innerparteiliche Reformen aussprach, setzten sich im Berichtsjahr fort. Auf einem Parteitag in Frankfurt am Main wurde ein Unvereinbarkeitsbeschluss verabschiedet, der eine Absage an die Umgestaltung der DKP von einer leninistisch–zentralistischen Partei zu einer Strömungspartei enthielt.

Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) | Die eng mit der DKP verbundene SDAJ versuchte ihre Ziele vor allem mittels der Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Organisationen zu erreichen. Während des Hessentags in Korbach (Kreis Waldeck-Frankenberg) demonstrierte die SDAJ gemeinsam mit der DKP sowie mit anderen Gruppen und Einzelpersonen gegen die dortige Präsenz der Bundeswehr. Ähnlich wie bei der DKP gab es in der SDAJ interne Auseinandersetzungen über die einzuschlagende strategische Ausrichtung.

Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) | Die im linksextremistischen Spektrum weitgehend isolierte MLPD konzentrierte sich auf die „Kurdistan-Solidaritätsarbeit“, indem sie verstärkt mit Personen zusammenarbeitete, die der Partiya Karkerên Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) nahestanden. So rief die MLPD anlässlich des kurdischen Neujahrsfests zu Kundgebungen in Kassel und Darmstadt auf, Veranstaltungen der MLPD fanden häufig in PKK-nahen Treffpunkten statt.

Rote Hilfe e. V. (RH) | Die RH begleitete im Berichtsjahr bei Strafprozessen vorwiegend Angeklagte, die linksextremistischen Gruppierungen zuzurechnen waren. Mitunter meldete die RH Kundgebungen vor dem jeweiligen Gerichtsgebäude an bzw. veröffentlichte Verlaufsberichte über die Prozesse. So thematisierte sie wiederholt einen Prozess vor dem OLG München gegen Mitglieder zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Darüber hinaus führte die RH im Café ExZess in Frankfurt am Main eine Veranstaltung als Nachbetrachtung zum G20-Gipfel in Hamburg durch.

Islamismus

Jihadistischer Salafismus | Nachdem die salafistisch ausgerichtete Terrororganisation IS im Berichtsjahr eine Reihe schwerer militärischer Niederlagen erlitten hatte, galt sie seit März 2019, was ihre territoriale Existenz betraf, als besiegt. Trotzdem war es dem IS möglich, über verschiedene soziale Netzwerke seine jihadistische Propaganda zu verbreiten und zu entsprechend motivierten Anschlägen anzuleiten. Von nicht unerheblicher Bedeutung war dabei auch die Verbreitung der Propaganda durch Sympathisanten, die individuell – ohne Verbindung zu der Terrororganisation – jihadistische Texte verfassten und aus eigenem Antrieb über das Internet verbreiteten. Aufgabe der Sicherheitsbehörden war und bleibt es, mögliche Attentäter, die sich solchermaßen „inspirieren“ lassen, vor der Ausführung eines Anschlags zu identifizieren. Nur in wenigen Fällen lagen zu den Akteuren bereits über einen längeren Zeitraum sich auf Tatsachen stützende Erkenntnisse vor, die eindeutig auf eine Anschlagsabsicht hinwiesen. Vor diesem Hintergrund war die Anschlagsgefahr unvermindert hoch.

Auch das bundesweit und in Hessen hohe Personenpotenzial der Salafisten – 11.200 (2017: 10.800) bzw. 1.650 (2017: 1.650) Personen in Hessen – gab weiterhin Anlass zur Besorgnis. Insgesamt lag das islamistische Personenpotenzial in Hessen im Vergleich zum Vorjahr unverändert bei 4.170 Personen.

In Frankreich, Belgien und in den Niederlanden begingen Einzeltäter, die augenscheinlich entweder im Auftrag des IS oder eigeninitiativ handelten, jihadistisch motivierte Anschläge. In Köln (Nordrhein-Westfalen) vereitelten die Sicherheitsbehörden die Anschlagsvorbereitungen eines IS-Sympathisanten, in Hessen nahm die Polizei jeweils einen irakischen und einen syrischen Staatsangehörigen fest. Ein Angeklagter soll einen nicht näher konkretisierten Selbstmordanschlag in Deutschland oder in Großbritannien vorbereitet haben, ein anderer soll Mitglied in einer ausländischen Terrororganisation gewesen sein und sich an Kampfhandlungen in Syrien beteiligt haben. Die entsprechenden Prozesse begannen im Februar bzw. im März 2019 vor dem OLG Frankfurt am Main.

Deutlich verringerte Ausreisedynamik | Zu etwa 150 Islamisten aus Hessen lagen den Sicherheitsbehörden im Berichtszeitraum Erkenntnisse vor, dass sie in Richtung Syrien oder Irak reisten, um dort auf Seiten des IS und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Insgesamt zeichnete sich – in Übereinstimmung mit dem Bundestrend – eine deutlich verringerte Ausreisedynamik ab. Zu etwa 20 Personen gab es Informationen, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligten oder hierfür eine Ausbildung absolvierten. Ferner lagen zu rund 50 Personen Hinweise vor, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in Syrien oder im Irak ums Leben kamen.

Die hessischen Sicherheitsbehörden sind bestrebt, jihadistisch motivierte Ausreiseplanungen frühzeitig zu erkennen, um sie zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund bewegte sich die Anzahl der behördlich verhängten Ausreiseverbotsverfügungen im Berichtsjahr im mittleren zweistelligen Bereich.

Rückkehrer-Problematik: jihadistische Frauen und Kinder | Zahlreiche Kinder und Jugendliche, die zum Teil in den damaligen Herrschaftsgebieten des IS geboren worden waren oder dorthin zusammen mit ihren Eltern ausgereist waren, befanden sich in Gefangenschaft der Anti-IS-Allianz. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass etliche dieser Personen unverändert von der IS-Ideologie befangen und von psychischen und körperlichen Gewalterfahrungen geprägt sind. Da diese Personen bei einer Rückkehr nach Deutschland eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, beschäftigt sich der Verfassungsschutzverbund intensiv mit der Rückkehrer-Problematik von jihadistischen Frauen und deren Kindern.

Straf- und Gewalttaten | Die überwiegende Anzahl der Straftaten (27 Delikte) im Berichtszeitraum war dem Jihadismus zuzurechnen. Der erhebliche Rückgang um 72 Delikte gegenüber dem Jahr 2017 kam in erster Linie durch die Änderung der polizeilichen Erfassungsrichtlinien in Bezug auf Verdachtsmeldungen des BAMF zustande. Zahlreiche Ermittlungsverfahren, die mit Hinweisen aus BAMF-Verfahren in Verbindung standen, waren somit den Vorjahren und nicht dem Anhörungsdatum im Berichtsjahr zuzurechnen. Wie 2017 gab es im Berichtsjahr in Hessen eine Gewalttat.

Politischer Salafismus | Im Rahmen des „We-Love-Muhammad“-Projekts wurde eine weitere Auflage der Biografie des Propheten Mohammed (20.000 Exemplare) ausgeliefert, in der Summe waren es bislang mehr als 60.000 Bücher. Die Akteure bereiteten ihre Aktionen regelmäßig im Internet auf und warben hierfür mit Bildern und Videos, die wiederum von Sympathisanten weiterverbreitet wurden. Die Missionierungsbemühungen zu dem – nach salafistischer Interpretation – „wahren Islam“ wurden somit über den eigentlichen Veranstaltungsrahmen hinaus auf einen größeren Adressatenkreis ausgeweitet. Dabei mieden Salafisten sowohl das politische Engagement als auch den öffentlichen Diskurs. Dennoch kann die salafistische Doktrin auch gesamtgesellschaftlich wirken und somit politischen Einfluss gewinnen.

Hizb ut Tahrir (HuT, Partei der Befreiung) – Realität Islam (RI) | Die in Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) ansässige Gruppierung RI versuchte, ihre Anhängerschaft auch aus dem akademischen Milieu zu rekrutieren und war vor allem in sozialen Netzwerken aktiv. Dabei stand RI der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten HuT nahe. Den Schwerpunkt der Aktivitäten von RI bildete die Kampagne „Deine Stimme gegen das Kopftuchverbot“/„#Kopftuchunserepflicht“. In diesem Rahmen sammelten Aktivisten in Fußgängerzonen und Moscheen Unterschriften für eine an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags einzureichende Petition gegen ein angeblich in Nordrhein-Westfalen geplantes „Kopftuchverbot“ für Mädchen unter 14 Jahren.

Gegenüber der Öffentlichkeit verschwieg die Gruppierung RI ihre islamistischen Ziele und ihren ideologischen Hintergrund. Erst die Lektüre der Publikation „Realität Islam[.] Eine Einführung[.] Gemeinsam für eine starke und bewusst agierende Gemeinschaft“ offenbart das von RI propagierte Weltbild und den damit einhergehenden Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Muslimbruderschaft (MB) | Ihre Versuche, in verschiedenen gesellschaftlich relevanten Institutionen Fuß zu fassen, setzten MB-Anhänger in Hessen unauffällig fort. Darüber hinaus bemühte sich die der MB nahestehende Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) mittels ihrer Umbenennung in Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG), sich als unbelastete Ansprechpartnerin für einen offenen, gemäßigten Islam zu präsentieren. Offenbar wollte sie auf diese Weise ihre mittlerweile auch öffentlich bekannt gewordenen Verbindungen zur MB verschleiern. Bis zum Ende des Berichtszeitraums war die Namensänderung formal im vereinsrechtlichen Sinne noch nicht vollzogen.

Saadet Partisi (SP, Partei der Glückseligkeit) | Die der Millî-Görüş- Bewegung angehörende SP band im Berichtsjahr sowohl ihre Mitglieder als auch ihren Jugendnachwuchs weiter an sich. Nachdem Anhänger des SP-Landesverbands Hessen ihre regelmäßigen Treffen in der Vergangenheit an wechselnden Orten veranstaltet hatten, standen ihr spätestens seit Ende Mai in einem Mehrzweckgebäude in Hanau (Main-Kinzig-Kreis) feste Räumlichkeiten zur Verfügung. Regelmäßige Gastauftritte und -vorträge hochrangiger außerhessischer und türkischer SP-Funktionäre deuten auf den hohen Stellenwert des Landesverbands in Hessen für die Mutterpartei in der Türkei hin.

Extremismus mit Auslandsbezug

Personenpotenzial | Dass die Zahl der Extremisten mit Auslandsbezug seit mehreren Jahren – tendenziell leicht abnehmend – im Berichtszeitraum relativ konstant war, lag unter anderem daran, dass bei Gruppierungen kurdischen und türkischen Ursprungs stabile legalistische Strukturen bestanden, die sich kaum veränderten. Der Rückgang des Personenpotenzials im Berichtsjahr auf 4.330 (2017: 4.475) kam durch die Selbstauflösung bzw. die zunehmende Inaktivität separatistischer Gruppen im Baskenland sowie auf Sri Lanka zustande.

PKK | Die türkische Militäroffensive gegen mutmaßliche Stützpunkte des syrischen PKK-Ablegers in der Region Afrin bestimmte über weite Teile des Berichtsjahrs das von großen Emotionen geprägte Verhalten der PKK-Anhängerschaft. Hessen- und bundesweit kam es zu einer Vielzahl sowohl friedlicher Proteste als auch gewalttätiger – vor allem gegen Sachen gerichteter – Aktionen, die unter anderem aus Aufrufen der PKK-Führung im Ausland resultierten. Allein bis Mitte März, dem Ende der Militäroffensive, waren bundesweit mehr als 1.000 Kundgebungen zu verzeichnen, in Hessen etwa 160. Dabei kooperierten auch deutsche Linksextremisten mit PKK-Anhängern.

Aktionen vor allem der PKK-Jugendorganisation Ciwanên Azad (Freie Jugend) gegen türkische Einrichtungen verdeutlichten, dass friedlicher politischer Protest jederzeit eskalieren konnte. Diese hochemotionale Stimmung spiegelte sich besonders in Kassel wider, wo ein Farbanschlag auf ein Gebäude verübt wurde, in dem sich sowohl eine türkische Moschee als auch ein Verein befanden, welcher der türkischen nationalistischen Ülkücü-Bewegung zuzurechnen ist.

Neben der türkischen Militäroffensive beeinflussten die anhaltende Sorge um den Gesundheitszustand ihres inhaftierten Anführers Abdullah Öcalan und dessen fortwährende Einzelhaft das Verhalten der PKK-Anhängerschaft. In Darmstadt und in Frankfurt am Main kam es zu entsprechenden Protesten, in Kassel entzündeten während einer vom deutschen linksextremistischen Spektrum angemeldeten Kundgebung Demonstrationsteilnehmer unter anderem pyrotechnische Gegenstände. Beim Versuch eine Polizeikette zu durchbrechen, setzten sie Fahnenstangen und Pfefferspray gegen die Einsatzkräfte ein und warfen Steine auf die Polizisten.

Straf- und Gewalttaten | Zwar ging die Anzahl der Delikte im Phänomenbereich Extremismus mit Auslandsbezug gegenüber 2017 (118) auf 84 im Berichtsjahr zurück, es war jedoch – wie im Rechts- und Linksextremismus – bedenklich, dass die Zahl der Gewalttaten von einer (2017) auf zwölf (2018) zunahm und 2018 innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums den höchsten Stand erreichte. Analog zu den anderen Phänomenbereichen gilt es seitens der Sicherheitsbehörden diese Entwicklung genau zu beobachten und zu analysieren.

Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi (DHKP-C, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) | Vor dem Hintergrund des Prozesses gegen einen hochrangigen DHKP-C-Funktionär vor dem Hanseatischen OLG in Hamburg wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung kam es bundesweit, auch in Frankfurt am Main und in Darmstadt, zu Solidaritätskundgebungen und zeitlich befristeten Hungerstreiks. Während eines Konzerts der Band Grup Yorum, die dem Propagandanetzwerk der DHKP-C zuzurechnen ist, in Frankfurt am Main verstießen die Musiker gegen die Auflagenverfügung. Sie flochten verbotene Lieder in andere ein und zeigten verbotene Symbole. Auf diese Weise propagierte und verbreitete das Musikerkollektiv von Grup Yorum, das in der Türkei einem Auftrittsverbot unterliegt, ideologische Inhalte der Terrororganisation in Form einer „geschickten“ Mischung aus folkloristischer Musik und politischen Texten.

Organisierte Kriminalität (OK)

Mögliche Einflussnahmen | Die vom LfV überwiegend mit nachrichtendienstlichen Mitteln und im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden sowie ausländischen Nachrichtendiensten gesammelten Erkenntnisse eignen sich selten für eine öffentliche Darstellung. Besonders wachsam wurden weiterhin Versuche von OK-Gruppen beobachtet, die möglicherweise darauf ausgerichtet sind, Einfluss auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien und Wirtschaft zu erlangen.

Schwerpunkte | Im Bereich der Rockerkriminalität lag der Beobachtungsschwerpunkt auf den Osmanen Frankfurt BC sowie auf Aktivitäten von Gruppen und Einzelpersonen im Bereich der russischen und italienischen OK. In Nordhessen wurden im Berichtsjahr aufgrund umfangreicher Ermittlungen deutscher und italienischer Sicherheitsbehörden fünf Personen festgenommen, die mutmaßlich der ‘Ndrangheta angehören.

Spionage- und Cyberabwehr

Illegale Informationsbeschaffung und Sabotage | Dem LfV wurden nicht nur staatlich initiierte Angriffe mit dem Ziel der Informationsbeschaffung bekannt, sondern auch Attacken, die auf das Schädigen bzw. die Sabotage virtueller Systeme zielten. Schwerpunktmäßig wurden im Berichtszeitraum Cyberaktivitäten mit russischem Hintergrund beobachtet, das heißt vor allem Angriffe auf Infrastrukturbetreiber und die Energiebranche. Der Verfassungsschutz erhielt eine Vielzahl von Hinweisen auf Verdachtsfälle hinsichtlich möglicher Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage gegen hessische Unternehmen und Institutionen. Häufig waren Forschungseinrichtungen und forschungsintensive Branchen betroffen. Insbesondere iranische und chinesische Cyberaktivitäten ließen auf ein andauerndes Interesse an wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zielen schließen.

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